Eine Person steckt Geldscheine in ein Einmachglas
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Konsumzurückhaltung

Sparen in der Zeit und in der Not

Der Handel verharrt in der Krise, ob daran die Nachwehen der Pandemie schuld sind, ist strittig. Jedenfalls ausschlaggebend ist die Zurückhaltung von Konsumentinnen und Konsumenten angesichts einer Inflation von immer noch sieben Prozent. Etliche Betriebe, auch große Ketten, landeten kürzlich in der Insolvenz. Die Menschen sparen, wo es eben geht: bei ihren Anschaffungen.

Delka, Salamander, Gerry Weber und Hallhuber, aber auch etliche Firmen abseits der Textilsparte sowie Gastronomiebetriebe schlossen zuletzt ihre Pforten für immer. Die Gründe sind ein Zusammenspiel toxischer Faktoren – allen voran die Teuerung, die Händlerinnen und Händler belastet und Menschen vom leichtfertigen Griff ins Börsel abhält.

„Wir haben nach wie vor die Effekte der hohen Inflation und die Einschätzung, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird, und das ist insgesamt einfach ein Klima, wo die Ausgabenfreude gebremst ist. Es gibt zwar ausgleichende Maßnahmen, um die Kaufkraft auszugleichen. Aber das Klima ist generell noch sehr verhalten“, sagte der Inflationsexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Josef Baumgartner, am Montag gegenüber „Wien heute“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ein Drittel der Menschen nimmt subjektiv einen Verlust beim Einkommen wahr, wie die Statistik Austria ausweist. Der bei weitem wichtigste Grund dafür ist die Teuerung – 14 Prozent mehr gaben im Mai im Vergleich zum Wert vom Jahresende 2021 an, dass der Wertverlust der Grund für das verringerte Einkommen ist.

Handel in Dauerkrise

Wie die Lage in der Gastronomie aussieht, wollte man in der Wirtschaftskammer (WKO) gegenüber ORF.at derzeit nicht sagen. Darüber liefen gerade die Umfragen in der Branche, hieß es. Klar ist: Der Handel spürt die Zurückhaltung deutlich. Er verzeichnet den neunten Monat in Folge kein reales Umsatzwachstum, wie aus dem aktuellen „Konjunkturreport Einzelhandel“ des WIFO im Auftrag des Handelsverbandes hervorgeht.

Die Nachfrage blieb seit Jahresbeginn unter dem Vorjahresniveau. Auch wenn der Einzelhandel nominell seine Umsätze steigern konnte, real und inflationsbereinigt hat die Branche seit dem September des Vorjahres in keinem einzigen Monat mehr Wachstum erzielt.

Das sieht man auch an den Zahlen: Allein im heurigen ersten Quartal gab es 1.320 Pleiten, ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Meist betroffen waren Dienstleistungen (310), Handel (240) und Bauwirtschaft (236) sowie Hotels und Gastro (181). Im ersten Halbjahr waren es laut Handelsverband sogar 384 pleite gegangene Händlerinnen und Händler.

„Doppelte und dreifache“ Auswirkungen

Cornelia Wesenauer vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) sagte gegenüber dem Ö1-Morgenjournal, der Handel habe das spezielle Problem, dass Faktoren wie erhöhte Energiekosten, steigende Zinsen und Ähnliches nicht nur die Seite des Unternehmens selber treffen, sondern auch Kundinnen und Kunden selbst. Und das wiederum bedeute „doppelte und dreifache“ Auswirkungen auf den Handel.

„Auf der einen Seite hat sich die Kostensituation im Handel zugespitzt“, so Cordula Cerha von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). „Wir haben gestiegene Energiepreise, höhere Lohnkosten, und die Zinssituation erhöht natürlich auch die Kapitalkosten, und es gab auch Probleme in den Versorgungsketten, die sich da niedergeschlagen haben.“

Uneinigkeit über Pandemiefolgen

Es gebe aber auch immer noch negative Folgen der Pandemie: „Es gibt sicher auch einen Nachholeffekt nach Covid. Während der Pandemie gab es deutlich weniger Insolvenzen als in den Jahren davor. Das war jetzt nicht dadurch bedingt, dass die Unternehmen auf einmal alle keine Probleme mehr hatten, sondern da haben die Förderungen sicher auch in manchen Unternehmen die Probleme überdeckt.“

Diesen Nachholeffekt beobachte man nicht bei der Zahl der Insolvenzeröffnungen, sondern bei den Abweisungen, so Wesenauer. Gemeint sind damit Unternehmen, in denen nicht einmal genug Geld vorhanden ist, um ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Rainer Will vom Handelsverband sah solche Nachzieheffekte im Handel jedoch nicht: „Wir hatten im letzten Lockdown auch kaum Hilfen erhalten im Vergleich zur Restwirtschaft.“ So habe man keinen Energiekostenzuschuss erhalten. „Der ganze Handel in Europa hat einen erhalten, nur in Österreich hat man den nicht bekommen. Wir haben auch bei den Abgaben keinerlei Reformen, und daher gibt es hier keine Nachholeffekte.“ Will sah die schlechte Konsumstimmung als Ursache, diese werde auch nur langsam besser.

Eher Geld für Freizeit denn für Anschaffungen

Wenn investiert wird, dann laut Handelsverband lieber in Urlaub, Gastronomie und Freizeit – kaum in Produkte: Besonders stark gespart werde im Elektro- und im Möbelhandel. „Hier haben wir in den letzten Monaten jeweils bis zu minus fünfzehn Prozent realen Umsatzrückgang zum Vorjahresmonat verzeichnet“, so Will. Aber auch der Versand- und der Internethandel verlören an Umsatz, wie bereits im Vorjahr. Manche Bereiche des Onlinehandels dürften aber besser aussteigen.

Inflation setzt Einzelhandel weiter zu

Die Inflation ist laut Statistik Austria auf sieben Prozent zurückgegangen. Doch der Einzelhandel leidet nach wie vor, denn die Menschen verzichten weiterhin auf Großanschaffungen, und ein Ende ist noch nicht so bald in Sicht.

Im Bereich Kleidung gebe es zwischen vorigem und diesem Jahr einen Zuwachs von fünf Prozent, so die KMU-Forschung Austria. Die Menschen wendeten sich einerseits dem Onlinehandel zu, andererseits auch Secondhandgeschäften – mehr dazu in noe.ORF.at.

Ruf nach Deregulierung

Der Gesamtausblick wird von den Fachleuten auch nicht als rosig beschrieben. Heuer dürften im Handel nur geringe Wachstumsimpulse vom privaten Konsum ausgehen, so der Handelsverband, der die Politik gefordert sieht: Reformstau, Abgabenbelastung und Bürokratiedschungel gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit „und mittlerweile auch die Überlebensfähigkeit unserer Branche, es besteht eiliger Handlungsbedarf“, so Will.

Eine höhere Nachfrage wird erst für 2024 wieder erwartet, wenn die Lohnrunden hoch ausfallen und die Inflation weiter zurückgeht. Auch die Erwartung an die allgemeine wirtschaftliche Lage in den kommenden zwölf Monaten habe sich zuletzt deutlich verbessert, so das WIFO.