Zerstörter Wolkenkratzer in Moskau
Reuters/Evgenia Novozhenina
Moskau

Zweite Drohne trifft Wolkenkratzer

Die russische Hauptstadt Moskau ist laut Bürgermeister Sergej Sobjanin neuerlich zum Ziel von Drohnenangriffen geworden. Offenbar wurde am Dienstag derselbe Wolkenkratzer wie schon am Wochenende getroffen. Russland verschärfte unterdessen die Angriffe auf die Ukraine: In der Nacht wurde laut Angaben aus Kiew in der Stadt Charkiw ein Studierendenheim zerstört.

Im Geschäftsviertel der russischen Hauptstadt traf nach offiziellen Angaben eine Drohne einen Büroturm, der bereits am Wochenende getroffen worden war. „Mehrere Drohnen wurden bei dem Versuch, nach Moskau zu fliegen, von Luftabwehrsystemen abgeschossen. Eine flog in denselben Turm (…) wie beim letzten Mal“, so der Moskauer Bürgermeister Dienstagfrüh auf Telegram.

Bei dem Vorfall sei die Fassade beschädigt worden, sagte Sobjanin weiter. Informationen über Verletzte gab es ihm zufolge nicht. Rettungskräfte waren im Einsatz. Kurz nach dem Drohnenangriff wurde der Verkehr auf dem internationalen Moskauer Flughafen Wnukowo vorübergehend eingestellt, wie die staatliche Nachrichtenagentur TASS berichtete. Bereits am Sonntag hatte Russland eigenen Angaben zufolge ukrainische Drohnen abgeschossen, die zwei Bürotürme im Moskauer Geschäftsviertel beschädigt hatten.

Zerstörter Wolkenkratzer in Moskau
APA/AFP/Alexander Nemenov
Schon am Wochenende wurde das Hochhaus von Drohnen getroffen, hier ein Bild von Sonntag

„Gefahr ist offensichtlich“

Der Kreml sieht nach dem neuen Drohnenangriff das Verteidigungsministerium in der Pflicht, Schutzmaßnahmen zu ergreifen. „Die Gefahr existiert, sie ist offensichtlich, Maßnahmen werden ergriffen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Am Vortag hatte er die Attacken noch als einen „Akt der Verzweiflung“ der Ukraine bezeichnet, weil es dem Land an militärischen Erfolgen bei der Gegenoffensive fehle.

Moskau meldete auch einen Angriff auf zwei Schiffe seiner Schwarzmeer-Flotte. Der Drohnenangriff habe sich 340 Kilometer südwestlich des Flottenstützpunkts in Sewastopol auf der Krim ereignet, zitierte die Nachrichtenagentur TASS das Verteidigungsministerium in Moskau. Drei ukrainische Marinedrohnen seien abgefangen und zerstört worden, unabhängig prüfen lassen sich diese Angaben nicht.

Russische Angriffe auf Charkiw

Im Gegenzug intensivierte Russland seine Angriffe auf die Ukraine. In Charkiw gingen bei nächtlichen russischen Angriffen nach ukrainischen Angaben mehrere Drohnen in bewohntem Gebiet nieder. Dabei wurden zwei Stockwerke eines Studentenwohnheims zerstört. „Ein Feuer ist ausgebrochen, und die Rettungskräfte sind an Ort und Stelle“, so der Bürgermeister der Stadt, Ihor Terechow. Bilder in sozialen Netzwerken zeigten das brennende Dach eines Gebäudes, aus dem Rauch aufsteigt. Terechow sprach von drei Anschlägen auf die Stadt.

Vermehrt Angriffe nach Drohnenbeschuss

Nach mutmaßlich ukrainischem Drohnenbeschuss in Moskau verschärft Russland die Angriffe auf die Ukraine deutlich. Am Montagabend wurden in mehreren ukrainischen Städten mindestens zehn Menschen getötet.

Der Polizeichef der Region, Wolodymyr Tymoschko, sagte, es habe in der Nacht zwei Angriffe gegeben – einen auf die Universität und einen auf das Stadtzentrum. Das Gebäude der Hochschule, das zum Zeitpunkt des Einschlags leer gewesen sei, sei zur Hälfte zerstört worden. Im Stadtzentrum sei eine Person verletzt worden, sagte er dem ukrainischen Fernsehsender Suspilne.

Russland verschärft Kurs

Schon am Montag schlugen zwei russische Raketen in ein neunstöckiges Wohnhaus in der Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Krywyj Rih, ein. Zuletzt war von ukrainischer Seite von sechs Toten und 75 Verletzten die Rede – darunter auch mehrere Kinder. Das getroffene Wohnhaus brannte teilweise aus, wie Videoaufnahmen zeigten. Auch in Cherson starb am Montag mindestens ein Mensch durch russischen Artilleriebeschuss.

Selenskyj sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme aus und verurteilte den „russischen Terror“. Dieser „wird uns nicht einschüchtern und uns nicht brechen. Wir arbeiten und retten unsere Leute.“ Montagabend forderte Selenskyj erneut schärfere Sanktionen gegen Russland: „Der weltweite Sanktionsdruck gegen Russland verdient eine deutliche Steigerung.“ Vor allem müssten Lücken geschlossen werden, mit Hilfe derer Russland seine Waffenproduktion am Laufen halte.

Zerstörtes Wohnhaus in der Ukraine
AP/Ukrainian Interior Ministry Press Office
In Selenskyjs Heimatstadt wurde ein neunstöckiges Wohnhaus getroffen

Schoigu: Gegenoffensive „gescheitert“

Nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Russland seine Angriffe auf ukrainische Militäreinrichtungen „deutlich verstärkt“. Das sei eine Antwort auf Angriffe der Ukraine auf russisches Territorium. Er kündigte zudem „zusätzliche Schritte zur besseren Verteidigung gegen Luft- und Seeangriffe“ an. Zugleich bescheinigte er der ukrainischen Gegenoffensive, „erfolglos“ und „gescheitert“ zu sein.

Die Drohnenangriffe auf Moskau seien „Verzweiflungstaten“ der Ukraine und „ekelhaft“, hieß es aus dem Kreml. Für die ukrainischen Streitkräfte sei die Lage an der Front „sehr schwierig“. Die Ukraine habe bei ihrer Gegenoffensive keine Erfolge vorzuweisen und greife deshalb zu Terrorschlägen gegen zivile Infrastruktur, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die NATO-Militärhilfe für die Ukraine sei bei der vor zwei Monaten gestarteten Gegenoffensive „verschwendet“ worden.

„Nadelstiche mit psychologischem Effekt“

Es sei nicht der erste und werde nicht der letzte Angriff dieser Art sein, sagte der frühere Flugabwehroffizier und Militärexperte Juri Knutow der Moskauer Boulevardzeitung „MK“ mit Blick auf den Drohnenangriff in Moskau am Wochenende. Kiew räche sich nun für die jüngsten russischen Angriffe auf die Hafeninfrastruktur in Odessa und in anderen Regionen.

Und die Ukraine wolle den „westlichen Sponsoren“ etwas bieten für deren Geld, weil Erfolge bei ihrer Gegenoffensive ausblieben, meinte er. Ein nicht mit Namen genannter Offizier sprach gegenüber „MK“ bei den Drohnenangriffen von „Nadelstichen mit psychologischem Effekt“.