Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
„Progressionsbericht“

3,65 Mrd. werden 2024 zurückbezahlt

Durch die im Vorjahr beschlossene Abschaffung der kalten Progression bekommen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Jahr 2024 3,65 Milliarden Euro zurück. Das geht aus dem am Dienstag von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) präsentierten, von IHS und WIFO erstellten Progressionsbericht hervor.

Die Grenze für steuerpflichtige Einkommen wird im kommenden Jahr bei rund 12.500 Euro liegen. Offen ist noch, wie mit dem variablen Drittel der zu retournierenden Gelder vorgegangen wird.

Dass man diese schleichende Steuererhöhung abgeschafft habe, sei ein „historisches Ereignis“ gewesen, so Brunner bei der Präsentation. Alle Tarifgrenzen mit Ausnahme des Spitzensteuersatzes steigen damit entsprechend der Inflationsrate – zugrunde gelegt wurden hier 9,9 Prozent, hieß es weiter.

IHS-Direktor: Vollkommen vernünftig

IHS-Direktor Holger Bonin lobte das österreichische Modell. Es sei hier etwas gelungen, woran man bisher in Deutschland gescheitert sei, so der deutsche Arbeitsmarktökonom. Ökonomisch betrachtet sei ein solcher automatischer Ausgleich vollkommen vernünftig, so Bonin, denn dadurch werde ein Übergewinn für den Staat vermieden und dafür gesorgt, „dass die öffentliche Hand in Österreich sich nicht zulasten der Bevölkerung bereichert“.

Statement von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP)

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zum Thema „Kalte Progression abgeschafft – Präsentation Progressionsbericht“.

In Zeiten hoher Inflation sei ein solcher Ausgleichsmechanismus umso wichtiger, so Bonin weiter. Kumuliert gehe es bis 2027 um die Rückgabe von 8,8 Milliarden Euro (davon angesichts sinkender Inflationserwartungen zwei Mrd. Euro im Jahr 2025, 1,7 Mrd. 2026 und 1,4 Mrd. Euro 2027). Wichtig sei auch der Handlungsspielraum, also die Möglichkeit der Politik, mit einem Drittel Schwerpunkte setzen zu können.

Zwei Möglichkeiten für letztes Drittel

Bonin sieht zwei Szenarien, wie die Politik mit diesem Drittel umgehen könnte. Einerseits biete sich die steuerliche Entlastung der untersten Tarifstufen an, weil die Inflation Menschen mit weniger Einkommen stärker betreffe (Stichwort: Ausgaben für Wohnen, Energie und Lebensmittel). Außerdem böte das einen Ausgleich für pauschal ausgerollte Teuerungsausgleichsmaßnahmen, von denen auch die Reicheren profitiert hätten.

Auch für die Sozialpartner könnte das ein Signal für die Tarifverhandlungen sein, denn das könnte die Notwendigkeit einer sozialen Ausgleichskomponente reduzieren, was wiederum den Rückgang der Inflationsrate zu beschleunigen verspreche.

Auch Anreiz für mehr Vollzeitarbeit möglich

Sinnvoll wäre aus Sicht des IHS-Chefs aber auch, die Grenzbelastung im mittleren Einkommensbereich zu senken und damit einen Anreiz für mehr Vollzeitarbeit zu schaffen. Die dritte Steuerstufe von 41 Prozent (ab 2024: 40 Prozent) werde in Österreich bereits bei 32.000 Euro Jahreseinkommen erreicht. In Deutschland seien 42 Prozent (abgesehen von der „Reichensteuer“) bereits der Spitzensteuersatz, und das erst bei Einkommen von gut 60.000 Euro.

Gesetzliche Regelung soll im Herbst kommen

Brunner stellte in Aussicht, diese beiden Varianten nun mit den Grünen als Koalitionspartner zu besprechen und im Herbst eine gesetzliche Regelung zu präsentieren. Beide Varianten seien interessant, so Brunner. Sollte es zu keiner Einigung kommen, würde die 9,9-prozentige Anpassung ohne weitere Schwerpunktsetzung über den gesamten Steuertarif erfolgen, so der Finanzminister weiter.

Die Grünen zeigten eine deutliche Präferenz für den sozialen Ausgleich. „Unsere Priorität muss dabei sein, dass das sogenannte ‚dritte Drittel‘ denjenigen zugutekommt, die es gerade am dringendsten brauchen“, so Budget- und Steuersprecher Jakob Schwarz in einer Aussendung. „Da die Teuerungskrise Menschen mit weniger Einkommen besonders stark belastet, ist es essenziell, dass wir diese Mittel dafür verwenden, dass alle mit geringem Einkommen auch auskommen können.“

Kritik kam am Mittwoch von der SPÖ. „Der Finanzminister präsentiert sich heute einmal mehr als großer Gönner – und das, während er aufgrund der massiven Teuerung allein bis Juni Mehreinnahmen in Höhe von 1,8 Mrd. Euro aus der Umsatzsteuer verzeichnen kann. Das ist unehrlich“, so Kai Jan Krainer, SPÖ-Sprecher für Budget und Finanzen. Die wichtigste Aufgabe der gesamten Regierung sei es, endlich die Preise und die Inflation nachhaltig zu senken.

FPÖ sieht „Schönfärberei“

Die FPÖ kritisierte Brunner scharf und sprach von Schönfärberei. „Es ist für diese schwarz-grüne Regierung bezeichnend, wenn wie heute eine eindeutige Schönfärberei betrieben wird“, so FPÖ-Budget- und -Finanzsprecher Hubert Fuchs Dienstag in einer Aussendung.

Die Freude des Finanzministers über die nur teilweise abgeschaffte kalte Progression liege wohl eher darin begründet, dass Brunner die damit entgangenen Steuerzahlungen woanders einkassiere, hieß es weiter. Über ein Drittel der Inflationsrate könne der Finanzminister nach seinem Gutdünken verfügen. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, so Fuchs.

Kritisch auch die Position von NEOS: „Das letzte Drittel auf die unteren Tarifstufen zu legen wäre wieder eine Vertiefung der Teilzeitfalle. Wir haben die Hauptlast bei den Durchschnittsverdienern, die für jede Gehaltserhöhung 18 Prozent Sozialversicherung und 41 Prozent Lohnsteuer zahlen. Das ist nicht gerecht“, kritisierte NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker.

Momentum Institut stellt Verteilungsmodell vor

Das arbeitnehmernahe Momentum Institut hatte bereits vor der Präsentation betont, wie es sich die Verteilung des variablen Teils vorstellt. Wie im Vorjahr wolle man einen sozialen Ausgleich, hieß es in einer Aussendung. Konkret sollten damit die Absetzbeträge über die Inflationsrate hinaus um 17 Prozent steigen und die erste und zweite Lohn- und Einkommensteuerstufe um die volle Inflationsrate von 9,9 Prozent. Alle Steuerstufen darüber blieben unangetastet, weil davon ausschließlich Besserverdienerinnen und -verdiener profitierten.