Amanda Zurawski bei einer Pressekonferenz am 19. Juli in Austin (Texas)
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Strenges Abtreibungsverbot

Urteil in Texas lässt Gegnerinnen hoffen

Das Abtreibungsgesetz in Texas gilt als strengstes in den USA. Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Herzschlag des Fötus festgestellt werden kann (ab der sechsten Schwangerschaftswoche), dürfen keine Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Nun lässt ein Urteil einer Richterin Gegner und Gegnerinnen des strikten Abtreibungsverbots allerdings hoffen.

Richterin Jessica Mangrum hat am Freitagabend entschieden, dass das Abtreibungsverbot für Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen zu restriktiv sei. Es müssten Ausnahmen zugelassen werden, ohne dass Ärzte und Ärztinnen Strafen befürchten müssen. Denn diesen drohen nach texanischem Recht bei Durchführung einer Abtreibung Haftstrafen von bis zu 99 Jahren, Geldstrafen von bis zu 100.000 Dollar und der Entzug ihrer medizinischen Zulassung.

In dem Urteil schrieb Richterin Jessica Mangrum, Frauen sei „der Zugang zur Abtreibungsversorgung verzögert oder verweigert worden, weil eine weit verbreitete Unsicherheit über den Ermessensspielraum der Ärzte bei medizinischen Ausnahmen von den Abtreibungsverboten in Texas besteht“. Sie erklärte, Ärzte und Ärztinnen dürften für ihre Einschätzung einer Notlage nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Klägerinnen zeigen sich zuversichtlich

Gegner und Gegnerinnen des strikten Abtreibungsgesetzes werten das Urteil als Sieg. Der Fall wird auch als potenzielle Blaupause für die Aufweichung von Beschränkungen in den anderen Bundesstaaten gesehen. „Das Urteil sollte andere Texanerinnen davor bewahren, das unvorstellbare Trauma zu erleiden, das unsere Klägerinnen erlitten haben“, sagte Nancy Northup, Präsidentin und Geschäftsführerin des Center for Reproductive Rights, das die Klage mit angestrengt hat.

In der Klage wurde argumentiert, dass die texanischen Gesetze medizinische Ausnahmen für Abtreibungen nicht klar definierten. Das sei verwirrend für Ärzte und Ärztinnen und löse eine „Gesundheitskrise“ aus. Im vergangenen Monat hatten mehrere Klägerinnen vor dem Gericht in Austin ausgesagt. Amanda Zurawski, nach der der Fall benannt ist, sagte, ihr sei eine Abtreibung verweigert worden, obwohl die Fruchtblase sehr früh in der Schwangerschaft geplatzt sei. Das habe eine Fehlgeburt unvermeidbar gemacht.

„Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich vor Freude geweint, als ich die Nachricht hörte“, sagte sie nach dem Urteil. „Das ist genau der Grund, warum wir das getan haben. Deshalb haben wir den Schmerz und das Trauma immer wieder auf uns genommen, um unsere Erfahrungen und den Schaden, den diese schrecklichen Gesetze anrichten, zu teilen.“

Texas legte Berufung ein

Richterin Mangrum ordnete eine einstweilige Verfügung an. Ärzte und Ärztinnen sollen selbst beurteilen können, ob „das Leben und/oder die Gesundheit (inklusive der Fruchtbarkeit)“ einer Frau gefährdet sei. Die einstweilige Verfügung soll so lange gelten, bis über die Klage entschieden wurde. Das Verfahren dazu soll im März beginnen.

Allerdings legte Texas bereits Berufung gegen die einstweilige Verfügung ein. „Die einstweilige Verfügung des Gerichts ist unwirksam, und der Status quo bleibt in Kraft“, sagte eine Sprecherin. In einer Erklärung des ersten stellvertretenden Generalstaatsanwalts Brent Webster hieß es zudem: Texas habe mit der Berufung den „Versuch einer aktivistischen Richterin“, die Abtreibungsgesetze außer Kraft zu setzen, gestoppt.

Staaten schränken Abtreibungsrecht stark ein

Das Abtreibungsrecht ist eines der umstrittensten und umkämpftesten gesellschaftspolitischen Themen in den USA. Der Oberste Gerichtshof des Landes hatte im vergangenen Juni das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft – ein Urteil, das ein politisches Erdbeben auslöste. Mit der Entscheidung des Supreme Court bekamen US-Staaten das Recht, Abtreibungen stark zu beschränken oder ganz zu verbieten. Zahlreiche konservative Bundesstaaten haben das bereits getan.

Zuletzt hatte ein Bundesrichter in Texas zudem die Zulassung für die Abtreibungspille Mifepriston in den Vereinigten Staaten aufgehoben. Mifepriston wird in den USA bei mehr als jedem zweiten Schwangerschaftsabbruch eingesetzt. Der von Ex-Präsident Donald Trump ernannte Bundesrichter Matthew Kacsmaryk gab damit einer Klage von Abtreibungsgegnern gegen die Arzneimittelbehörde FDA statt, welche die Pille Mifepriston vor mehr als 20 Jahren zugelassen hatte.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte Anfang März vor einem Verbot der Abtreibungspille gewarnt. „Dieser Schritt wäre verheerend für Frauen“, hieß es aus dem Weißen Haus damals. Nach Angaben der US-Arzneimittelbehörde wurde die Pille seit ihrer Zulassung im Jahr 2000 von mehr als 5,6 Millionen Frauen genutzt. In weniger als 1.500 Fällen habe es Komplikationen gegeben, ohne dass ein Zusammenhang zu Mifepriston habe hergestellt werden können.