Bundesgericht in Washington
Reuters/Jonathan Ernst
Anhörung

Washington erwartet Trump vor Gericht

Ex-US-Präsident Donald Trump wird am Donnerstag wegen seiner inzwischen dritten, aber gewichtigsten Anklage vor Gericht erwartet. Ob er persönlich kommt oder zugeschaltet wird, ließ er offen. Die zuständige Bezirksrichterin Tanya Chutkan – einst von Trumps Vorgänger Barack Obama ernannt – ist bekannt für ihre bisherigen rigiden Urteile gegen Aufwiegler des 6. Jänner 2021.

Es sind vier Anklagepunkte, die Trump dieses Mal zur Last gelegt werden, darunter Verschwörung zum Betrug gegen die Vereinigten Staaten sowie Verfahrensbehinderung. Ihm drohen mehrere Jahrzehnte Haft. Sonderermittler Jack Smith hatte am Dienstag die Anklageschrift vorgelegt, bereits am Donnerstag (22.00 Uhr MESZ) soll Trump zur Anhörung vor dem Bundesgericht in der Hauptstadt Washington D.C. erscheinen. Dabei wird Trump persönlich oder virtuell die Möglichkeit haben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, und wohl auf nicht schuldig plädieren.

Laut Anklageschrift startete Trump bereits kurz nach dem Wahltag am 3. November 2020 seinen „kriminellen Plan“. Absicht der Verschwörung sei gewesen, „die legitimen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 unter der Verwendung wissentlich falscher Vorwürfe des Wahlbetrugs zu kippen“. Auch gegen sechs weitere Personen, deren Namen nicht genannt wurden, wurde Anklage erhoben. Vor der Presse sagte Smith, die Erstürmung des Kapitols sei ein „nie dagewesener Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie“ gewesen. „Sie wurden durch Lügen angeheizt.“

Fünf Tote bei Sturm auf Kapitol

Hintergrund sind die Untersuchungen gegen Trump zu seinen Versuchen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen, die am 6. Jänner 2021 in einer beispiellosen Attacke seiner Anhängerinnen und Anhänger auf das Kapitol gipfelten. Trump hatte seine Unterstützerinnen und Unterstützer in einer Rede kurz zuvor einmal mehr mit der Behauptung aufgewiegelt, dass er durch schweren Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht worden wäre. Beim Sturm auf das Kapitol starben fünf Menschen.

Sturm auf das Kapitol
AP/John Minchillo
Trump-Anhänger versuchten am 6. Jänner 2021, die Beurkundung der Wahlniederlage des damaligen Amtsinhabers zu verhindern

Trump habe gewusst, dass sein Vorwurf der Wahlfälschung unwahr gewesen sei, heißt es in der Anklageschrift. „Diese Behauptungen waren falsch, und der Angeklagte wusste, dass sie falsch waren.“ Er habe den Vorwurf trotzdem wiederholt, um eine intensive, landesweite, von Misstrauen und Wut geprägte Stimmung zu schaffen sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Ablauf der Wahl zu untergraben.

Über die Anklage gegen Trump entschieden die Geschworenen einer Grand Jury. Sie hatte unter anderem Aussagen vom ehemaligen Anwalt im Präsidialamt, Pat Cipollone, und Trumps Vizepräsidenten Mike Pence gehört.

Trump hatte Pence, der die Kongresssitzung am 6. Jänner 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident leitete, damals offen aufgerufen, das Prozedere zur Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg zu blockieren. Als sich Pence weigerte, hetzte Trump Anhänger und Anhängerinnen gegen den Vize auf. In der Anklageschrift wird auch aus persönlichen Unterhaltungen zwischen Trump und Pence zitiert – unter anderem unter Berufung auf damalige Notizen von Pence. In einem der Gespräche sagte Trump zu seinem Vize: „Du bist zu ehrlich.“

Richterin bekannt für strenge Urteile

Der Fall wird wohl von der Bezirksrichterin Chutkan verhandelt. Sie saß schön öfter Verhandlungen vor, die einen Zusammenhang mit Trump hatten.

Porträt der US-Richterin Tanya Chutkan
APA/AFP/United States District Court For The District Of Columbia
Tanya Chutkan

Im Jahr 2021 blockierte Chutkan etwa Trumps Bemühungen, einen Kongressausschuss dabei zu stoppen, Zugang zu Unmengen von Dokumenten des Weißen Hauses zu erhalten. Damals sagte sie laut BBC: „Präsidenten sind keine Könige, und ein Kläger ist kein Präsident.“

In den vergangenen zwei Jahren erwarb sich Chutkan zudem den Ruf, Beteiligte am Sturm auf das Kapitol hart zu bestrafen. Bisher verhängte sie laut „Washington Post“ in allen 31 Verfahren, die Chutkan zum Thema verhandelte, Gefängnisstrafen. Damals erklärte sie ihr Vorgehen mit den Worten: „Es muss klargestellt werden, dass der Versuch, die Regierung gewaltsam zu stürzen, einen friedlichen Machtwechsel zu verhindern und dabei Strafverfolgungsbeamte anzugreifen, mit absoluter Bestimmtheit bestraft wird.“

Verzögerungstaktik erwartet

Bis es ein Urteil gibt, dürfte allerdings noch eine Weile vergehen. Sonderermittler Smith wolle zwar ein „zügiges Verfahren“, wie es hieß. Trumps Anwalt John Lauro deutete allerdings an, dass die Verteidigung für das weitere Prozedere bis zu einem möglichen Prozessauftakt ausreichend Zeit fordern werde. Die Ermittler hätten zweieinhalb Jahre an dem Fall gearbeitet, argumentierte er. Es könne daher nicht erwartet werden, dass Trumps Verteidigung nur Wochen für ihre Vorbereitung bekomme.

Langpaul (ORF) zu Anklage gegen Trump

Thomas Langpaul (ORF) ist in Washington und gibt eine Einschätzung, ob die erneute Anklage Donald Trump schaden oder sogar nutzen wird.

Trump selbst bedankte sich am Mittwoch auf der Plattform Truth Social bei seinen Anhängern. Er habe noch nie so viel Unterstützung erlebt, schrieb er. Diese Anklage habe „die Welt“ auf die korrupten Zustände, die Schmach und das Scheitern der USA in den vergangenen drei Jahren aufmerksam gemacht. Amerika sei im Niedergang begriffen, aber er und seine Unterstützer würden das Land wieder großartig machen.

Als erster Ex-US-Präsident wegen Straftat angeklagt

Im Frühling war Trump bereits im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York angeklagt worden. Damit war der Republikaner der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, gegen den wegen einer Straftat Anklage erhoben wurde. Er plädierte auf nicht schuldig.

Im Juni folgte die erste Anklage auf Bundesebene in Miami, weil Trump Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Auch hier plädierte Trump auf nicht schuldig.

Außerdem könnte dem Republikaner womöglich eine weitere Anklage bevorstehen: Im Bundesstaat Georgia ermittelte die Staatsanwaltschaft zweieinhalb Jahre lang wegen potenzieller Wahlbeeinflussung durch Trump und dessen Umfeld. Eine Entscheidung über eine etwaige Anklageerhebung steht dort noch aus.

Trump will wieder antreten

Trump will bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr erneut für die Republikaner antreten. Er streitet alle Vorwürfe ab und wertet jedes juristische Vorgehen gegen ihn als Versuch seiner Gegner, ihn von einem Wiedereinzug ins Weiße Haus abzuhalten. Weder die Bundesanklage zu den Geheimdokumenten noch die neue zur Wahl 2020 hindern Trump laut Experten daran, weiter Wahlkampf zu betreiben oder im Fall eines Sieges ins Weiße Haus zurückzukehren. Umfragen zufolge liegt er derzeit im Vorwahlkampf der Republikaner deutlich vorne.

Das Weiße Haus reagierte nicht auf die erneute Anklage. Der amtierende US-Präsident Biden, der Trump kürzlich als „Bedrohung“ für die Nation bezeichnet hatte, setzte seinen Urlaub im US-Bundesstaat Delaware fort.