Leeres Klassenzimmer
ORF/Ákos Heves
Soldaten als Lehrer

Kontroverse über ÖVP-Vorstoß

Von der Kaserne ins Klassenzimmer: Dass die ÖVP-geführten Ministerien nun Soldatinnen und Soldaten als Mittel gegen den Lehrkräftemangel rekrutieren wollen, stößt nicht überall auf Begeisterung. Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) hingegen ist dafür: Er selbst habe sich einst als Milizsoldat Richtung Schule orientiert.

Am Samstag hatten Verteidigungs- und Bildungsministerium ihre Pläne vorgestellt: Zur Bekämpfung des Lehrermangels sollen Soldatinnen und Soldaten als Quereinsteiger für den Lehrberuf rekrutiert werden. Angeworben werden sollen gezielt Milizsoldatinnen und -soldaten, Militärmusiker und Heeressportler, wie ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ankündigten. Parallel dazu soll das Thema Landesverteidigung ab Herbst einen größeren Stellenwert im Unterricht erhalten, zwei Offiziere wurden in die Schulbuchkommission eingebunden.

Deutlich dagegen sprach sich am Sonntag die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) aus. „Soldat_innen haben in Schulklassen nichts verloren. Der verstärkte Einfluss des Bundesheeres in Klassen und Lehrplänen ebnet den Weg hin zu einem militarisierten Bildungswesen“, so die ÖH-Vorsitzende Nina Mathies.

„Militarisierung im Schulsystem“

Anstatt die „Militarisierung im Schulsystem“ voranzutreiben, sollen Themen wie Klimakrise und Antidiskriminierung in den Lehrplänen verankert werden, forderte die ÖH. „Das Lehramtsstudium sowie der Lehrberuf müssen attraktiver gemacht werden. Es braucht bessere Arbeitsbedingungen, eine faire Bezahlung und kleinere Klassen“, so Sarah Rossmann aus dem ÖH-Vorsitzteam in einer Pressemitteilung. Polaschek attestierte man Überforderung mit dem Lehrermangel. Quereinsteiger könnten Pädagogen nicht ersetzen.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker riet dem ÖH-Vorsitz in einer Aussendung, die „ideologischen Scheuklappen abzulegen“. Milizsoldaten seien „Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft, die in erster Linie ihrem privaten Beruf und Alltag nachgehen“. Sie würden durch ihre Tätigkeit beim Bundesheer „wertvolle Kompetenzen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und entsprechend ihrer militärischen Funktion auch im Bereich Teamarbeit und Führung“ erhalten, betonte er.

Babler: ÖVP machte Land kaputt

Ähnlich die Haltung der SPÖ-nahen Aktion kritischer Schüler_innen (AKS). Auch diese sah am Sonntag einen Schritt in Richtung „militarisiertes Bildungswesen“ und sprach sich gegen die Maßnahme aus. Stattdessen brauche es etwa eine Aufwertung des Lehrberufs und einen Ausbau des Schulunterstützungspersonals. Außerdem forderte man das Fach politische Bildung. Dieses soll die Möglichkeit bieten, „sich selbst mit aktuellen Geschehnissen in Politik, Gesellschaft und auch mit gesellschaftlichen Missständen zu beschäftigen. Politische Bildung darf nicht auf militärischen Drill abzielen, sondern muss die Förderung eines kritischen Bewusstseins zum Ziel haben“, so AKS-Bundesvorsitzende Lina Feurstein in einer Aussendung.

Auch SPÖ-Chef Andreas Babler übte auf Twitter Kritik an der ÖVP: „Postler als Polizisten und jetzt Soldaten als Lehrer. Alleine daran sieht man, wie sehr die ÖVP unser Land in den letzten Jahren kaputt gemacht hat. Nicht nur im Bildungs- und Sicherheitsbereich“, schrieb er.

Gewerkschaft sieht Überlastung

Ganz anders sieht das der oberste Lehrervertreter Kimberger von der Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FCG). Der Vorstoß sei gut, aber nicht neu, so Kimberger im „Kurier“. „Das gab es schon bisher, dass sich zahlreiche Milizsoldaten während oder nach ihrer Laufbahn beim Heer für den Lehrerberuf entscheiden. Ich bin einer davon“, so Kimberger. Die Belastung der Lehrkräfte sei zu groß. „Inzwischen führen wir jede Woche Gespräche mit Kollegen, die sich an uns wenden, weil sie den Schulalltag nicht mehr aushalten und eine Alternative suchen“, so der Sprecher der Lehrergewerkschaft. „Je höher der Druck und die Belastungen werden, desto mehr Ausfälle werden wir produzieren.“ Das sei menschlich eine Tragödie und ein immer größer werdendes Problem für das Schulwesen.

Landesverteidigung und Neutralität im Schulbuch

Die ÖVP-geführten Ministerien wollen eine breit angelegte Informationskampagne in Stellungshäusern, Kasernen und Zielgruppenmedien des Bundesheeres starten. So sollen potenzielle Quereinsteiger im Rahmen der Initiative „Klasse Job“ für den Lehrerberuf begeistert werden, sagte Polaschek, der von „spannenden Zielgruppen“ sprach.

Die Beschäftigung der 32.000 Milizsoldatinnen und -soldaten, der rund 360 jährlichen Militärmusikerinnen und -musiker und der 495 Heeressportlerinnen und -sportler sei auf 15 Jahre begrenzt, so Tanner. Neben der Personaloffensive betrifft die Kooperation zwischen Bildungs- und Verteidigungsministerium auch die Lehrinhalte. Ab September treten die neuen Lehrpläne von Volksschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen in Kraft, in denen das Konzept der umfassenden Landesverteidigung verankert wird.

„Das Thema war lange Zeit ausgeklammert, weil es keinen Bedarf gab, über diese Dinge zu sprechen“, sagte Polaschek. Die geopolitische Lage infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und andere Krisen würden die Kinder und Jugendlichen beschäftigen, weshalb es wichtig sei, diese Themen im Unterricht zu thematisieren, so der Bildungsminister.

In enger Kooperation mit dem Bundesheer wird das Thema in den Schulbüchern und auch in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer behandelt. Die Schülerinnen und Schüler sollen laut Polaschek etwa mit Begrifflichkeiten wie Neutralität vertraut gemacht werden. Die Aufgaben des Bundesheeres werden den Kindern künftig aber nicht nur in einschlägigen Fächern wie politischer Bildung nahegebracht werden, sondern beispielsweise auch in mathematischen Textaufgaben.

Laut Bildungsministerium bewarben sich im Rahmen der Aktion „Klasse Job“ bisher insgesamt 3.300 Personen für einen Quereinstieg an einer Schule, 1.300 seien bereits zertifiziert worden. 600 hätten sich für eine Stelle an einer Schule beworben.