Ecuadors Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio bei seiner Wahlkampfrede in Quito
Reuters/Karen Toro
Ecuador

Kandidat vor Präsidentschaftswahl ermordet

Die Welle an Gewalt in Ecuador hat nun auch den Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl erfasst. Der Kandidat und Korruptionsgegner Fernando Villavicencio wurde am Mittwoch (Ortszeit) nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen. Der amtierende Präsident Guillermo Lasso verhängte einen landesweiten Ausnahmezustand.

Mehrere Täter feuerten laut lokalen Medien auf den 59-jährigen Villavicencio, als dieser nach der Veranstaltung ein Auto bestieg. Ein Tatverdächtiger sei bei einem anschließenden Schusswechsel schwer verletzt festgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft auf Twitter (X) mit. Die Besatzung eines Rettungswagens habe dann seinen Tod bestätigt.

Zudem habe es mindestens neun Verletzte gegeben, darunter eine Kandidatin für die Parlamentswahl sowie zwei Polizisten, hieß es in einem weiteren Tweet der Behörde. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden bisher sechs weitere Verdächtige bei Razzien im Süden der Hauptstadt Quito und in einer Nachbarstadt festgenommen. Sie warnte auch vor Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Tat.

Bande reklamiert Tat für sich

Laut mehreren Medienberichten reklamierte am Donnerstag die Bande Los Lobos (Die Wölfe) die Tat für sich. In einer Videobotschaft posierten mehrere vorgebliche Bandenmitglieder mit Sturmmasken und Waffen. Los Lobos ist die zweitgrößte Bande in Ecuador mit etwa 8.000 Mitgliedern. Viele von ihnen befinden sich derzeit in Haft. Bandenmitglieder sollen auch in tödliche Kämpfe in den Gefängnissen des Landes verwickelt gewesen sein, bei denen zahlreiche Insassen brutal getötet wurden.

Ecuadors Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio bei seiner Wahlkampfrede in Quito
Reuters/Karen Toro
Villavicencio hatte sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben

Die BBC berichtete, Villavicencio sei direkt in den Kopf geschossen worden. Anfang des Monats hatte er erklärt, dass er und sein Team Drohungen erhalten hätten. Seine Anhänger und Anhängerinnen demonstrierten vor dem Krankenhaus, in das Villavicencio gebracht worden war. Seine Schwester Patricia machte die Regierung für den Angriff verantwortlich. Aus seiner Partei hieß es, man habe noch keine Worte für den Schmerz und das Entsetzen über die Ermordung gefunden.

Erklärter Gegner von Korruption

Der 59-jährige Zentrist und ehemalige Abgeordnete bewarb sich als Kandidat der Bewegung Construye (Baue) um das höchste Staatsamt in dem südamerikanischen Land und lag den jüngsten Umfragen zufolge auf dem vierten oder fünften Platz, einige Umfragen sahen ihn auch weiter vorne. Als Journalist und Abgeordneter hatte er immer wieder die weit verbreitete Korruption in Ecuador kritisiert. Seine Recherchen brachten den mittlerweile im Exil lebenden ehemaligen linksgerichteten Präsidenten Rafael Correa mit vor Gericht. Mit Villavicencio traten acht Personen zur Wahl an.

„Ich bin empört und schockiert über die Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio. Meine Solidarität und mein Beileid gelten seiner Frau und seinen Töchtern“, schrieb Präsident Lasso auf Twitter (X). „Dieses Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben.“ Es sei ein politisches Verbrechen mit terroristischen Zügen. Der Staatschef rief den Nationalen Sicherheitsrat zusammen. „Das organisierte Verbrechen ist zu weit gegangen. Es wird mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden“, so Lasso weiter. Der Staat werde der Gewalt nicht weichen.

Ecuadors Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio bei seiner Wahlkampfrede in Quito
Reuters/Karen Toro
Der Tod des Kandidaten löste Bestürzung aus

Lasso verhängte einen 60-tägigen Ausnahmezustand für das gesamte Land. „Die Streitkräfte sind ab sofort im gesamten Staatsgebiet mobilisiert, um die Sicherheit der Bürger, die Ruhe des Landes und die freien und demokratischen Wahlen am 20. August zu gewährleisten“, erklärte er in einem YouTube-Video. Zudem ordnete er die landesweite Mobilisierung der Streitkräfte zum Schutz der Bürger und des Wahlprozesses an. Er ordnete auch eine dreitägige Staatstrauer an. Die Wahlbehörde erklärte, dass der Wahltermin beibehalten werde.

Breites Entsetzen

Der Mord wurde sowohl in Ecuador als auch im Ausland einhellig verurteilt. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) rief Ecuadors Regierung auf, für die Sicherheit der Kandidaten bei der anstehenden Wahl zu sorgen und die Tat lückenlos aufzuklären. Ex-Präsident Correa, der in Abwesenheit wegen Korruption verurteilt wurde und derzeit im Exil in Belgien lebt, sagte, Ecuador sei ein „gescheiterter Staat“. Seine Solidarität gelte der Familie des Politikers und allen Familien der Gewaltopfer.

Er sei tief bestürzt über die Ermordung Villavicencios, so der US-Botschafter in Ecuador, Mike Fitzpatrick. „Die US-Regierung verurteilt diesen Anschlag aufs Schärfste und bietet sofortige Ermittlungshilfe an.“ EU-Außenbeauftragter Josep Borrell zeigte sich ebenfalls entsetzt. „Dieser tragische Gewaltakt ist auch ein Angriff auf die Institutionen und die Demokratie in Ecuador“, hieß es in seiner Stellungnahme. „Die Täter und Organisatoren dieses abscheulichen Verbrechens müssen vor Gericht gestellt werden.“

Schwere politische Krise

Ecuador steckt in einer schweren politischen Krise. Die Zustimmungswerte für Regierung und Parlament sind sehr niedrig. Das einst friedliche Land leidet unter einer Welle der Gewalt. Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen im vergangenen Jahr war die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg jene Mexikos und Brasiliens. Lasso hatte im April die Waffengesetze gelockert und den Bürgern und Bürgerinnen das Tragen von Waffen erlaubt. Die Regierung macht vor allem die Drogenkartelle für die Gewalt verantwortlich.

Präsidentschaftskandidat in Ecuador ermordet

Eineinhalb Wochen vor der vorgezogenen Präsidentschaftswahl in Ecuador ist der Kandidat Fernando Villavicencio nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito getötet worden. Unbekannte feuerten laut lokalen Medien auf den 59-Jährigen, als er ein Auto bestieg.

Die vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen finden am 20. August statt. Diese waren nötig geworden, nachdem Lasso zuletzt inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn wegen mutmaßlicher Unterschlagung die Nationalversammlung aufgelöst hatte. Er selbst stellt sich nicht der Wiederwahl.

Ausnahmezustand nach Gefängnisrevolte

Zuletzt spitzte sich die Situation zu. Lasso verhängte im Juli einen 60-tägigen Ausnahmezustand über alle Gefängnisse des Landes, da es in diesen Einrichtungen „ernste interne Unruhen“ gebe und 137 Beamte als Geiseln genommen worden seien. Noch am selben Tag griffen 2.700 Soldaten in der Haftanstalt Litoral der Küstenstadt Guayaquil ein, um die wenige Tage zuvor begonnenen Unruhen unter Kontrolle zu bringen. Dabei starben Dutzende Menschen. Es kam es zu einer weiteren Welle der Gewalt, die auf Städte wie Esmeraldas übergriff.

Ecuadors Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio bei seiner Wahlkampfrede in Quito
Reuters/Karen Toro
Gewalt prägte zuletzt die Lage in Ecuador

Kriminelle zündeten Fahrzeuge an, griffen staatliche Einrichtungen mit Sprengstoff an, zudem kam es zu Schießereien auf öffentlichen Plätzen und zu anderen Straftaten. Nach diesen Ereignissen riefen die Anführer mehrerer Drogenbanden zur Ruhe auf und erklärten, sie hätten einen Pakt mit der Regierung geschlossen. Lasso wies das kategorisch zurück und versicherte, er werde nicht mit denjenigen verhandeln, die außerhalb des Gesetzes stehen. Er verhängte Ende Juli den Ausnahmezustand und Ausgangssperren für drei Provinzen.

Die Gewalt ging unterdessen weiter. Eines der Opfer war der Bürgermeister von Manta – der drittgrößten Stadt Ecuadors –, Agustin Intralgo, der erschossen wurde, als er die Einweihung einer Baustelle in der Stadt verließ. Bei dem bewaffneten Angriff im Juli wurde auch die Fußballerin Aestefania Riana Chancay getötet, mehrere Personen wurden verletzt. Außerdem wurden weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Politiker und Journalisten angegriffen oder erhielten Morddrohungen.

Zentraler Drogenumschlagplatz

Diverse Banden konkurrieren um die Kontrolle über den Drogenhandel sowie Banden innerhalb und außerhalb des Gefängnissystems. Ecuador hat sich zu einem zentralen Umschlagplatz für Drogenlieferungen nach Europa und in die USA entwickelt. Mit den Aktivitäten von Drogenbanden hat auch die Gewalt in dem südamerikanischen Land zugenommen.

In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurden 555 Morde allein in den Städten Guayaquil, Duran und Samborondon gemeldet. Im vergangenen Jahr wurden zwei Staatsanwälte und ein Richter in Ecuador erschossen. Im heurigen Februar wurde Omar Menendez, Kandidat für den Bürgermeisterposten der Stadt Puerto Lopez, getötet, im Juni ein weiterer Staatsanwalt.