Russische Fahnen und Plakate auf einer Demonstration in Niamey
Reuters
Wagner weiter aktiv

Warnung vor Moskaus langem Arm in Niger

Mit dem Putsch in Niger wurde das letzte einigermaßen stabile Land in der Sahelzone ins Chaos gestürzt. Dass bei Demonstrationen für die Putschisten auch russische Flaggen zu sehen waren, nährt Befürchtungen, Moskau könnte auch in Niger – wie in den Nachbarstaaten – seinen Einfluss ausbauen. Bisher tat der Kreml das über die Söldnergruppe Wagner. Deren Aufstand gegen Moskau scheint dem Afrikaengagement der Gruppe keinen Abbruch zu tun – im Gegenteil.

Eigentlich sollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in Belarus sein. Nach dem gescheiterten Marsch auf Moskau Ende Juni wurde er – gemeinsam mit Tausenden seiner Kämpfer – vom Kreml quasi ins Nachbarland ins „Exil“ geschickt. In den Staatsmedien versuchte man, mit Details über sein Privatleben seinen politischen Ruf zu zerstören.

Doch als Handlanger des Kreml in Afrika wird Prigoschin offenbar gebraucht, hieß es etwa in einem Bericht des United States Institute of Peace (USIP), eines staatlichen US-Thinktanks. Auch das „Wall Street Journal“ schrieb, offenbar habe der Machtkampf in Russland damit geendet, dass Präsident Wladimir Putin den Wagner-Chef angewiesen habe, sich auf Afrika zu konzentrieren.

Beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg war Prigoschin zur Überraschung vieler zu sehen. Bilder zeigten ihn mit Vertretern der Zentralafrikanischen Republik – in dem Land hat die Wagner-Truppe wohl den größten Einfluss.

Blinken warnt vor Wagner

Doch auch für Niger wachsen die Befürchtungen: US-Außenminister Antony Blinken sagte der BBC, die USA seien besorgt über das Auftauchen der Wagner-Gruppe in Teilen der Sahelzone. Die Söldnertruppe nutze die Instabilität in Niger aus. Er glaube nicht, dass Russland oder Wagner den Putsch in Niger angezettelt hätten, „sie haben versucht, daraus einen Vorteil zu ziehen“. „Überall, wo diese Wagner-Gruppe hinkam, gab es Tod, Zerstörung und Ausbeutung“, so Blinken.

Der gestürzte Präsident Nigers, Mohamed Bazoum, hatte bereits vergangene Woche in einem Gastkommentar in der „Washington Post“ vor dem wachsenden russischen Einfluss gewarnt: „Mit einer offenen Einladung der Putschisten und ihrer regionalen Verbündeten könnte die gesamte zentrale Sahelzone über die Wagner-Gruppe, deren brutaler Terrorismus in der Ukraine zur Schau gestellt wurde, dem russischen Einfluss unterliegen.“

Derzeit ist unklar, ob sich Wagner-Kämpfer im Land befinden. Aber der mit Wagner verbundene Telegram-Kanal Grey Zone erklärte laut BBC am Montag, dass etwa 1.500 Kämpfer kürzlich nach Afrika geschickt worden seien. Wohin, blieb allerdings offen. Prigoschin forderte die Putschisten in einer Sprachnachricht, die am Dienstag auf Telegram verbreitet wurde, auf, „uns anzurufen“.

Nächster Dominostein nach Mali und Burkina Faso?

In einem Bloomberg-Kommentar, der in der „Washington Post“- veröffentlicht wurde, wurde darauf hingewiesen, dass seit 2020 in fast allen Ländern der Sahelzone ein Putsch stattfand. Und dass die Wagner-Gruppe diese dazu nutze, um ihren Einfluss auszubauen – allen voran in Mali und Burkina Faso. Folge Niger dem Beispiel der beiden Länder, würden als nächster Schritt französische und US-Truppen, die in Niger eine Drohnenbasis betreiben, aus dem Land geworfen. Für den Kreml gehe es laut der Analyse nicht um den Einfluss in Afrika, sondern auch um eine Destabilisierung der Region, was insbesondere Europa (Stichwort: Flüchtlingsströme) schaden würde.

Wagner Soldaten vor einem Helikopter in Mali
AP/French Military
Wagner-Söldner in Mali

China mit wirtschaftlichen Interessen

Eine Analyse von „Foreign Policy“ sieht die Gefahr einer russischen Unterwanderung in Niger weniger dramatisch. Der neue, selbst ernannten Machthaber Abdourahamane Tiani müsse wohl auf Stabilität setzen. Und ein größerer Machtfaktor in Niger sei China, immerhin zweitgrößter ausländischer Investor im Land. Peking werde wohl auch seinen Einfluss dafür nützen, dass Niger nicht ins Chaos abdriftet.

Offene Sympathien für Russland gibt es laut Medienberichten vor allem von der oppositionellen M62-Bewegung. Diese richte sich laut „Guardian“ aber vor allem gegen die frühere Kolonialmacht Frankreich. Ganz allgemein lässt sich der Putsch auch als Absage an Frankreich interpretieren: Die Unzufriedenheit sei in den vergangenen Jahren mehr und mehr gewachsen: Trotz Milliarden an Hilfsgeldern sieht die Bevölkerung keinen Fortschritt in den Lebensbedingungen, der Uranabbau im Land wird vom französischen Konzern Areva kontrolliert – oder aus Sicht vieler ausgebeutet –, und vor allem schafft es Frankreich als Schutzmacht auch nicht, der islamistischen Anschläge Herr zu werden.

Russische Fahnen und Plakate auf einer Demonstration in Niamey
Reuters
Anti-Frankreich-Proteste mit Sympathien für Russland

„Imperialismus“ und Wagner-Propaganda

Zumindest Teile der Bevölkerung glauben, Wagner könnte zumindest in Sachen Terrorismus mehr Hilfe bieten. Der „Guardian“ verwies auch darauf, dass die gezielte Desinformation durch Wagner greift. So haben Wagner-Söldner beim Massaker in Moura im Vorjahr laut UNO 500 Zivilisten getötet – die Militärjunta sprach hingegen von rund 200 getöteten Islamisten.

Und auch russische Aussagen wie jene von Prigoschin, der den Putsch in Niger als „Sieg gegen den westlichen Imperialismus“ bezeichnete, fallen auf fruchtbaren Boden – wenngleich seine Wagner-Truppe nichts anderes macht: Mit mehreren Firmen werden Bodenschätze in Afrika abgebaut, etwa in den malischen Goldminen. Aus dem Sudan soll Wagner Berichten zufolge allein zwischen Februar 2022 und Februar 2023 Gold im Wert von 1,9 Milliarden Dollar außer Landes geschmuggelt haben.

Auch ein Versagen des Westens

Der Schlüssel zum Erfolg seien die „Dienstleistungen“, die Wagner den afrikanischen Anführern anbiete, schrieb das „Wall Street Journal“. „Wagner liefert Söldner, Regimesicherheit, Gewinnbeteiligungen, Medienmanagement und Desinformationskampagnen.“ Die Söldner würden damit eine Lücke füllen, die der Westen – allen voran die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, aber auch die USA – nicht füllen kann oder will.

Bestes Beispiel ist die Zentralafrikanische Republik, die als engster Verbündeter Russlands in Zentralafrika gilt. Präsident Faustin-Archange Touadera brachte im Juni seine Beziehung zu Wagner auf den Punkt: „Ich muss die Bevölkerung schützen. Ich muss die Institutionen der Republik schützen. Ich habe alle um Hilfe gebeten, und hätte ich die Hilfe derjenigen ablehnen sollen, die uns helfen wollten?“