Das Wrack der „Sierra Madre“
APA/AFP/Ted Aljibe
Südchinesisches Meer

Bemanntes Wrack als Zankapfel

Der geopolitische Streit im Südchinesischen Meer geht wieder einmal in eine heiße Phase. Im Mittelpunkt des Konflikts steht derzeit ein vor fast 25 Jahren gestrandetes Kriegsschiff. Die Philippinen nutzen die vor sich hin rostende „BRP Sierra Madre“ als kleinen Militärstützpunkt, um ihre Gebietsansprüche deutlich zu machen. Nach Vorfällen auf hoher See vor einigen Tagen kommt nun eine scharfe Forderung Pekings an Manila.

China rief die Philippinen – nicht zum ersten Mal – auf, das Kriegsschiff aus dem Südchinesischen Meer zu entfernen. Die Philippinen hätten „wiederholt klare Versprechen gegeben, das illegal ‚gestrandete‘ Kriegsschiff abzuschleppen“, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Dienstag. Nach 24 Jahren habe Manila das Schiff noch immer nicht nur nicht entfernt, sondern „versucht, es zu reparieren und in großem Stil zu befestigen“, hieß es weiter. Manila bestreitet, entsprechende Zusagen je gemacht zu haben: Präsident Ferdinand Marcos Jr. sagte am Mittwoch, ihm sei eine solche Übereinkunft „nicht bekannt“.

Das Kriegsschiff wurde 1999 absichtlich im Gebiet der Spratly-Inseln auf Grund gesetzt, um Chinas Ausbreitung im Südchinesischen Meer Einhalt zu gebieten. Eine Handvoll philippinische Marinesoldaten ist auf dem vor sich hin rostenden Schiff stationiert und führt dort ein karges Leben, wie die „New York Times“ schon 2013 in einem großen Feature berichtete. Sie sind auf regelmäßige Versorgungsmissionen angewiesen, um an ihrem abgelegenen Standort zu überleben. Das Schiff ist seit Langem ein Zankapfel zwischen Manila und Peking.

Das Wrack der „Sierra Madre“ 2015
AP/Bullit Marquez
Eine Handvoll Soldaten sind auf dem Schiff stationiert

Scharfe Worte

China dränge die Philippinen „einmal mehr dazu, das ‚gestrandete‘ Kriegsschiff sofort vom Ren’ai-Riff abzuschleppen“, erklärte das Außenministerium in Peking unter Verwendung des chinesischen Namens für das Atoll Second Thomas Shoal. Das philippinische Außenministerium erklärte hingegen, die „dauerhafte Stationierung“ von Soldaten auf Second Thomas Shoal sei eine Antwort auf Chinas „illegale Besetzung“ des nahe gelegenen Mischief-Riffs im Jahr 1995. Das Errichten eines Militärpostens im eigenen Einflussbereich sei ein „immanentes Recht“ der Philippinen.

Eine Karte zeigt die Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer
Grafik: ORF.at/Map Resources

Second Thomas Shoal liegt etwa 200 Kilometer von der philippinischen Insel Palawan und mehr als 1.000 Kilometer von Chinas nächstgelegener Landmasse, den Hainan-Inseln, entfernt. „Um eines festzuhalten: Wir werden das Ayungin Shoal nie aufgeben“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der Philippinen, Jonathan Malaya, unter Verwendung des philippinischen Namens für das Atoll.

Versorgungsboote mit Wasserwerfer beschossen

Pekings Forderung folgt auf einen Vorfall vom Wochenende, bei dem die chinesische Küstenwache nach Angaben aus Manila mit einem Wasserwerfer philippinische Versorgungsboote auf dem Weg zur „BRP Sierra Madre“ beschossen hatte. Der chinesische Botschafter wurde nach dem Vorfall ins Außenministerium der Philippinen zitiert, hieß es in einer Mitteilung am Montag.

Dabei habe das Ministerium darauf gedrängt, dass China seine Schiffe auffordere, ihre „illegalen Handlungen gegen philippinische Schiffe einzustellen und legale philippinische Handlungen nicht zu stören“.

Zwischenfall im Südchinesischen Meer

Nach dem Beschuss philippinischer Boote mit Wasserkanonen durch Schiffe der chinesischen Küstenwache im Südchinesischen Meer hat die Regierung in Manila Protest eingelegt.

Ähnlicher Vorfall schon 2021

Die angegriffenen beiden philippinischen Schiffe hätten Lebensmittel, Wasser und Hilfsgüter für philippinische Soldaten gebracht, die dort stationiert seien, hieß es bereits am Sonntag. Nur eines habe die „BRP Sierra Madre“ erreicht, das andere habe umkehren müssen.

Es war das zweite Mal seit November 2021, dass die chinesische Küstenwache in dem Gebiet Wasserwerfer gegen eine philippinische Versorgungsmission einsetzte. Auf chinesischer Seite seien sechs Schiffe der Küstenwache und zwei Kriegsschiffe beteiligt gewesen, hieß es von philippinischer Seite.

USA sagen Philippinen Unterstützung zu

China kritisierte nach dem Vorfall allerdings nicht nur die Philippinen, sondern auch die USA, die EU, Frankreich, Japan und Australien. Die chinesische Botschaft in Manila beschuldigte Washington, die Philippinen zur Verstärkung der „BRP Sierra Madre“ anzustiften.

Am Dienstag sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einem Telefonat mit seinem philippinischen Amtskollegen seine Unterstützung zu. Austin bekräftigte, dass der Vertrag zwischen den beiden Ländern – laut dem die USA die Philippinen verteidigen würden, wenn ihre öffentlichen Schiffe und Streitkräfte einem bewaffneten Angriff ausgesetzt wären – auch für die Küstenwache im Südchinesischen Meer gelte.

Die Spannungen haben sich unter dem derzeitigen philippinischen Präsidenten Marcos Jr. verschärft, da das Land China zunehmend der Aggression bezichtigt und engere Beziehungen zu den USA anstrebt.

Mehrere Länder rittern um Gebiet

Das Südchinesische Meer ist strategisch von großer Bedeutung. Ein Drittel der weltweiten Seefracht geht durch das Meeresgebiet. Es gibt reiche Fischgründe sowie Öl- und Gasvorkommen. Darüber streitet China mit Vietnam, Brunei, Malaysia, Taiwan und den Philippinen. Einige der Inseln im Südchinesischen Meer sind von den Konfliktparteien besetzt.

In der Spratly-Gruppe, die aus mehr als 100 Riffen, Atollen und Inseln besteht, erschuf China eine Reihe von künstlichen Inseln. Auf dem Subi-Riff und dem Fiery-Cross-Atoll wurden Sandmassen aufgeschüttet und große militärische Anlagen errichtet. Auch die USA schicken immer wieder Kriegsschiffe und Flugzeuge durch die Region, um zu unterstreichen, dass sie die Ansprüche Pekings nicht anerkennen.