Korallenriff
APA/AFP/Joseph Prezioso
Seit Monaten

Weltmeere außergewöhnlich warm

Im April hat die globale Meeresoberfläche einen neuen Temperaturrekord erreicht – und ist in den Monaten seither außergewöhnlich warm geblieben. Das zeigen Daten der US-Ozeanografie- und Meteorologiebehörde (NOAA). Die Temperaturerwärmung hat weitreichende Folgen.

Bei 21,1 Grad lag die durchschnittliche Temperatur an der Meeresoberfläche Anfang April über mehrere Tage – und übertraf damit den bisherigen Höchstwert von 21 Grad aus dem Jahr 2016. Den NOAA-Daten zufolge kühlten die Weltmeere seither kaum ab. Vielmehr lag die Durchschnittstemperatur in den letzten Monaten durchwegs auf Rekordniveau für die jeweilige Zeit im Jahr.

Bemerkenswert ist die Wassertemperatur im Nordatlantik, die seit Monaten rund ein Grad wärmer ist als im langjährigen Mittel. Am 29. Juli betrug dessen Durchschnittstemperatur 25,0 Grad – der Nordatlantik war damit so warm wie nie seit Beginn der Messungen vor rund 40 Jahren. Nicht vergessen werden darf dabei freilich, dass die Meerestemperatur nicht mit Lufttemperatur vergleichbar ist. Denn Wasser verhält sich um ein Vielfaches träger als Luft und benötigt zur Erwärmung deutlich mehr Energie.

Hitzewellen, Korallenbleiche und Niederschläge

Die Folgen der Ozeanerwärmung sind weitreichend: Bei höheren Temperaturen kommt es zum häufigeren Auftreten von „marinen Hitzewellen“. Dabei erwärmt sich das Meerwasser deutlich über die Normalwerte. Vergangene Woche wurden an einer Boje im Meer rund um die Inselkette Florida Keys etwa knapp über 38 Grad Celsius gemessen –, „möglicherweise ein Weltrekord für Meeresoberflächentemperaturen“, schrieb die „New York Times“. Durch „marine Hitzewellen“ kommt es auch zu Phänomenen wie der Korallenbleiche und dem Absterben von Seegraswiesen.

Eine weitere Folge der steigenden Temperaturen sind Fachleuten zufolge verstärkte Niederschläge. Denn wenn die Wassertemperatur höher ist, kann auch mehr verdunsten. „Das heißt, wenn ein starkes Tiefdruckgebiet da ist, dann kann dieses Tiefdruckgebiet mehr Feuchtigkeit aus dem Ozean entnehmen, und das bildet dann auch verstärkte Niederschläge“, erklärte Leopold Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien in einem Gespräch mit ORF.at im Frühling.

Korallenbleiche
IMAGO/OceanPhoto/Reinhard Dirscherl
Durch „marine Hitzewellen“ kommt es auch zu Phänomenen wie der Korallenbleiche

„El Nino“ und die Klimakrise

Fachleute verwiesen aufgrund der sich erwärmenden Weltmeere in den vergangenen Wochen immer wieder auch auf das Wetterphänomen „El Nino“. „El Nino“, das alle zwei bis sieben Jahre auftritt und die globalen Temperaturen zusätzlich erhöhen kann, setzte im Juni ein. Gekennzeichnet ist das Wetterphänomen durch eine Erwärmung des Oberflächenwassers im tropischen Pazifik. Seinen Höhepunkt erreicht es gegen Jahresende.

Zum Anstieg der globalen Meerestemperaturen trage es bei, sagte die NOAA-Klimaforscherin Michelle L’Heureux der „NYT“. Der zugrunde liegende Einfluss des vom Menschen verursachten Klimawandels sei jedoch unbestreitbar, fügte sie hinzu. Der heurige Anstieg der Temperatur der globalen Meeresoberflächen sei nach Worten des Klimaforschers Zeke Hausfather vom unabhängigen Forschungsinstituts Berkeley Earth „bedenklich“, aber in einer sich erwärmenden Welt nicht wirklich „unerwartet“.

In Prognosemodellen, die die Erwärmung der Ozeane unter Berücksichtigung der Treibhausgasemissionen vorhersagen, lag die globale Meeresoberflächentemperatur im Juli im erwarteten Bereich. Anders verhielt es sich mit jener des Nordatlantiks, die wärmer als erwartet ausfiel. Das lässt darauf schließen, dass „hier etwas Außergewöhnliches geschieht“, wird Hausfather in der „New York Times“ („NYT“) zitiert.

Spekulationen über Sahara-Staub

Spekuliert wird außerdem, dass es zusätzlich zu „El Nino“ und der menschengemachten Erderwärmung auch andere Ursachen für die außergewöhnlichen Meerestemperaturen gibt. In den Raum gestellt wurden von manchen etwa, dass Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung durch die Seeschifffahrt unbeabsichtigte Folgen für die Ozeane haben könnten.

Andere wiesen wiederum auf die geringen Mengen an Sahara-Staub in der Atmosphäre heuer hin. Der Mangel an Aerosolen, also kleinen, in der Luft schwebenden Teilchen, führt zu einer durchlässigeren Atmosphäre. Dadurch kann mehr Sonnenstrahlung die Meeresoberfläche erreichen und diese erwärmen, wie Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klimaforschung der GeoSphere Austria, in einem FM4-Interview erklärte.

In einer Analyse des Onlineportals Carbon Brief wird überdies auf den Ausbruch des Unterwasservulkans im südpazifischen Inselstaat Tonga, der enorme Mengen an Wasserdampf in die Stratosphäre schleuderte, hingewiesen. Bei Wasserdampf handelt es sich wie auch bei Kohlendioxid um ein Treibhausgas.

Weltmeere speichern überschüssige Wärme

Die globalen Ozeane spielen eine wesentliche Rolle für die Erde: Aus einer Studie, die ein internationales Forscherteam Anfang 2023 im Fachblatt „Advances in Atmospheric Sciences“ veröffentlichte, ging hervor, dass die Weltmeere rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme absorbieren, die der Mensch mit dem Ausstoß von Treibhausgasen verursacht.

Der Ozean hat „uns einen großen Dienst erwiesen, indem er die globale Erwärmung erheblich verzögerte“, sagte der NOAA-Ozeanograf Gregory Johnson zur „NYT“. Doch das habe seinen Preis: Da der Ozean mehr Wärme speichert, dehnt sich dessen Wasser aus und trägt so zum Anstieg des Meeresspiegels bei.

Die Folgen der Klimakrise machten sich jüngst auch mittels Hitzewellen in den USA, Europa und China bemerkbar – die heftigen Hitzewellen in Europa, den USA und China wären ohne den menschengemachten Klimawandel „praktisch unmöglich“, ging aus einer Schnellanalyse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungsnetzwerks World Weather Attribution (WWA) kürzlich hervor.

Chiles Umweltministerin Maisa Rojas, selbst Klimatologin, warnte vor Kurzem auch vor den Auswirkungen der Hitze in Arktis und Antarktis: Das Eisvolumen um Nord- und Südpol habe ein Minimum erreicht, erklärte die Umweltministerin auf Twitter. „Besonders rund um die Antarktis, wo das Meereseis zu dieser Jahreszeit wächst und im September sein Maximum erreicht, ist es auf einem historischen Minimum.“