PV-Anlage
ORF/Viviane Koth
Erneuerbare-Ausbau bis 2030

Wo Österreichs Energiepotenziale liegen

Bis 2030 soll Österreichs Strom gänzlich aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Die größten Chancen liegen bei Sonnen- und Windenergie. Kleinere Projekte zeigen zwar, wie es gehen kann. Es braucht aber auch österreichweit einheitliche Maßnahmen, etwa zur Steigerung der Energieeffizienz, und das am besten mit größtmöglicher Akzeptanz der Bevölkerung.

Unter den erneuerbaren Energien ist die Wasserkraft in Österreich bereits am stärksten ausgebaut. Die jährliche Statistik der Energieregulierungsbehörde E-Control zeigt: 2022 stammten knapp drei Viertel des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen aus der Wasserkraft. Entsprechend niedrig fiel die Stromerzeugung aus anderen erneuerbaren Energien aus.

So wurden brutto – also ohne Abzug des Eigenbedarfs der Erzeugungsanlagen – 7,3 Terawattstunden (TWh) Strom aus Windkraft, 3,5 TWh aus Photovoltaik (PV) und 3,1 TWh aus Biomasse erzeugt. Bis 2030 soll die Erzeugung laut Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) auf 17, 13 beziehungsweise fünf TWh erhöht werden. Zum Vergleich: Der Stromverbrauch Österreichs beträgt pro Monat durchschnittlich zwischen vier und fünf Terawattstunden.

Welche Bedeutung die Wasserkraft in Zukunft haben wird, wenn sich Extremwetter wie Dürren und Hochwasser aufgrund des Klimawandels verstärken, kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht sicher gesagt werden: „Auch in der Vergangenheit gab es bei der Wasserkraft in Österreich immer schon Schwankungen von bis zu plus/minus 20 Prozent pro Jahr“, erklärt Reinhard Haas, Professor für Energiewirtschaft an der Technischen Universität (TU) Wien. In Bezug auf den Ausbau erneuerbarer Energien hätten PV und Wind eindeutig die größten Potenziale, so der Professor im ORF.at-Gespräch.

Potenzial ist nicht gleich Potenzial

Neben physikalischen Voraussetzungen, wie etwa der Verfügbarkeit von Wind und Sonne, spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle bei der Frage des Potenzials. „Es gibt ausreichende Ressourcen von Wind und Sonne. Die Frage muss nicht sein, wo das Potenzial liegt. Es geht darum, sich zu überlegen, wo die Nachteile möglichst gering und die Vorteile möglichst groß sind“, so Sebastian Wehrle vom Institut für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien.

Windräder bei Ernstbrunn in Niederösterreich
ORF.at/Roland Winkler
Theoretisch birgt die Windkraft großes Energiepotenzial, stößt aber nicht immer auf Akzeptanz der Anrainerinnen und Anrainer

Zu den Vor- und Nachteilen gehörten auch Überlegungen zu „sozialen Kosten“: „Der Bau eines Windparks oder einer großen PV-Anlage hat Effekte auf seine Umwelt, sowohl auf die Natur und auf Tiere als auch auf Menschen, die in der Gegend leben.“ Es stelle sich etwa die Frage, wie der Einfluss auf das Landschaftsbild in einer Region bewertet werde. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, das für Österreich einheitlich zu klären“, meint Wehrle zu ORF.at.

Im Westen nichts Erneuerbares?

Die räumliche Verteilung von Windrädern zeigt, wie unterschiedlich die Antwort darauf derzeit im Westen und Osten Österreichs ausfällt. Auffällig wenige Windräder und große PV-Anlagen gibt es im Westen. Das hat aber auch physikalische Gründe: „Bei der Windkraft haben wir die ökonomisch günstigsten Potenziale in Niederösterreich und im Burgenland. Im Westen ist die Windverfügbarkeit und die Gleichmäßigkeit des Windes wesentlich geringer“, erklärt Haas.

Erneuerbare Kraftwerke (Photovoltaik, Wind, Wasser, Biomasse) mit einer Mindestleistung von zwei Megawatt und Energieeinspeisung ins öffentliche Netz

Das zentrale Hindernis sei momentan trotz allem die Akzeptanz. Hier brauche es eine bessere Verwaltung für schnellere Abwicklungen und eine Einbindung der lokalen Bevölkerung: „Wenn Sie eine Windkraftanlage bauen und die lokale Bevölkerung mit einbeziehen, dann haben Sie viel mehr Akzeptanz.“

Kleinräumige Pioniere und Pilotprojekte

Gerade bei kleineren, privaten PV-Anlagen sieht Haas großes Potenzial: „Das sind eigentlich die wichtigsten, weil durch die Dachflächen von Ein- und Mehrfamilienhäusern sehr große Flächen verfügbar sind. Und die sind viel eher akzeptiert als zum Beispiel die großen Windparks.“

Ein Haushalt könne so durchschnittlich leicht 50 Prozent des Strombedarfs über das Jahr mit der PV-Anlage decken. Gleichzeitig könnten teilweise noch viel größere Anlagen errichtet werden und der Strom ins Netz gespeist beziehungsweise im Zuge einer Energiegemeinschaft mit der Nachbarschaft geteilt werden.

Produktionshallen für Solarpanele
ORF/Christian Öser
Nicht nur auf großen Freiflächen auf dem Land, sondern auch in der Stadt können PV-Anlagen vielfältig installiert werden

Versiegelte Flächen nutzen

Auch das Nutzen bereits versiegelter Flächen stellt für PV ein großes Potenzial dar und kann vielfältig in den Alltag eingebaut werden: „Grundsätzlich eignen sich alle Flächen, die der Sonne ausgesetzt sind“, so Hubert Fechner, Obmann der Technologieplattform Photovoltaik (TPPV), gegenüber wien.ORF.at. Bereits versiegelten Flächen den Zusatznutzen der PV zu geben, sei das Optimum.

Als Beispiele nennt Fechner etwa im Verkehrssektor die Überdachung von Geh- und Radwegen sowie Autobahnen und Schallschutzwände. Im Bereich der Landwirtschaft biete die Agrar-PV – also die Verbindung von Landwirtschaft und Energieproduktion – auf Freiflächen großes Potenzial.

Aber auch im urbanen Bereich kann PV vielfältig eingesetzt werden. Durch die Überdachung und Gestaltung von neuen Räumen, Flächen und Plätzen in der Stadt könne PV zudem als Maßnahme gegen Überhitzung dienen: „Zum Beispiel die Möglichkeit, Dachräume für PV-Dachgärten zu nutzen.“ Derartige solidarische Dachgärten seien nicht nur aus energetischer Sicht sinnvoll, sondern auch mit diversen sozialen Effekten verbunden.

Nur noch Zeit bis 2030

Daniel Huppmann, Klima- und Energieforscher am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, sieht in der schleppenden Nutzung versiegelter Flächen ein politisches Versäumnis: „Es ist ein eindeutiges Versagen der Bürgermeister und Landeshauptleute, dass nicht bereits jetzt auf jedem Supermarktparkplatz verpflichtend PV-Dächer errichtet werden müssen.“

PV-Module auf Privathäusern seien natürlich ein wichtiger Schritt zur Energiewende, aber sie seien wesentlich teurer und weniger effizient als Großanlagen, die leicht auf bereits versiegelten Flächen errichtet werden könnten.

Der Einbindung der Bevölkerung steht allerdings der Zeitdruck entgegen. „Man wird mit der Neuerrichtung von PV und Windkraft Fakten schaffen müssen“, so Huppmann weiter. Das Mitspracherecht auf lokaler Ebene sei wichtig, aber Projekte müssten schneller in die Umsetzung kommen: „Fünf Jahre für Planung und Genehmigungsverfahren bei jedem Windrad, diese Zeit haben wir nicht.“

Vorbehalte gegenüber Windparks und PV-Anlagen würden oft von Menschen angefeuert, die den menschlichen Einfluss auf die Erderhitzung leugnen oder Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen verzögern wollen, erklärt der Klima- und Energieforscher. „Es spricht aus technischer und wirtschaftlicher Sicht nichts dagegen, dass sich die Ausbauziele bis 2030 ausgehen können.“ Beim politischen Willen sehe das anders aus: „Derzeit bleiben alle Bundesländer hinter ihren Möglichkeiten zum Ausbau der Erneuerbaren zurück.“

Auch Frage der Effizienz

Hinzukommt außerdem, dass neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch Maßnahmen gesetzt werden müssen, um die Energieeffizienz zu steigern. „Besonders der Verkehrssektor ist zu beachten. E-Autos benötigen einen Bruchteil der Energie im Vergleich zu Verbrennerautos. Aber eine Eins-zu-Eins-Umstellung würde die Netze wohl überlasten“, so Huppmann. Es sei daher wichtig, den öffentlichen Verkehr auszubauen und Möglichkeiten zur sanften Mobilität – wie den Radverkehr – zu einer komfortablen und sicheren Alternative auszubauen.

In Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2040, also die österreichweiten Treibhausgasemissionen quasi auf null zu setzen, sieht TU-Professor Haas vor allem in der Industrie den Knackpunkt: „In der Industrie ist auch das Problem, dass Effizienzsteigerungen mit Subventionen schwierig sind.“ Wenn eine große Subvention für ein Unternehmen vergeben werde, das danach pleitegehe, sei die Subvention für die Öffentlichkeit komplett umsonst.

Alles in allem blickt Haas vorsichtig optimistisch in die Zukunft: „Bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, das können wir mit Anstrengungen erreichen.“ Zur Klimaneutralität bis 2040 wollte der Professor noch keine Aussage treffen, dazu sei es noch zu früh. „Es braucht aber deutlich größere Anstrengungen, als derzeit unternommen werden.“