Zerstörung nach Dronenanschlag in der Ukraine
Reuters/Ukraine’s Operational Command „South“
Angriffe auf Häfen

Russland will Schiffswege auf Donau kappen

Moskau belässt es offensichtlich nicht bei der Blockade ukrainischer Seehäfen am Schwarzen Meer. Vor mittlerweile mehr als zwei Wochen kündigte der Kreml das Getreideabkommen mit der Ukraine auf und erklärte Schiffe zu militärischen Zielen. Nun hat die russische Armee offenbar die einzige Alternativroute im Visier und zerstört gezielt Hafeninfrastruktur an der Donau.

In den letzten Tagen kam es vermehrt zu Angriffen in der Region Odessa, am Mittwoch beschossen russische Truppen den Hafen Ismajil im Donau-Delta. Ein Getreideterminal wurde beschädigt. Der Betrieb im Hafen soll vorübergehend eingestellt worden sein. Auch in der wichtigen Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa selbst wurde laut Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums Hafeninfrastruktur mit Drohnen angegriffen.

Das Abkommen über die Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer war am 17. Juli nach knapp einem Jahr ausgelaufen. Der Kreml hatte sich unter Verweis auf die westlichen Sanktionen gegen Russland geweigert, es zu verlängern. Nach dem Ausstieg drohte Russland mit Angriffen auf Schiffe im Schwarzen Meer. Mit dem Abkommen erloschen auch Sicherheitsgarantien.

Gefährlich nahe an Grenze zu Rumänien

Die Ukraine kündigte daraufhin an, mehr Getreide über die Donau und den Landweg per Zug und Straßentransport über Rumänien ausführen zu wollen. Laut Angaben aus Kiew wurden zuletzt rund zwei Millionen Tonnen pro Monat über die Donau-Häfen verschifft.

Praktisch gleichzeitig begannen Angriffe auf Ziele entlang der Donau, Agrar- und Hafeninfrastruktur, erst etwa in Reni nahe der rumänischen Staatsgrenze und am Mittwoch auf Ismajil. Das Donau-Delta gehört zum größten Teil zum EU- und NATO-Mitgliedsland Rumänien, ein Teil zur Ukraine.

Brennende Silos

Mittwochfrüh meldete das Verteidigungsministerium in Kiew einen russischen Angriff auf den Hafen in Ismajil. Bilder auf Twitter zeigten einen Brand an einem Silo bzw. einer Förderanlage. Zusatz: Ukrainisches Getreide habe das Potenzial, Millionen Menschen zu ernähren, schrieb das Ministerium. „Aber Russland hat den Weg des Tötens, des Hungers und Terrors gewählt.“

Außerdem meldete die Ukraine auch einen Angriff mittels Drohnen auf Hafenanlagen und Getreidelager in Odessa. Auch dort seien Brände ausgebrochen, schrieb der Gouverneur der Region, Oleh Kiper, auf Telegram. Ziele im Raum Odessa waren in den letzten Tagen mehrfach von der russischen Armee beschossen worden.

Exporte werden deutlich schwieriger

Die Angriffe auf die Donau-Häfen beeinträchtigen die ukrainischen Exporte erheblich, insbesondere, als Kiew zuletzt angekündigt hatte, sie deutlich ausweiten zu wollen. Vor dem russischen Überfall auf das Nachbarland im Februar 2022 und einer anschließenden monatelangen Schiffsblockade hatte die Ukraine den weitaus größten Teil ihrer Getreideexporte über das Schwarze Meer verschifft.

Zerstörung nach Drohnenanschlag in der Ukraine
Reuters/Ukraine’s Operational Command „South“
Zerstörte Hafengebäude nach russischen Drohnenangriffen

Mit dem im Juli 2022 unterzeichneten Getreideabkommen konnte die Ukraine mehr 30 Millionen Tonnen ausführen. 75 Prozent der Exporte gingen über die Schwarzmeer-Häfen und die Donau, der Rest via Straße und Schiene ins Ausland. Gegenüber 2021 ging der Seeexport um fast ein Viertel zurück.

Zudem schränkte Russland am Mittwoch die Schifffahrt durch die Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer und das Asowsche Meer miteinander verbindet, weiter ein. Auch der Luftraum über der Meerenge sei gesperrt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. In einem als „vorübergehend gefährlich“ markierten Bereich sei die Durchfahrt durch die Meerenge für Schiffe verboten – es sei denn, sie seien tagsüber in offiziell empfohlenen Fahrrinnen unterwegs, hieß es. Ausnahmen gelten den Angaben zufolge etwa für Wasserfahrzeuge der russischen Marine und des Grenzschutzes.

Über die Straße von Kertsch führt die Krim-Brücke, die die von Moskau annektierte ukrainische Halbinsel Krim und das russische Festland miteinander verbindet. Erst vor wenigen Wochen wurde das 19 Kilometer lange Bauwerk beschädigt – Moskau führt das auf einen Drohnenangriff zurück und macht die Ukraine dafür verantwortlich.

Hafen Ismajil ein Hauptziel

Ismajil hat eine lange Geschichte, es gehörte früher zum Fürstentum Moldau, dem Osmanischen Reich, zu Russland und später zu Rumänien und liegt am nördlichsten Mündungsarm der Donau auf ukrainischer Seite. Der Hafen der Stadt sei eines der Hauptziele der russischen Armee in der Region, hieß es nach dem Angriff am Mittwoch.

Archivbild des Hafen von Ismail in der Ukraine
AP/Andrew Kravchenko
Ismajil (Archivbild) ist der wichtigste ukrainische Frachthafen an der Donau

„Leider gibt es Schäden“, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach den Drohnenangriffen am Mittwoch via Telegram. „Die bedeutendsten befinden sich im Süden des Landes. Russische Terroristen haben erneut Häfen, Getreide und die globale Ernährungssicherheit angegriffen.“

Weitere mögliche Alternativroute durch Kroatien

Der rumänische Präsident Klaus Johannis bezeichnete die „anhaltenden Angriffe auf die ukrainische zivile Infrastruktur an der Donau“ in der Nähe Rumäniens als „inakzeptabel“. Das seien „Kriegsverbrechen und sie beeinträchtigen die Fähigkeit der Ukraine, Nahrungsmittel an Bedürftige in der Welt zu befördern“, so Johannis am Mittwoch.

Archivbild des Hafen von Ismail in der Ukraine
AP/Andrew Kravchenko
Verladen auf Donau-Frachter in Ismajil (Archivbild)

Mit Kroatien hat die Ukraine laut eigenen Angaben von Anfang der Woche eine Einigung auf die Ausfuhr ihres Getreides über Häfen an der Adria erzielt. Die Agrargüter sollen über die Donau nach Kroatien verschifft werden, teilte das Außenministerium in Kiew mit. Anschließend soll die Fracht per Eisenbahn an die Adria-Küste gebracht werden. Welche Exportmengen damit erreicht werden können, wurde nicht mitgeteilt.

Moskau stellt Bedingungen

Aktuell, mehr als zwei Wochen nach dem Auslaufen des Getreideabkommens, ist völlig unklar, ob dieses wieder aufgenommen wird. Russland sendet widersprüchliche Signale. Jedenfalls fordert Moskau bessere Konditionen für seine eigenen Lebensmittel- und Düngemittelexporte, die bereits von internationalen Finanzsanktionen ausgenommen sind.

Getreideernte in der Ukraine
picturedesk.com/Sergei Supinsky
Alternativrouten zum Schwarzen Meer sind rar, Angriffe auf die Donauhäfen machen den Export noch schwieriger

Zuletzt hieß es aus dem Präsidialamt, eine Rückkehr zu dem Abkommen sei möglich, sobald diese Bedingungen seitens des Westens erfüllt seien. Mehrere Länder machen Druck auf Staatschef Wladimir Putin. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der schon im letzten Jahr vermittelte, steht offenbar in regelmäßigem Telefonkontakt mit Putin. Er nannte das Abkommen zuletzt eine mögliche „Brücke des Friedens“. Russland und die Ukraine gehören zu den weltweit größten Getreideproduzenten mit entsprechendem Gewicht für Weltmarkt und Ernährungssicherheit.

Laut Angaben aus Kiew griff Russland seit seinem Ausstieg aus dem Getreideabkommen am 17. Juli insgesamt 26 Hafenanlagen und fünf zivile Schiffe an. Die Regierung in Moskau sprach von Vergeltung für einen ukrainischen Angriff auf die Krim-Brücke, die Russland zur Versorgung seiner Besatzungsarmee in der Südukraine nutzt.