Überflutetes Haus
Reuters/Borut Zivulovic
Slowenien

Neuer Regen verschärft Erdrutschgefahr

Die Unwetterlage in Slowenien ist weiterhin kritisch, am Sonntag sind noch neue Regenfälle hinzugekommen. Die Niederschläge dürften die Lage in den von Erdrutschen bedrohten Überschwemmungsgebieten noch verschlechtern. Bisher kamen in Slowenien vier Menschen durch die Katastrophe ums Leben.

Am Sonntagnachmittag erreichten die ersten neuen Gewitter mit starken Niederschlägen die Unwetterregion in Slowenien. Die Umweltagentur ARSO hatte zuvor eine Warnung für das ganze Land herausgegeben. Die Meteorologen erwarteten kürzere Gewitter, am Abend sollte es Erleichterung geben.

Kritisch war die Lage nach wie vor in der Region Koroska, wo die Straßenverbindungen zu mehreren Ortschaften unterbrochen waren. In der stark betroffenen Gemeinde Crna na Koroskem, die nunmehr von einem Erdrutsch bedroht ist, wurde die geplante Evakuierung mittels mehrerer Hubschrauber, bei der 110 Einwohnerinnen und Einwohner aus dem Ort gebracht werden sollten, abgesagt. Vereinzelt wurden aber Menschen aus medizinischen Gründen ausgeflogen.

Am späten Nachmittag gab es Berichte, dass es den Einsatzkräften gelungen war, einen Makadamweg – eine Behelfsstraße – in die Gemeinde einzurichten, die seit Freitag abgeschnitten war.

Wehrschütz (ORF) zu Unwetter in Slowenien

Christian Wehrschütz (ORF) meldet sich aus Slowenien und spricht über die Lage an Ort und Stelle. Nach den heftigen Unwettern ist Samstagabend im Osten des Landes ein Damm zum Schutz gegen Hochwasser gebrochen.

Anschwellende Mur als Hauptproblem

Wegen drohender Erdrutsche bei Koroska Bela in der Gemeinde Jesenice wurde auch für diese Nacht eine Evakuierung angekündigt. Die rund 900 Bewohnerinnen und Bewohner, die bereits am Samstag nicht in ihren Häusern übernachten durften, werden eine weitere Nacht in Notunterkünften verbringen müssen.

Im Osten des Landes, wo es am Samstagabend beim Dorf Dolnja Bistrica in der Gemeinde Crensovci zu einem Dammbruch gekommen war, kämpften die Rettungskräfte den ganzen Tag, die Mur von mehreren bedrohten Ortschaften fernzuhalten. Der Damm wurde mit Sandsäcken und schweren Betonblöcken abgedichtet. Zwei Militärhubschrauber, darunter einer aus Kroatien, kamen zu Hilfe. Die anschwellende Mur verursachte Probleme auf der slowenischen und der kroatischen Seite der Grenze.

Überschwemmung in Mezica
Reuters/Borut Zivulovic
Die Schäden in Slowenien sind enorm, sie werden auf rund 500 Mio. Euro beziffert

Hilfe aus dem Ausland angelaufen

Im Anrollen war am Sonntag die erste humanitäre Hilfe aus dem Ausland. Nach Angaben des slowenischen Roten Kreuzes waren Lastwagen aus Polen und Ungarn unterwegs, aus Kroatien wurde bereits Trinkwasser geliefert. Die Caritas Österreich bot finanzielle Hilfe an, wie die Nachrichtenagentur STA berichtete.

Slowenien bat am Sonntag auch EU und NATO um technische Hilfsgüter zur Beseitigung der Schäden. Über den EU-Katastrophenschutzmechanismus beantragte das Land demnach 30 Bagger unterschiedlicher Kapazität und 30 Spezialfahrzeuge zur Regulierung von Wasserläufen sowie die Entsendung von Ingenieurteams für all diese Geräte. Auf der Wunschliste standen zudem jeweils 20 vorgefertigte Brücken von bis zu 40 Meter Länge. Die NATO wurde auch um fünf schwere Militärhubschrauber mit einer Tragfähigkeit von mindestens fünf Tonnen für den Transport und um 200 Soldaten zur Wahrnehmung von Schutz-, Rettungs- und Hilfsaufgaben ersucht.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Österreicher gerettet

Eine Gruppe österreichischer Urlauberinnen und Urlauber konnte am Samstag rechtzeitig vor den Fluten in Sicherheit gebracht werden: „Das rot-weiß-rote Krisenteam der österreichischen Botschaft Laibach war am Samstag im Norden Sloweniens im Einsatz, wo die von Rekordregenmengen ausgelösten Überschwemmungen in Ljubno ob Savinji auch 23 österreichische Camperinnen und Camper bedroht hatten, darunter 17 Kinder“, teilte Gabriele Juen, Sprecherin des Außenministeriums, am Sonntag mit.

Großer Dank gebühre auch den slowenischen Helferinnen und Helfern – die Österreicher mussten „von der lokalen Bevölkerung teilweise aus dem Wasser gerettet werden“.

Die Campingurlauber wurden zunächst in der Sporthalle der Volksschule im nahen Recica ob Savinji untergebracht, berichtete das Ministerium. Das Team der Botschaft Laibach habe dann in Abstimmung mit den slowenischen Behörden trotz Überflutungen und Straßensperren eine sichere Route gefunden, um die Evakuierung an Ort und Stelle zu unterstützen und den Gestrandeten Hilfe zu leisten.

Hunderte harren in Notunterkünften aus

Auch am Sonntag ist die Lage nach den verheerenden Überschwemmungen in Slowenien angespannt, neue Niederschläge werden erwartet. Inzwischen harren zahllose obdachlos gewordene Menschen in Notunterkünften aus.

„Am Samstagabend hatten sich Wetter- und Straßenlage so weit stabilisiert, dass die Betroffenen von Einsatzteams des Kärntner Zivilschutzes mit Unterstützung der Feuerwehren Bleiburg, St. Egyden, Althofen und Wolfsberg sicher nach Hause gebracht werden konnten“, hieß es.

Schaden von halber Milliarde Euro

Am Samstag hatten die Überschwemmungen ein weiteres Todesopfer gefordert. Am Ufer der Save in Ljubljana wurde ein Mann tot aufgefunden. Damit stieg die Zahl der Menschen, die bei den Unwettern umgekommen sind, auf vier Personen. Ministerpräsident Robert Golob sprach am Samstag von der „größten Naturkatastrophe“ in der jüngeren Geschichte des Landes. „Der Schaden ist unvorstellbar, praktisch zwei Drittel des Landes sind betroffen“, sagte er. Nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates bezifferte er den Schaden an Infrastruktur und Gebäuden auf mehr als 500 Millionen Euro.

Kritische Lage auch in Tschechien, Polen und der Slowakei

Die starken Regenfälle des Wochenendes ließen auch in Tschechien und der Slowakei die Flüsse anschwellen. Am Oberlauf der Elbe bei Spindleruv Mlyn (Spindlermühle) im Riesengebirge in Tschechien galt am Sonntag die erste, niedrigste Hochwasserstufe, wie die Agentur CTK meldete. Meteorologen erwarteten, dass das Wasser bis Montagmittag noch steigen werde.

In der Slowakei traten am Samstag mehrere Bäche über die Ufer. Im Bezirk Roznava in der Mitte des Landes wurden in einigen Dörfern die Straßen, Gärten, Keller und Häuser unter Wasser gesetzt, wie örtliche Behörden mitteilten. Erst in der Nacht auf Sonntag konnte Entwarnung gegeben werden. Das Slowakische Hydrometeorologische Institut (SHMU) in Bratislava rechnete damit, dass an diesem Wochenende extreme Mengen oder sogar Rekordmengen an Niederschlägen gemessen werden. Dementsprechend gespannt sei die Lage an Flüssen und Bächen.

Gewitter und heftige Regenfälle führten am Sonntag auch in Polen zu Hunderten Feuerwehreinsätzen. Das Tief zog dabei im Lauf des Tages von West nach Ost durch das Land. Nachmittags galt im westpolnischen Gebiet Wielkopolska um Poznan die höchste, rote Regenwarnstufe des polnischen Wetterdienstes IMGW. Allein dort musste die Feuerwehr der Agentur PAP zufolge etwa 200-mal ausrücken.