Feuerwehreinsatz im Bezirk Deutschlandsberg
APA/BFV Deutschlandsberg
Südösterreich

Grundwasser bereitet anhaltende Probleme

Die meisten Pegel in den Unwetterregionen in Kärnten und der Steiermark sinken wieder, doch der Grundwasserspiegel wird noch über Wochen hoch bleiben. Das fordert die Helferinnen und Helfer: „Einen Keller auszupumpen, während der Grundwasserspiegel so hoch ist, ist eine Sisyphusarbeit. Denn sobald das Wasser abgepumpt ist, fließt neues nach“, so der Kärntner Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner (SPÖ). Andernorts sind hingegen Hunderte Hangrutschungen das große Problem. Sie sorgen weiterhin für erhebliche Gefahren.

Auch wenn sich das Wetter langsam bessert, drohen noch tagelang Erdrutsche in den betroffenen Gebieten. Grund sind die enorm hohen Grundwasserspiegel und völlig aufgeweichte Böden, so Fachleute. Der Glanfluss, der vom Bezirk St. Veit kommend auch durch die Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt fließt, hat am Wochenende die Marke für ein zehnjährliches Hochwasser überschritten. Der Pegel stieg am Montag sogar noch leicht an. Zum Vergleich: Vor einem Monat flossen am Messpunkt in Klagenfurt fünf Kubikmeter Wasser pro Sekunde ab – am Montag waren es mit 46 Kubikmeter mehr als neunmal so viel.

Das sorgt vor allem im Westen von Klagenfurt für Probleme. Schon bei geringeren Regenmengen gibt es oft Wassereintritte in Keller und Tiefgaragen. Für die Feuerwehren bedeutet das Arbeit rund um die Uhr, ein arbeitsintensiver Prozess, „der aber nicht wirklich wirksam ist. Wir machen das aber trotzdem“, so Fellner.

Kanalisation überlastet

Der hohe Grundwasserspiegel und die Pumparbeiten haben auch dazu geführt, dass die Kanalisation in Klagenfurt stellenweise überlastet war. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden deshalb am Sonntag sogar dazu aufgerufen, den Abwasserverbrauch zu reduzieren und Geschirrspüler sowie Waschmaschinen erst nach dem Wochenende in Betrieb zu nehmen.

Weitere Evakuierungen in Kärnten

Die Lage in den Überschwemmungsgebieten Südösterreichs bleibt instabil. Der Regen hörte zwar auf, doch nachströmendes Wasser und rutschende Hänge sorgten für neue Feuerwehreinsätze. In St. Veit an der Glan (Kärnten) gab es Sonntagabend weitere Evakuierungen. Die Pegel der Flüsse in der Steiermark sinken indes.

„Eine Prognose wage ich heute nicht“, sagte Norbert Sereinig, der Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft am Amt der Kärntner Landesregierung. Bis wieder ein normaler Pegelstand erreicht ist, werde es aber jedenfalls mehrere Wochen dauern.

Nasses Erdreich führt zu Rutschungen

An den Hängen in Unterkärnten und in der Steiermark blieb am Montag hingegen die Erdrutschgefahr das größte Problem. „Bei den Hängen ist das Problem, dass sie völlig durchnässt sind und zu rutschen beginnen“, erklärte Günther Weichlinger von der Abteilung Umwelt, Naturschutz und Klimaschutzkoordination. Maßnahmen könnte man nur teilweise setzen, wie etwa Wasser, das von oben in die Hänge rinnt, vorbeizuleiten. Ansonsten könne man nur auf eine Wetterbesserung hoffen.

Laut Gerd Kurath vom Landespressedienst Kärnten kamen zu den 80 größeren Hangrutschungen, die bereits begutachtet seien, zahlreiche kleinere. Insgesamt gebe es Hunderte, und laufend kämen neue hinzu. Einen Erdrutsch gab es etwa beim Stift St. Paul im Lavanttal, berichtete der „Kurier“: Teile einer Mauer rund um den Stiftsgarten seien abgebrochen, Personen aber nicht gefährdet.

Motorbootverbot am Wörthersee

Ein Hotspot ist nach wie vor die Wörthersee-Ostbucht, die unter Wasser steht und unterspült sein könnte. Der Bereich um das größte Binnenstrandbad Europas wurde behördlich gesperrt. Am Montag wurde auch mit sofortiger Wirkung ein Motorbootverbot am Wörthersee verhängt. Begründet wird das damit, dass zahlreiche Stege und andere Hindernisse durch den hohen Pegel unter Wasser liegen und damit von den Booten aus nicht zu erkennen sind.

Kritik gab es am Montag von Anrainerinnen und Anrainern in Poppichl, deren Häuser entlang der Glan komplett unter Wasser standen. Das Rückhaltebecken im Zollfeld soll nicht rechtzeitig aktiviert worden sein. Vom Wasserverband hieß es, das Problem wäre dadurch nicht kleiner geworden. Das müsse mit anderen Maßnahmen bekämpft werden – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Weitere Evakuierungen

Die meisten Zivilschutzwarnungen in Kärnten waren am Montagvormittag weiter aufrecht, nur für die beiden Lavanttaler Gemeinden St. Paul und St. Georgen wurden sie bereits aufgehoben. Betroffen waren vor allem Gemeinden im Bezirk Völkermarkt, dazu der Klagenfurter Stadtteil Viktring sowie Keutschach. Zivilschutzalarm gab es nach wie vor für Loibach (Gemeinde Bleiburg) – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Sonntagabend und Montagfrüh mussten erneut Gebäude evakuiert werden, etwa in St. Veit an der Glan und Maria Saal. Die Interspar-Filiale in der Klagenfurter Rosentaler Straße musste vorübergehend evakuiert werden, weil der Keller überschwemmt und die Stromversorgung unterbrochen war – mehr dazu in kaernten.ORF.at

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Überfluteter Weg in Kärnten
APA/Wolfgang Jannach
Noch immer ist die Lage angespannt, die Gegend um Maria Saal in Kärnten war stark betroffen
Im Rahmen eines Hilfseinsatzes des Bundesheeres werden zwei Stromaggregate mit einem „Black Hawk“ in Illmitzen transportiert
APA/BUNDESHEER/Arno Melicharek
Der Strom kommt aus der Luft: Das Bundesheer brachte Aggregate per Hubschrauber nach Illmitzen in Kärnten
Aufräumarbeiten nach Hochwasser in Kärnten
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Die großen Regenmengen fielen über das Wochenende. Vielerorts wird nun mit den Aufräumarbeiten begonnen.
Eine Frau im überschwemmten Garten ihres Hauses bei Grafenstein
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Zahllose Menschen sind betroffen, ihr Hab und Gut ist oftmals zerstört
Überschwemmungen im Bezirk Deutschlandsberg
APA/BFV Deutschlandsberg
Das Kanalnetz ist mancherorts völlig überlastet
Wirtschaftsgebäude St. Johann im Saggautal nach Murenabgang
ORF
Die Zerstörungen nach mehreren Tagen durchgehenden Regens sind enorm. Hier: eine Mure in St. Johann im Saggautal.
Schäden nach Murenabgang in Sankt Johann im Saggautal, Steiermark
IMAGO/Bernd März
Schäden nach Murenabgang in Sankt Johann im Saggautal in der Steiermark
Eine Mure auf der Seebergstrasse vor dem Seebergsattel
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Vielerorts geben die Hänge nach. Auf dem steirischen Seebergsattel verschüttete eine Mure die Straße.
Feuerwehrleute beim Aufbau eines Schutzdamms mit Sandsäcken gege die über die Ufer getretene Mur
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Feuerwehr, Bundesheer und Hilfsorganisationen sind seit Tagen im Einsatz
Eine Luftaufnahme in Gnas
APA/Feuerwehr Gnas
Im steirischen Gnas wurden zahlreiche Häuser überflutet
Luftaufnahme des Freibads in Leibnitz
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Das Freibad in Leibnitz wurde großflächig überschwemmt
Eine überschwemmte Brücke über die Sulm
APA/Erwin Scheriau
Die Sulm trat über die Ufer und überschwemmte die Gegend
Wasser fließt in Viktring bei Klagenfurt aus einem Garten auf die Straße
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Auch in Kärnten, hier Viktring bei Klagenfurt, war die Lage am Wochenende angespannt

Nahe St. Veit an der Glan musste am Sonntag das erste Todesopfer der Hochwasserkatastrophe in Südösterreich beklagt werden. Ein Mann aus dem Bezirk St. Veit war auf dem gesperrten Glanradweg zwischen Raggasaal und Karnburg unterwegs gewesen, als er vom Wasser in den Fluss gerissen wurde. Er konnte nach einer Suchaktion nur noch tot geborgen werden – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Kaiser: „Leider eine neue Ära“

Am Montagvormittag tagten einmal mehr die Krisenstäbe. Die Gefahr werde noch zumindest bis Dienstag anhalten, hieß es danach in Kärnten. Befürchtet wurden neue Niederschläge. „Auch kleinere Einträge in die aufgeweichten Hänge könnten zu Folgeschäden führen“, sagte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ).

Kaiser appellierte am Montag auch an den Bund, wegen der steigenden Unwettergefahr die Katastrophenschutzmittel aufzustocken: „Die Länder und Gemeinden werden es alleine nicht schaffen, es bricht leider eine neue Ära an.“ Er werde sich auch um Geld aus dem EU-Solidaritätsfonds bemühen, das für den Einsatz nach „Major Disasters“ – so der Fachausdruck – ausbezahlt wird. Davon abgesehen soll in Kärnten rasch Geld aus einem Soforthilfefonds für die vom Hochwasser Betroffenen fließen.

Pegelstände österreichischer Gewässer, Stand 7. August. Mehr Informationen per Klick.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte am Montag, der Katastrophenfonds sei „ausreichend dotiert“. Der finanzielle Schaden sei aber noch nicht abschätzbar. Schadenskommissionen der Länder und Gemeinden müssten den Bedarf erheben. Karner dankte den im Einsatz stehenden Polizistinnen und Polizisten sowie den Männern und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr. Polizistinnen und Polizisten, die bei den Freiwilligen Feuerwehren im Hochwassereinsatz stehen, erhalten Sonderurlaub.

Unterstützung erhalten die Feuerwehren vom Bundesheer. In Kärnten sind aktuell 130 Soldatinnen und Soldaten im Assistenzeinsatz, in der Steiermark waren es über das Wochenende 120. Mit einem Blackhawk-Hubschrauber wurden Stromaggregate und Strommasten für den Kärntner Landesenergieversorger KELAG zu abgeschnittenen Ortschaften geflogen, um dort die Stromversorgung wiederherzustellen.

Katastrophenbeihilfe im Burgenland

Im Burgenland wurde die Katastrophenhilfe durch das Bundesheer unterdessen beendet. Seit Freitag standen vor allem im Raum Güssing bis zu 139 Soldatinnen und Soldaten im Assistenzeinsatz, hieß es in einer Aussendung. Sie unterstützten die örtlichen Feuerwehren beim Errichten von Hochwassersperren und beim Befüllen von Sandsäcken – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Betroffenen im Burgenland wurden seitens des Landes Zahlungen aus der Katastrophenbeihilfe für die Behebung von Schäden in Aussicht gestellt. „Existenzen sind von einem Tag auf den anderen bedroht“, sagte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Montag. Er erinnerte an die 2019 erfolgte Anhebung der Fördersumme für Privathaushalte auf maximal 70.000 Euro.

Steiermark: Pegelstände der Flüsse sinken

Leichte Entspannung zeichnete sich in den Hochwassergebieten der Süd- und Südoststeiermark ab, zumindest was die Pegelstände der Flüsse betrifft. Der Pegelstand der Sulm im Bereich Leibnitz ging stark zurück. Alle Pegelstände an der Mur sinken laut Aussendung des Landes, der Pegel in Mureck ist mittlerweile auf Warnstufe Gelb und nicht mehr Rot, Tendenz weiter fallend – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Am Sonntagabend war aber in den gesamten Bezirken Leibnitz und Südoststeiermark der Katastrophenfall festgestellt worden. Für diese beiden Bezirke sowie für den Bezirk Deutschlandsberg war die Zivilschutzwarnung am Montag immer noch aufrecht.

Größere Probleme machte auch hier das aufgeweichte Erdreich – mehr dazu in steiermark.ORF.at. Rund 400 abgerutschte Hänge verzeichnete das Land in den Katastrophengebieten, 82 Menschen mussten seit Freitag aus ihren Wohnhäusern in Sicherheit gebracht werden. In der Nacht auf Sonntag ging etwa im Ortszentrum von St. Johann im Saggautal im Bezirk Leibnitz eine Mure ab – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Trinkwasserversorgung beeinträchtigt

In der Ortschaft Gnas sorgten die Überflutungen indes für Probleme bei der Trinkwasserversorgung. Die Freiwillige Feuerwehr Pöllau transportierte 42.000 Liter Trinkwasser in das betroffene Gebiet. In Kitzeck bedroht ein Hangrutsch die Wasserversorgung. Auch das Abwasser ist ein Problem. „Unsere Kläranlage ist nur zum Teil einsatzfähig, und wir haben bei der Rutschung einen Teil des Hauptkanals verloren“, sagte der Kitzecker Bürgermeister Josef Fischer – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Situation in Kärnten und der Steiermark

ORF-Kärnten-Reporter Bernd Radler erläutert die Situation in in Poppichl in der Gemeinde Maria Saal und aus Heimschuh im Bezirk Leibnitz in der Steiermark berichtet ORF-Reporter Peter Stacher.

Die steirische Wirtschaftskammer und die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) wollen den von Unwetter und Überschwemmungen betroffenen Betrieben mit einer Soforthilfeaktion unter die Arme greifen. Das AMS Steiermark bietet betroffenen Gemeinden ebenfalls Unterstützung an: „Über eine gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung können angestellte Personen rasch bei den notwendigen Aufräumarbeiten helfen“, hieß es.

Neue Niederschlagshöchstwerte

Nach Angaben von GeoSphere Austria wurden in den vergangenen Tagen teils neue Höchstwerte bei den Niederschlagsmengen gemessen. „In einigen Regionen von Kärnten und der Steiermark regnete es in den letzten fünf Tagen, von Donnerstag in der Früh bis Montag in der Früh, mehr als in einem durchschnittlichen gesamten August“, so Klimatologe Hans Ressl von GeoSphere Austria. Auch sonst regnete es stellenweise mehr als die Hälfte einer durchschnittlichen August-Menge.

In Bad Eisenkappel (Kärnten) hat es in diesem August bereits 269 Liter pro Quadratmeter geregnet. Das ist schon jetzt mehr als beim bisherigen Höchstwert für die größte Regenmenge in einem gesamten August. Der alte Rekord stammt mit 259 Liter pro Quadratmeter aus dem August 2014. Die Messstation besteht seit knapp 60 Jahren. In Loibl wurden 298 Liter in den vergangenen fünf Tagen gemessen – und das bei einem Monatsdurchschnitt von 184 Liter pro Quadratmeter.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.