Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny während einer Gerichtsanhörung
Reuters/Evgenia Novozhenina
Weitere 19 Jahre

Nawalny zu Haftstrafe verurteilt

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny muss weitere Jahre in Haft bleiben. Ein Moskauer Gericht verurteilte ihn am Freitag nach Angaben von dessen Unterstützern wegen verschiedener Vorwürfe zu einer 19-jährigen Haftstrafe. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin sitzt bereits Strafen von insgesamt elfeinhalb Jahren in einer Strafkolonie ab.

Die russische Justiz hatte im Juni unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen weiteren Prozess gegen den Kreml-Gegner wegen „Extremismus“-Vorwürfen begonnen. Diesem wurde vorgeworfen, eine „extremistische“ Organisation gegründet und finanziert, zu „extremistischen“ Aktivitäten aufgerufen und „Nazi-Ideologie wiederbelebt“ zu haben.

Nawalny selbst hatte mit der Verurteilung gerechnet. „Es wird eine riesige Haftstrafe werden. Das, was man als ‚stalinistische Haftstrafe‘ bezeichnet“, ließ er am Donnerstag über sein Team in sozialen Netzwerken ausrichten. Nawalny rechnete damit, dass sich das Gericht letztlich in seinem Urteil auf rund 18 Jahre festlegen werde.

Weiteres Urteil gegen Nawalny

Der bereits inhaftierte Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist wegen Gründung einer „extremistischen“ Organisation zu weiteren 19 Jahren Haft verurteilt worden. Derzeit sitzt Nawalny eine neunjährige Haftstrafe ab, nachdem er wegen Betrugs verurteilt worden war.

Nawalny ruft zu Widerstand auf

Nawalny appellierte nach dem Urteil an den Mut der Russen zum Widerstand gegen Putin: „Putin sollte seine Ziele nicht erreichen. Verliert nicht den Willen zum Widerstand.“ Das Strafmaß sei nicht für ihn selbst gedacht, betonte Nawalny, sondern richte sich gegen die Menschen, um ihnen Angst zu machen.

„Sie wollen euch dazu bringen, euer Russland kampflos dieser Bande von Verrätern, Dieben und Schurken zu überlassen, die die Macht an sich gerissen haben“, sagte er laut der in sozialen Netzwerken verbreiteten Nachricht.

Kritik aus USA, Österreich bedauert Urteil

Die USA kritisierten die erneute Verurteilung scharf und forderten die Freilassung von Nawalny. „Das ist ein ungerechter Abschluss eines ungerechten Prozesses“, teilte das Außenministerium in Washington DC mit. Die russische Regierung versuche, Nawalny zum Schweigen zu bringen. Der 47-Jährige und andere politische Gefangene müssten umgehend aus der Haft entlassen werden.

Österreich bedaure das Urteil gegen Nawalny zutiefst und die anhaltende Misshandlung in der Haft, hieß es in einer ersten Reaktion von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) auf Twitter. Russland instrumentalisiere weiterhin sein Rechtssystem. „Ich wiederhole die nachdrückliche Aufforderung Österreichs an Russland, der Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nach einer sofortigen Freilassung nachzukommen“, so Schallenberg.

Von einer „Willkürjustiz“ sprach Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock. Die Freiheitsstrafe von 19 Jahren sei „blankes Unrecht“. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, kritisierte das Urteil scharf und forderte die Freilassung Nawalnys. Es gebe „erneut Anlass zu ernster Besorgnis über die Schikanen der Justiz und die Instrumentalisierung des Gerichtssystems für politische Zwecke in Russland“, teilte der Österreicher in Genf mit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung werde zunehmend unterdrückt.

Schlechter Gesundheitszustand

Menschenrechtsorganisationen weisen stets auf die angeschlagene Gesundheit Nawalnys hin, der im Sommer 2020 nur knapp einen Nervengiftanschlag überlebte. Der Kreml-Gegner wirft dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und Präsident Putin vor, hinter dem Mordanschlag vor drei Jahren zu stecken. Der Kreml dementiert das. Nach einer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny damals in seine Heimat zurück. Noch am Flughafen wurde er festgenommen.

Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny während einer Gerichtsanhörung
Reuters/Evgenia Novozhenina
Alexej Nawalny gilt als einer der größten Kritiker von Präsident Wladimir Putin

Seine Unterstützer und Unterstützerinnen kritisieren zudem, dass der Prozess nicht vor Gericht, sondern direkt in Nawalnys Strafkolonie im 260 Kilometer von Moskau entfernten Melechowo abgehalten wurde. Dort werde er durch unmenschliche Haftbedingungen und Dauerisolation gefoltert, sagen Menschenrechtler und Menschenrechtlerinnen.

Nawalny sieht gesellschaftlichen Einschüchterungsversuch

Nawalny bezeichnete den neuen Prozess als einen gesellschaftlichen Einschüchterungsversuch. Er solle die kritischen Teile der russischen Bevölkerung davon abhalten, sich öffentlich gegen Putin und Russlands Krieg in der Ukraine zu stellen. Er hatte vor der Urteilsverkündung um Solidarität mit politischen Gefangenen gebeten. In seinem Schlusswort vor zwei Wochen hatte der Oppositionspolitiker dazu aufgerufen, gegen das „gewissenlose Böse, das sich selbst ‚Staatsmacht der Russischen Föderation‘ nennt“, zu kämpfen.

Russland führt seit mittlerweile mehr als 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. In diesem Zeitraum hat die russische Führung auch im eigenen Land Repressionen gegen Kritiker erheblich verstärkt. Neben Nawalny sind in russischen Straflagern noch zahlreiche weitere Oppositionelle inhaftiert, die international als politische Gefangene eingestuft werden.

Erst vor wenigen Tagen etwa wurde gegen Wladimir Kara-Mursa das harte Urteil von 25 Jahren Straflagerhaft bestätigt. Es ist die bisher höchste Haftstrafe gegen einen Regierungskritiker in Russland.