Chinas Präsident Xi Jinping
Reuters/Florence Lo
Volle Kontrolle

Xi diszipliniert seine eigenen Reihen

In China sind zuletzt mehrere hohe Funktionäre aus der Öffentlichkeit verschwunden. Jüngstes Beispiel waren zwei Generäle an der Spitze der Raketenstreitkräfte, in deren Zuständigkeitsbereich auch das Atomwaffenarsenal fällt. Sie wurden mehrere Wochen nicht mehr gesehen und schließlich ausgetauscht. Laut Experten will Präsident Xi Jinping damit seine Machtposition festigen und die Disziplin in den eigenen Reihen durchsetzen.

Der Wechsel an der Spitze der Raketenstreitkräfte der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLA) betraf den Kommandeur derselben, General Li Yuchao, sowie seinen Stellvertreter General Liu Guangbin. Beide verschwanden vor mehreren Wochen aus der Öffentlichkeit.

Als Nachfolger nannte die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Montag den ehemaligen stellvertretenden Marinekommandanten Wang Houbin sowie Xu Xisheng, Offizier der Luftstreitkräfte und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).

Neuer Chef der chinesischen Raketenstreitkräfte Wang Houbin
AP/Xinhua/Li Gang
Der ehemalige Marinekommandant Wang Houbin wird neuer Befehlshaber der chinesischen Raketenstreitkräfte

Berichte von Korruptionsermittlungen

Zum genauen Zeitpunkt des Wechsels sowie über mögliche Gründe der Abberufung der beiden Vorgänger wurden keine Angaben gemacht. Am Freitag hatte die Zeitung „South China Morning Post“ („SCMP“) allerdings berichtet, dass die Einheit für Korruptionsbekämpfung der Zentralen Militärkommission gegen die zwei nunmehr Ex-Generäle Li und Liu und einen weiteren ihrer Stellvertreter ermittele.

„Xi hat die Kontrolle über die PLA auf beispiellose Weise gefestigt, aber das bedeutet nicht, dass sie vollständig ist“, zitierte die BBC Lyle Morris, zuständig für Außenpolitik und nationale Sicherheit am Asia Society Policy Institute in New York und Washington. Xi sei immer noch besorgt über die Korruption in seinen Reihen und signalisierte, dass die absolute Loyalität zur KPCh noch nicht erreicht sei.

Absolute Kontrolle über Militär wichtig

Bei einem Treffen der Zentralen Militärkommission letzten Monat – deren Vorsitzender Xi selbst ist – betonte der Präsident, es sei notwendig, die Bemühungen auf die „Bewältigung wichtiger Probleme zu konzentrieren, mit denen die Parteiorganisationen auf allen Ebenen konfrontiert sind, wie z. B. die Aufrechterhaltung der absoluten Führung der KPCh über das Militär“, wie chinesische Staatsmedien berichteten.

Die Raketenstreitkräfte sind in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiger Teil der PLA, da sie für Chinas Arsenal an strategischen konventionellen und nuklearen Flugkörpern zuständig sind, die laut Regierungsangaben sowohl zur Abwehr als auch zum Angriff eingesetzt werden. Xi bezeichnete sie bei ihrer Gründung 2016 als „Kern der strategischen Abschreckung, als strategische Stütze für die Position des Landes als Großmacht und als Eckpfeiler, auf dem die nationale Sicherheit aufgebaut werden kann“.

Dass Xi seine Macht in der KPCh und über das Militär mit aller Macht festigen will, zeigte sich bereits 2012 nach seiner Machtübernahme. Im Rahmen einer umfassenden Antikorruptionskampagne zog er mehr als hundert Offiziere, darunter auch hochrangige Generäle, aus dem Verkehr, um die Kontrolle über die PLA wiederherzustellen.

Xi will Netzwerke der Ex-Generäle zerschlagen

Mit den neuen Ernennungen der beiden Militärs von außerhalb der Raketenstreitkräfte will Xi zudem Loyalitäts- und Korruptionsnetzwerke zerschlagen, die sich unter den Ex-Generälen der Raketenstreitkräfte gebildet hatten, wie unter anderem die „Straits Times“ berichtete. Zugleich will Xi damit wieder für ihn loyale Personen installieren.

Mit diesen neuen personellen Gegebenheiten könnten nun auch jederzeit Änderungen vorgenommen und Personen versetzt oder entfernt werden, zitierte die „Financial Times“ („FT“) Rod Lee, Forschungsdirektor am China Aerospace Studies Institute an der Universität der US Air Force.

Auch Ex-Außenminister entlassen

Doch nicht nur beim Militär kam es zu Absetzungen hochrangiger Funktionäre. Zuletzt wurde auch der chinesische – mittlerweile ehemalige – Außenminister Qin Gang aus seinem Amt entlassen, nachdem er einen Monat lang nicht gesehen worden war. Den Posten übernahm wieder sein Vorgänger Wang Yi. Nach seinem Verschwinden hieß es zunächst, Qin sei krank. Später kamen jedoch Spekulationen auf, er habe eine Affäre, oder es werde wegen anderer Vergehen gegen ihn ermittelt.

Chinas Ex-Außenminister Qin Gang
APA/AFP/Noel Celis
Der mittlerweile Ex-Außenminister Qin Gang wurde entlassen, nachdem er einen Monat lang nicht gesehen worden war

„Die Wahrheit wird irgendwann ans Licht kommen – das ist in China üblich, auch wenn es manchmal Monate oder Jahre dauert –, aber die Art und Weise, wie er entlassen wurde, lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass das aus gesundheitlichen Gründen geschah“, sagte Ian Johnson, Mitglied des US-Thinktanks Council on Foreign Relations und Experte für China-Studien, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Der in Peking ansässige Politologe Wu Qiang stimmte dem zu, er könne „mit ziemlicher Sicherheit ausschließen, dass der wahre Grund die Gesundheit ist“. Wenn das der Fall wäre, hätte der Staat einen Stellvertreter für ihn bestimmen können, anstatt ihn offiziell zu entlassen, so Wu.