Experten zweifeln an Nehammers Bargeldvorstoß

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will das Bargeld als Zahlungsmittel in der Verfassung verankern. „Mir ist wichtig: Bargeld soll in die Verfassung kommen“, hielt er am Freitag fest. Gestern kündigte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) einen runden Tisch dazu an. Fachleute zweifeln aber am Vorhaben der ÖVP-Regierungsseite.

Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger nannte die Ansage von Nehammer gegenüber dem „Kurier“ gleich „populistisch“. Gewisse Staatsziele könne man in die Verfassung zwar aufnehmen. Aber „immer nur das reinzuschreiben, was gerade populär ist, obwohl es Dinge sind, die man nicht wirklich garantieren“ könne, lehne er ab, wird der Forscher der Uni Innsbruck zitiert.

Er fordert wörtlich ein „Recht auf politische Vernunft in der Verfassung“. Österreich sei als Euro-Mitglied stark von europäischen Regulierungen abhängig und müsse etwa Bargeldobergrenzen akzeptieren, wenn sie beschlossen werden. Verfassungsjurist Andreas Janko hält sich noch zurück und will auf Details warten.

Selmayr: „Sofern überhaupt europarechtlich zulässig“

Der Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien, Martin Selmayr, verwies auf Twitter ebenfalls auf die EU und meinte, dass durch die dortige Gesetzgebung der Euro als Bargeld seit 1999 geschützt sei. Eine nationale Regelung könne – „sofern sie überhaupt europarechtlich zulässig wäre“ – inhaltlich zum Schutz des Euro-Bargeldes wenig Neues beitragen, so Selmayr. Man könnte „allenfalls“ im nationalen Recht das EU-Recht bestätigen.

„Wer das Euro-Bargeld in der Praxis stärker absichern möchte, sollte bei der Verabschiedung der Euro-Bargeld-Verordnung mitarbeiten, welche zahlreiche hilfreiche Konkretisierungen des EU-rechtlichen Begriffs des ‚gesetzlichen Zahlungsmittels‘ enthält“, so der EU-Experte.

In der Euro-Bargeld-Verordnung sei auch vorgesehen, „dass die Mitgliedsstaaten dafür sorgen müssen, dass auf ihrem gesamten Territorium, in all ihren Regionen, in Städten wie im ländlichen Raum, ausreichender und wirksamer Zugang zum Euro-Bargeld besteht“.

Auch ÖVP-Landeshauptmann gegen Vorstoß

Skepsis gab es auch in der Kanzlerpartei selbst: Er sei „generell dagegen, die Verfassung zu überfrachten“, sagte der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) im „Presse“-Interview. „Ich glaube, dass eine Verfassung kein lyrisches Lesebuch sein soll, in dem sich jede Gruppe irgendwie verwirklicht. Das ist das Regelwerk für ein Funktionieren des Staates.“

Er halte die Verankerung des Bargeldes in der Verfassung dementsprechend „nicht für ganz dringend notwendig“, sei aber „selbstverständlich für das Bargeld“.

Umsetzung unklar

Bisher wurde das Thema lediglich von der ÖVP-Seite der Regierung ventiliert. Gefragt, ob der Plan mit dem Koalitionspartner abgesprochen sei, erklärte Nehammer: „Die Grünen wissen das, dass die Volkspartei das immer schon auf ihrer Agenda hatte.“ Wie man das dann bestmöglich umsetze, „ist natürlich noch der politische Prozess“.

Die Grünen reagierten recht unverbindlich: „Bargeld wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, hieß es in einer Stellungnahme der Partei. So mögen elektronische Zahlungsmittel für viele Menschen zwar praktisch sein, seien aber nicht für jeden geeignet. Jeder habe die Freiheit, so zu bezahlen, wie er oder sie möchte.

Was die Ideen des Kanzlers betrifft, erwarten die Grünen „mit Interesse die Beiträge und Umsetzungsvorschläge auf dem Bargeldgipfel“. Mit den Stimmen der Grünen allein ist eine Verfassungsänderung aber nicht möglich. Entweder muss im Parlament die SPÖ oder die FPÖ zustimmen.