Seit Donnerstagabend stehen Tausende Freiwillige im Einsatz. Zunächst wurde evakuiert und gesichert, nun wird geschaufelt und ausgepumpt. Zwar sinken nach dem Starkregen die Wasserpegel, und das Hochwasser geht zurück, doch weiterhin sind Hangrutsche möglich. Die Arbeiten werden durch den hohen Grundwasserspiegel erschwert, hieß es zuletzt aus Kärnten und der Steiermark. Die Einsatzkräfte, die im Dauereinsatz sind, seien am Limit.
Aber das Krisen- und Katastrophenmanagement hierzulande basiert unter anderem auf dem Freiwilligenprinzip. Tritt eine Katastrophe ein, rücken auch Freiwillige aus. So sind im Süden Österreichs seit Freitag neben dem Bundesheer und den Rettungsorganisationen, etwa dem Roten Kreuz, auch mehr als 16.600 Feuerwehrleute im Einsatz. Mehr als 6.300 Einsätze wurden seit Freitag gezählt. Es werden allerdings noch einige hinzukommen, weil die Aufräum- und Sicherungsarbeiten noch lange nicht abgeschlossen sind.
Hohes Engagement bei Freiwilligen Feuerwehren
„Ohne die Tausenden Personen, die sich freiwillig engagieren, geht es nicht“, sagte Andreas Rieger vom Bundesfeuerwehrverband. Von den insgesamt 4.800 Feuerwehren sind fast 4.500 freiwillig, daneben gibt es etwas mehr als 300 Betriebs- und sechs Berufsfeuerwehren. Laut dem Bundesfeuerwehrverband versehen 99 Prozent der Mitglieder ihren Dienst freiwillig. In Kärnten engagieren sich 24.727 Männer und Frauen, in der Steiermark sind es 51.839. Insgesamt wurden 2022 rund 350.000 Feuerwehrmitglieder gezählt.
„Die Zahl der Mitglieder steigt“, sagte Rieger im Gespräch mit ORF.at. Der Anteil der Frauen liegt zwar unter zehn Prozent. „Aber was uns besonders freut: 60 Prozent der Neuaufnahmen 2022 waren weiblich“, sagte der Pressesprecher des Bundesfeuerwehrverbandes.
Die Motive für das freiwillige Engagement seien vielfältig: Zum einen gehe es um das Helfen in der lokalen Umgebung, zum anderen aber auch um das soziale Miteinander. „Vom 16-jährigen Automechaniker bis zum 70-jährigen Anwalt sind alle dabei“, sagte Rieger.
Über ein mangelndes Engagement in der Bevölkerung könnten sich die Feuerwehren nicht beklagen. Auch im Nachwuchs steigen die Zahlen der Mitglieder. Größere Probleme bereiten aber die Klimakrise und die hohe Inflation, sagte Rieger mit Blick auf künftige Unwetter. „Wir sehen, dass es zu immer mehr größeren Einsätzen kommt und wir mehr Kräfte bündeln müssen. Gleichzeitig sind wir von der Teuerung betroffen.“
Große Herausforderung Klimakrise
Es ist nicht das erste Mal, dass Tausende Freiwillige ausrücken müssen, um zu helfen. Fachleute sind sich einig, dass die Klimakrise die Gefahr von Extremwetter erhöht. Zwar lassen sich einzelne Ereignisse nicht auf eine bestimmte Ursache zurückführen, laut dem Weltklimarat ist aber klar: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener. Das bedeutet mehr Einsätze für Wehren und Co.
Freiwillige und Freistellung
Laut Arbeiterkammer haben Freiwillige einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie mit dem Arbeitgeber eine Dienstfreistellung vereinbaren. Unter gewissen Bedingungen erhalten Unternehmen, die freiwillige Helfer und Helfer im Katastrophenfall von der Arbeit freistellen, Anspruch auf eine Entschädigung von 200 Euro pro Tag aus dem Katastrophenfonds.
Klimaexperte Daniel Huppmann nannte ein „klassisches Genua-Tief“ als Auslöser für den aktuellen Starkregen. Das sind Tiefdruckgebiete, die sich über einen Kaltluftvorstoß über dem Mittelmeer bilden, bei dem die wärmere und feuchte Luft so zum Aufsteigen gebracht wird. Warum die Klimakrise die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass derartige Tiefs solche Folgen haben, sei einer einfachen physikalischen Tatsache geschuldet: „wärmere Luft kann mehr Wasserdampf halten“ – und dass die Luft wärmer wird, ist eine Folge der Erderhitzung.
Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst sagte im „Spiegel“: „Das Wasser des Mittelmeers hat durch eine wochenlange Hitzeperiode Extremtemperaturen erreicht.“ Die Wolken hätten sich laut Friedrich mit dem verdunsteten Wasser vollsaugen können. Die Feuchtigkeit sei dann an den Alpen wieder abgeladen worden. Auch der deutsche Experte sagte: „Solche Starkregenereignisse fallen durch den Klimawandel extremer aus.“
Freiwillige Helfer und Arbeitsrecht
Seit 1. September 2019 haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wegen eines Einsatzes als freiwilliges Mitglied einer Katastrophenhilfsorganisation, eines Rettungsdienstes, einer freiwilligen Feuerwehr oder eines Bergrettungsdienstes an der Dienstleistung verhindert sind, unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber.
Mehr Mittel wegen „vermehrt auftretender Wetterextreme“
In Kärnten hatte es allein im Juli 3.926 Unwettereinsätze gegeben – also fast so viele wie im gesamten Jahr 2022. Im Juli fegte ein Sturm über die südlichen Landesteile und richtete gewaltigen Schaden an. In der Steiermark zählte man im vergangenen Jahr hingegen 2.660 Pump- und Unwettereinsätze – heuer waren es 5.040 (im Jahr 2020 rückte man zu 4.200 Unwettereinsätzen aus). Hinzu kommen noch Tausende Brandeinsätze, die trotz Unwetter noch bewältigt werden müssen.
„Unser großer Vorteil ist, dass die Wehren dicht und engmaschig im ganzen Land aufgestellt sind“, sagte Rieger. Die örtlichen Kräfte seien in Alarmbereitschaft und könnten sofort ausrücken. Betrifft ein Einsatz mehrere Gemeinden, helfen sich die Wehren untereinander. Auch über die Bundesländergrenzen hinweg gebe es Kooperationen wie etwa in den aktuellen Fällen in Südösterreich, bei denen auch Wehren aus den anderen Ländern helfen. Diese Einsätze werden laut Rieger häufiger.
Die Einsätze kosten allerdings. Das Material wird zum Teil über Spenden und andere Einnahmen finanziert. Über Feuerschutzsteuer und Katastrophenfonds fließt weiteres Geld über die Länder an die Feuerwehren. Doch seit 2013 liegt der Deckel bei 95 Mio. Euro. „Vor dem Hintergrund vermehrt auftretender Wetterextreme“, wie es in einem aktuellen Papier heißt, fordern die Feuerwehren den Bund auf, den Deckel auf 140 Mio. Euro zu erhöhen. Der „Standard“ berichtete ebenfalls über die Forderung.
Wertschätzung in der Bevölkerung
Zuletzt berichteten Medien, dass Einsatzkräfte zum Teil beschimpft wurden. Der Kärntner Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner (SPÖ) berichtete, dass die Wasserrettung bei einem Einsatz im Kärntner Lavanttal angepöbelt worden sei, weil diese den Fahrradweg benutzte, um zum Einsatzort zu kommen. Auch Feuerwehrleute seien beschimpft worden, als sie die Bevölkerung über die neuen Sicherheitsmaßnahmen informierten.
Die Wertschätzung in der Bevölkerung sei sehr hoch, meinte Rieger vom Bundesfeuerwehrverband. Am Einsatzort könne es emotional werden. „Für Betroffene ist es ja eine sehr schwierige Situation, wenn sie zum Beispiel ihr Zuhause verlieren“, sagte der Feuerwehrmann. Man spüre den Rückhalt in der Bevölkerung. Aus der Politik erhalte man auch ständig wertschätzende Worte. Dabei gelte aber ein überliefertes Zitat eines ehemaligen Landesfeuerwehrkommandanten: Die Wertschätzung steigt mit dem Wasserpegel.