Wölfe auf Wiese
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Abschuss von Wölfen

Ministerium wirft Ländern Rechtsbruch vor

Das Umweltministerium hat seine Kritik an Wolfsabschüssen bekräftigt und in Stellungnahmen zu Verordnungen mehrerer Bundesländer nun detailliert dargelegt. Fehlende Einzelfallprüfung, die Begründung und eine „Unverhältnismäßigkeit“ werden bei den Verordnungen mehrerer Länder, die den Abschuss von Wölfen erlauben, kritisiert. Eine scharfe Reaktion kam von der Tiroler ÖVP.

So bemängelt das Ressort die „fehlende Einzelfallprüfung“ sowie die „fehlende Zweck-Mittel-Relation“ nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU. Ob ein Abschuss für die Zielerreichung tauglich ist, werde in den Verordnungen nicht begründet, heißt es in einem Ministeriumsschreiben, das der APA vorliegt.

Ebenfalls unter Bezugnahme auf die FFH-Richtlinie ortet das Ressort von Leonore Gewessler (Grüne) in den „Wolfverordnungen“ mehrerer Bundesländer „Unverhältnismäßigkeit“. Die Schaffung einer Entnahmemöglichkeit allein aufgrund von Rissen ungeschützter Nutztiere in einem nach einem Rissereignis festgelegten nicht schützbaren Bereich eines Alp- und Weideschutzgebietes sei „unsachlich“, wird in der Antwort auf eine Anfrage des Wolfsexperten Kurt Kotrschal mitgeteilt.

Ministerium fehlt Datengrundlage

Zudem sieht das Ministerium in seiner Stellungnahme kein Vorliegen der Rechtfertigungsgründe. „Entnahmen“, also Abschüsse, dürften „nur unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß, in von der zuständigen Behörde genau begrenzter und spezifizierter Anzahl erfolgen“. Weiters würden von den Ländern zum behaupteten Nachweis des „günstigen Erhaltungszustandes“ auf der Ebene der „betroffenen Subpopulation“ wie auch auf „europäischer Subpopulation“ keine Daten vorgelegt.

„Umgehungsversuch“

Neben Rechtsbrüchen bei der FFH-Richtlinie sieht das Umweltministerium auch einen Widerspruch zur Aarhus-Konvention. Diese beinhalte ein Recht der Umweltschutzorganisationen, umweltrelevante Entscheidungen von einem unabhängigen Tribunal überprüfen zu lassen.

Im Gegensatz zu Bescheiden stehen den NGOS aber bei Verordnungen keine Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtsmittels offen. Das Ministerium vermutet daher in der Wahl des Instruments der allgemein gültigen Verordnung einen „Umgehungsversuch“.

Abweichungen von gemeinsamen Definitionen

Zusätzlich wird angemerkt, dass die Definitionen eines „Schadwolfes“ und eines „Risikowolfes“ nicht den gemeinsam von Bund, Ländern und Interessenvertretungen erarbeiteten Grundlagen und Empfehlungen entsprechen. Abgesehen von einer Stellungnahme zum Entwurf der oberösterreichischen „Wolfsmanagementverordnung“ mit den genannten Kritikpunkten habe das Umweltministerium zu den „Wolfsverordnungen“ aller anderen betroffenen Bundesländer vergleichbare Stellungnahmen abgegeben, teilte das Ressort in seiner Antwort an Kotrschal mit.

Gewessler rechnet mit EU-Verfahren

Gewessler hatte bereits zuvor betont, dass sie ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich erwarte. Auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) stellte im Juni in einer Entscheidung in Bezug auf die niederösterreichische Fischotter-Verordnung 2019 klar, dass anerkannte Umweltschutz-NGOs grundsätzlich bereits an Behördenverfahren, in denen Normen des EU-Umweltrechts betroffen sind, beteiligt werden müssen. Verordnungen zur Tötung von Wolf & Co. seien ebenso nicht rechtskonform, kritisierte der WWF daraufhin.

Aus der Stellungnahme des Ministeriums gehe klar hervor, „dass die Verordnung der Oö. Landesregierung betreffend die vorübergehende Ausnahme von der Schonzeit für den Wolf vom Juli diesen Jahres nicht rechtskonform ist“, hielt Kotrschal von der AG Wildtiere im Forum Wissenschaft & Umwelt gegenüber der APA fest. Das gelte in analoger Weise auch für die Wolfsabschussverordnungen der Bundesländer Kärnten, Tirol, Niederösterreich, Salzburg und Steiermark.

Experte fordert aktives Monitoring

Der Mitbegründer des Wolfsforschungszentrums der Veterinärmedizinischen Universität Wien hob bezüglich der bereits vollzogenen Abschüsse den Widerspruch zum „günstigen Erhaltungszustand“ nach der FFH-Richtlinie hervor. „Bei sieben Rudeln und einigen umherstreifenden Einzeltieren liegt es auf der Hand, dass die Abschüsse das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustandes massiv behindern“, warnte Kotrschal. Die Etablierung eines aktiven Monitorings in Österreich sei unbestritten notwendig.

Scharfe Kritik von Tiroler ÖVP

Scharfe Kritik am grünen Umweltministerium kam aus den Reihen des Koalitionspartners ÖVP. Gewessler sehe sich „offenbar nicht als Partner, sondern als Gegner der Bundesländer“, kritisierte der Tiroler ÖVP-Klubchef Jakob Wolf. Die Tiroler ÖVP habe aufgrund der Lage das „Heft des Handelns in die Hand genommen“, die Gesetzesänderung sei „eng mit Experten abgestimmt“ gewesen. Gewessler solle sich „nicht auf Paragrafen zurückziehen“, sondern die „Lebensrealitäten in den Bundesländern anerkennen“, so Wolf.

Ähnlich hart ist die Reaktion aus Oberösterreich von der dortigen ÖVP-Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger. Die Kritik von Ministerium und Kurt Kotrschal sei „weit weg“ von der Realität. „Sicher verschanzt hinter den dicken Mauern des Ministeriums lässt es sich – mit alten NGO-Freunden – leicht über Risiko und Erhaltungszustände sinnieren. Dabei bleiben die Realität und auch die Sorgen der Menschen außen vor.“

Den Vorwurf des Rechtsbruchs durch die Oö. Wolfsmanagementverordnung lässt sie nicht gelten, da die Fauna-Flora-Richtlinie selbst in Ausnahmefällen den Abschuss von Problemwölfen ermögliche. „Dieses durch Artikel 16 der Richtlinie begründete Recht, vom Schutzstatus des Wolfs abzuweichen, haben wir in Oberösterreich genutzt“, so die Landesrätin.