Zerstörtes Wohnhaus in der Ukraine
AP/Ukrainian Interior Ministry Press Office
Nach Drohnenbeschuss

Moskau verschärft Angriffe in Ukraine

Nach mutmaßlich ukrainischem Drohnenbeschuss auf ein Moskauer Geschäftsviertel am Wochenende und in russischen Grenzregionen in der Nacht auf Montag haben die russischen Angriffe auf die Ukraine am Montag erheblich zugenommen. Beim Beschuss von mehreren südukrainischen Städten wurden mindestens sieben Zivilisten getötet und Dutzende weitere verletzt. Auch am Dienstag wurden die Angriffe fortgesetzt.

In der Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Krywyj Rih, schlugen zwei russische Raketen in ein neunstöckiges Wohnhaus und in ein Gebäude der Universität ein. Zuletzt war von ukrainischer Seite von sechs Toten und 75 Verletzten die Rede – darunter auch mehrere Kinder. Das getroffene Wohnhaus ist teilweise ausgebrannt und besonders einsturzgefährdet, wie Videoaufnahmen zeigten. Auch in Cherson starb am Montag mindestens ein Mensch durch russischen Artilleriebeschuss.

Auch am Dienstag wurden die Angriffe fortgesetzt. In Charkiw gingen über Nacht laut ukrainischen Angaben mehrere Drohnen in bewohntem Gebiet nieder. Dabei wurden zwei Stockwerke eines Studentenwohnheims zerstört. Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, berichtete unterdessen von einem Drohnenangriff auf die russische Hauptstadt. Mehrere Drohnen seien abgeschossen worden. Eine habe jedoch dasselbe Hochhaus getroffen, das bereits Anfang der Woche bei einem Angriff beschädigt worden war.

Selenskyj verurteilt „russischen Terror“

Selenskyj sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme aus und verurteilte den „russischen Terror“. Dieser „wird uns nicht einschüchtern und uns nicht brechen. Wir arbeiten und retten unsere Leute.“ Montagabend forderte Selenskyj erneut schärfere Sanktionen gegen Russland: „Der weltweite Sanktionsdruck gegen Russland verdient eine deutliche Steigerung.“ Vor allem müssten Lücken geschlossen werden, mit Hilfe derer Russland seine Waffenproduktion am Laufen halte.

Zerstörtes Wohnhaus in der Ukraine
AP/Ukrainian Interior Ministry Press Office
In Selenskyjs Heimatstadt wurde ein neunstöckiges Wohnhaus getroffen

Schoigu: Gegenoffensive „gescheitert“

Nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Russland seine Angriffe auf ukrainische Militäreinrichtungen „deutlich verstärkt“. Das sei eine Antwort auf Angriffe der Ukraine auf russisches Territorium. Er kündigte zudem „zusätzliche Schritte zur besseren Verteidigung gegen Luft- und Seeangriffe“ an. Zugleich bescheinigte er der ukrainischen Gegenoffensive, „erfolglos“ und „gescheitert“ zu sein.

Die Drohnenangriffe auf Moskau seien „Verzweiflungstaten“ der Ukraine und „ekelhaft“, hieß es aus dem Kreml. Für die ukrainischen Streitkräfte sei die Lage an der Front „sehr schwierig“. Die Ukraine habe bei ihrer Gegenoffensive keine Erfolge vorzuweisen und greife deshalb zu Terrorschlägen gegen zivile Infrastruktur, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die NATO-Militärhilfe für die Ukraine sei bei der vor zwei Monaten gestarteten Gegenoffensive „verschwendet“ worden.

Schäden an einem Bürogebäude in Moskau
Reuters
Bei einem Drohnenangriff am Wochenende wurde ein Bürogebäude beschädigt

„Nadelstiche mit psychologischem Effekt“

Es sei nicht der erste und werde nicht der letzte Angriff dieser Art sein, sagte der frühere Flugabwehroffizier und Militärexperte Juri Knutow der Moskauer Boulevardzeitung „MK“ mit Blick auf den Drohnenangriff in Moskau am Wochenende. Kiew räche sich nun für die jüngsten russischen Angriffe auf die Hafeninfrastruktur in Odessa und in anderen Regionen.

Und die Ukraine wolle den „westlichen Sponsoren“ etwas bieten für ihr Geld, weil Erfolge bei ihrer Gegenoffensive ausblieben, meinte er. Ein nicht mit Namen genannter Offizier sprach gegenüber „MK“ bei den Drohnenangriffen von „Nadelstichen mit psychologischem Effekt“.

Ukraine: 15 Quadratkilometer befreit

Von ukrainischer Seite hieß es unterdessen, dass in der vergangenen Woche knapp 15 Quadratkilometer von der russischen Besatzung befreit wurden – der Großteil davon an der Front in der Südukraine. Im ostukrainischen Gebiet Donezk seien bei der russisch kontrollierten Stadt Bachmut weitere zwei Quadratkilometer hinzugekommen, so die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar.

Damit seien seit dem Beginn der ukrainischen Gegenoffensive vor etwa acht Wochen insgesamt etwas mehr als 240 Quadratkilometer zurückerobert worden. Einschließlich der schon 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim kontrolliert Russland weiterhin mehr als 100.000 Quadratkilometer ukrainischen Staatsgebiets. Aufgrund von stark befestigten Stellungen der russischen Armee und Minenfeldern seien die Vorstöße begrenzt, so Maljar.

Kiew plant Gespräche mit USA

Die Ukraine will in dieser Woche mit den USA Gespräche über Sicherheitsgarantien beginnen – vor einem später geplanten NATO-Beitritt. Es gehe um konkrete und langfristige Verpflichtungen der USA, um der Ukraine jetzt zu einem Sieg gegen Russland zu verhelfen und danach künftige Aggressionen Moskaus zu verhindern, sagte der Leiter des Präsidialamtes in Kiew, Andrij Jermak.

Noch für diese Woche kündigte Jermak auch ein Treffen mit Sicherheitsberatern der Verbündeten der Ukraine in Saudi-Arabien an. Moskau sei zu diesen Gesprächen nicht eingeladen, sagte Kreml-Sprecher Peskow. Das Treffen werde beobachtet: „Wir haben immer wieder gesagt, dass alle Versuche, die eine friedliche Lösung ermöglichen, einer positiven Bewertung würdig sind.“ Die USA sagten am Montag ihre Teilnahme an der Konferenz zu.