Spezialeinheiten der Polizei in der Provinz Cabanas, El Salvador
APA/AFP/El Salvador’s Presidency Press Office
Provinz abgeriegelt

El Salvador fährt weiter autoritären Kurs

In El Salvador ist es zuletzt zu einem weiteren Schlag gegen die Bandenkriminalität des Landes gekommen – eine ganze Provinz wurde sogar dafür abgeriegelt. Es war die jüngste Aktion des autoritären Kurses des rechtspopulistischen Präsidenten Nayib Bukele. Der Regierungschef, der sich seit 2019 im Amt befindet, liegt in Umfragen bei rund 90 Prozent und strebt eine zweite Amtszeit an, obwohl so eine rechtlich eigentlich verboten wäre. Menschenrecht-NGOs prangern zudem immer wieder Menschenrechtsverletzungen an.

Am Dienstag entsandte Bukele rund 8.000 Soldaten und Polizisten in die ländliche Provinz Cabanas im Zentrum des Landes, um die Straßen nach Bandenmitgliedern zu durchkämmen. Dafür ließ er die Sicherheitskräfte über die ganze Provinz verteilen und Kontrollpunkte an allen Ein- und Ausfahrtsstraßen errichten.

Die Provinz Cabanas, in der mehr als 160.000 Menschen wohnen, sei „der Ort mit der größten Anzahl terroristischer Zellen“, die sich dort in ländlichen Gebieten versteckt halten, schrieb Bukele auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dabei soll es sich vor allem um Mitglieder der berüchtigten Banden Barrio 18 und Mara Salvatrucha (MS-13) handeln, die der Präsident dort vermutet. „Die Suche wird fortgesetzt, bis die Sicherheitskräfte alle Bandenmitglieder gefasst haben“, so Bukele weiter.

Die Aktion am Dienstag war die fünfte derartige Massenrazzia seit Ende März 2022. Seit damals gilt in dem mittelamerikanischen Land mit rund sechseinhalb Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der Ausnahmezustand.

Seitdem ging Bukele schärfer gegen die Bandenkriminalität vor – rund 71.000 mutmaßliche Verbrecher wurden dabei bis heute festgenommen. Heuer wurde zudem ein riesiges Gefängnis eröffnet, in dem 40.000 Gefangene untergebracht wurden.

Grundrechte eingeschränkt

Darüber hinaus schränkte die Regierung von Bukele, die über eine Mehrheit im Parlament verfügt, auch eine Reihe von Grundrechten ein. Im Freedom House Index 2023 rutschte das Land von „frei“ auf „teilweise frei“ ab, was dem Bericht zufolge darauf zurückzuführen ist, dass die weit verbreitete Korruption die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit untergräbt.

Zudem stelle die mangelnde physische Sicherheit ein weiteres Problem dar. Die Behörden El Salvadors haben eine harte, militärische Antwort auf die Banden verfolgt, was unter anderem zu außergerichtlichen Tötungen, willkürlichen Massenverhaftungen und anderen Übergriffen führte, so der Bericht weiter.

Spezialeinheiten der Polizei in der Provinz Cabanas, El Salvador
APA/AFP/Oscar Rivera
Das Militär spielt bei der Bekämpfung der Bandenkriminalität eine bedeutsame Rolle

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Tausende von unschuldigen Menschen wurden fälschlicherweise mit Banden in Verbindung gebracht, so Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW). Seit der Verhängung des Ausnahmezustands dokumentierte HRW unter anderem willkürliche Verhaftungen, Folter und Todesfälle in der Haft.

Gerichtliche Anhörungen werden zudem oft in Massen abgehalten. Erst im vergangenen Monat genehmigte das Parlament Prozesse für bis zu 900 Personen gleichzeitig – etwa nach ihrer jeweiligen Bandenzugehörigkeit gruppiert. Zudem stimmte man für eine Erhöhung der Haftstrafen für Bandenchefs.

Bei Umfragen in Führung

Die Bevölkerung scheint sich an der harten Politik allerdings nicht besonders zu stören – in einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CID Gallup war der 42-jährige Bukele, der sich selbst oft als „coolsten Diktator der Welt“ bezeichnet, mit 90 Prozent Zustimmung der beliebteste Präsident Lateinamerikas.

„Das Leben war hier nichts wert“, zitierte die „Financial Times“ („FT“) einen jungen Bewohner von Lourdes, einem Bezirk nahe der Hauptstadt San Salvador. Früher hätten ihn die Banden daran gehindert, sein Maisgeschäft zu vergrößern. Jetzt gehe es dem Land besser, und er könne unbekümmert durch die Straßen gehen.

Spezialeinheiten der Polizei verhaften in der Provinz Cabanas in El Salvador ein Bandenmitglied
APA/AFP/Oscar Rivera
Bei den Razzien wurden laut Menschenrechtsorganisationen oft auch unschuldige Menschen mit Banden in Verbindung gebracht

El Salvador galt einst als das gefährlichste Land weltweit. Auf dem Höhepunkt der Gewalt lag die Mordrate 2015 bei 105,2 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner. Mit dem Ausnahmezustand fiel dieser Wert nach Regierungsangaben im vergangenen Jahr auf 7,8 – im Vergleich zu rund 52 vor Bukeles Amtseintritt.

Hauptsorge Wirtschaft

Die Umfragen würden allerdings auch zeigen, dass eine der Hauptsorgen der Wählerinnen und Wähler die Wirtschaft sei. Seit der autoritären Wende Bukeles und seinem Prestigeprojekt, Bitcoin als Währung zu etablieren, sind die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Staatsschulden ins Stocken geraten. Zudem wird nach Angaben der UNO-Wirtschaftskommission für Lateinamerika die Wirtschaft des Landes in diesem Jahr voraussichtlich nur um zwei Prozent wachsen.

El Salvador riegelt ganze Provinz ab

In El Salvador ist eine ganze Provinz abgeriegelt worden, um die Straßen nach Bandenmitgliedern zu durchkämmen. Dafür ließ der rechtspopulistische Präsident Nayib Bukele Sicherheitskräfte über die ganze Provinz verteilen und Kontrollpunkte an allen Ein- und Ausfahrtstraßen errichten.

Für viele Wählerinnen und Wähler scheinen jedoch die Sicherheitsverbesserungen die wirtschaftlichen Bedenken vorerst zu übertrumpfen. Die „FT“ zitierte eine ältere Bewohnerin von Lourdes, die begeistert sei, dass die Bandenmitglieder, die einst ihr Fitnessstudio erpressten, nun im Gefängnis sitzen. „Wenn er (Bukele, Anm.) das Land jetzt in eine Diktatur verwandelt hat, dann ist die Diktatur willkommen.“

Bukele strebt Wiederwahl an

Um seinen harten Kurs weiter verfolgen zu können, strebt Bukele, der seit 2019 im Amt ist, eine zweite Amtszeit an. Die nächste Präsidentenwahl findet planmäßig im Februar 2024 statt. Aufgrund eines Verbots einer direkten Wiederwahl dürfte er daran jedoch gar nicht teilnehmen. Laut Verfassung darf der Präsident nach fünf Jahren keinen Tag länger regieren. Eine Präsidentschaftskandidatur ist zudem nur möglich, wenn der Bewerber sechs Monate vor Amtsantritt nicht im Amt war.

Nayib Bukele, Präsident von El Salvador
Reuters/Jose Cabezas
Bukele, der sich selbst oft als „coolsten Diktator der Welt“ bezeichnet, will nächstes Jahr erneut Präsident werden

Vizepräsident Felix Ulloa sagte zuletzt in einem Interview, der Präsident könnte vor dem 1. Dezember zurücktreten. In diesem Fall würde er laut Ulloa nicht wiedergewählt, sondern nach der vorgeschriebenen sechsmonatigen Pause eine zweite Amtszeit antreten, ohne gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen zu verstoßen. Die regierungstreuen Verfassungsrichter hatten eine zweite Amtszeit von Bukele bereits für rechtmäßig erklärt.

Wie auch immer sich Bukele entscheiden wird, an seiner zukünftigen Machtposition zweifeln nur wenige. „Für mich sind die Wahlen im Grunde nur noch eine Formalität“, so Eduardo Escobar, Direktor der NGO Accion Ciudadana gegenüber der „FT“. Bukele werde wiedergewählt, das könne man nicht verhindern.