Polizisten vor Krankenhaus in Quito
APA/AFP/Galo Paguay
Kandidat ermordet

Attentat verschärft Krise in Ecuador

Das tödliche Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio elf Tage vor der Wahl hat in Ecuador – und darüber hinaus – Bestürzung ausgelöst. Der amtierende Präsident Guillermo Lasso rief in dem von Gewalt gebeutelten Land den Ausnahmezustand aus. An der Wahl am 20. August soll aber festgehalten werden. In einem Video reklamierten mutmaßliche Bandenmitglieder das Attentat für sich. Doch an den Aussagen gibt es Zweifel.

„Wir haben keine Zweifel, dass dieser Mord ein Versuch ist, den Wahlprozess zu sabotieren“, schrieb Lasso am Donnerstag auf Twitter (X). Die Abstimmung werde aber wie geplant am 20. August stattfinden. Man werde der Gewalt nicht weichen. Die Täter und ihre Auftraggeber würden zur Rechenschaft gezogen. Der Mord wurde sowohl von den politischen Akteuren in Ecuador als auch im Ausland einhellig verurteilt.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bezeichnete in einer Stellungnahme am Donnerstag den „tragischen Gewaltakt“ als „Angriff auf die Institutionen und die Demokratie in Ecuador“. Die Täter müssten vor Gericht gestellt werden, zugleich aber auch alle Kandidatinnen und Kandidaten geschützt werden. Das sei „von entscheidender Bedeutung, um einen freien demokratischen Wahlprozess zu gewährleisten“, so Borell.

Oppositionspolitiker Fernando Villavicencio
AP/API
Villavicencio hatte sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geheftet

Auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) rief Ecuadors Regierung auf, für die Sicherheit der Kandidaten bei der anstehenden Wahl zu sorgen und die Tat lückenlos aufzuklären. Der US-Botschafter in Ecuador, Mike Fitzpatrick, zeigte sich ebenfalls „zutiefst bestürzt“. „Die US-Regierung verurteilt diesen Anschlag aufs Schärfste und bietet sofortige Ermittlungshilfe an“, so der Botschafter.

Schüsse nach Wahlkampfveranstaltung

Villavicencio war Mittwochabend (Ortszeit) nach einer Wahlkampfveranstaltung von noch unbekannten Tätern unter Beschuss genommen worden. Laut Medien wurde er dreimal in den Kopf getroffen. Zumindest neun weitere Menschen wurden bei dem Attentat verletzt. Bilder und Videos zeigen blutüberströmte Opfer, verzweifelte Helfer sowie Menschen, die auf dem Boden liegend Schutz suchen und nach Hilfe schreien.

Ausnahmezustand in Ecuador

Eineinhalb Wochen vor der vorgezogenen Präsidentenwahl in Ecuador ist der Kandidat Fernando Villavicencio nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito getötet worden. Präsident Guillermo Lasso hat einen zwei Monate langen Ausnahmezustand über das Land verhängt.

Einer der mutmaßlichen Attentäter sei bei einem Schusswechsel mit der Polizei verletzt worden und auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben, sagte Präsident Lasso. Sechs weitere Verdächtige seien gefasst worden. Die Angreifer hätten noch eine Granate in die Menge geworfen. Diese sei aber nicht explodiert und später entschärft worden. Laut Staatsanwaltschaft gab es mindestens neun Verletzte.

Tatverdächtige aus dem Ausland

Nach Angaben der Regierung handelt es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Ausländer. Die sechs Festgenommenen kämen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, sagte Innenminister Juan Zapata am Donnerstag. Er sprach von einem „politischen Verbrechen mit terroristischen Zügen“ und einem „Versuch, die kommende Wahl zu sabotieren“. Nach Medienberichten sollen die Verdächtigen aus dem Nachbarland Kolumbien kommen. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht.

Einsatzkräfte vor Krankenhaus in Quito
AP/Juan Diego Montenegro
Zumindest neun Personen wurden bei dem Attentat auf Villavicencio verletzt

In den sozialen Netzwerken tauchte am Donnerstag ein Video auf, in dem mutmaßliche Mitglieder des Verbrechersyndikats Los Lobos die Verantwortung für den Anschlag übernehmen. „Wenn die korrupten Politiker, die mit unserem Geld, mit Millionen von Dollar ihre Wahlkämpfe finanzieren, ihren Versprechen nicht nachkommen, werden sie getötet“, sagte darin ein vermummter Sprecher vor einem Dutzend bewaffneter Männer.

Kurz darauf tauchte allerdings ein zweites Video auf. In diesem behaupteten unmaskierte Mitglieder von Los Lobos, nicht für das Attentat verantwortlich zu sein. Los Lobos sind nach Angaben des Fachportals Insight Crime die zweitgrößte kriminelle Bande in Ecuador mit rund 8.000 Mitgliedern. Das Verbrechersyndikat ist vor allem im Drogenhandel aktiv.

Gewalt eskaliert

Ecuador liegt auf der Transitroute des Kokains, das vor allem in anderen südamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Bolivien und Peru hergestellt wird und das Drogenkartelle dann in die USA und nach Europa schmuggeln. Das bringt Gewalt und Korruption mit sich – immer wieder kommt es in diesem Zusammenhang zu blutigen Revolten in überfüllten Gefängnissen, die teils von Gangs wie Los Lobos kontrolliert werden

Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohnern 2022 war die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko und Brasilien. Präsident Lasso hatte im April die Waffengesetze gelockert und den Bürgern und Bürgerinnen das Tragen von Waffen erlaubt. Die Regierung macht vor allem die Drogenkartelle für die Gewalt verantwortlich.

Präsident von Ecuador Guillermo Lasso
APA/AFP/Ecuadorian Presidency
Der amtierende Präsident Lasso bezeichnete die Täter als „Auftragskiller“

Kampf gegen Korruption

Gegen Gewalt und Korruption im Staat war der nun ermordete Kandidat Villavicencio zu Felde gezogen. Medienberichten zufolge hatte Villavicencio erst vergangene Woche Drohungen gegen ihn und sein Team von einem Drogenpaten erhalten. Villavicencio hatte an einer Untersuchung mitgewirkt, um ein umfangreiches Korruptionsnetzwerk ans Licht zu bringen, in das der ehemalige linksgerichtete Präsident verwickelt war. Rafael Correa, der das Land zwischen 2007 und 2017 regierte, brachten Villavicencios Recherchen vor Gericht. Der Ex-Präsident floh nach Belgien und wurde 2020 in Abwesenheit zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Villavicencio Schwester Patricia machte die Regierung für den Angriff verantwortlich. „Sie haben die Demokratie getötet“, sagte sie örtlichen Medien zufolge. „Sie wollten nicht, dass die Korruption aufgedeckt wird. Nun werden wir als Familie verfolgt. Sie werden uns aber nicht zum Schweigen bringen.“

Villavicencio bewarb sich als Kandidat der Bewegung Construye (dt.: Baue) um das höchste Staatsamt und lag nach jüngsten Umfragen auf dem vierten oder fünften Platz. Die Wahl war nötig geworden, nachdem Lasso zuletzt inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn wegen mutmaßlicher Unterschlagung die Nationalversammlung aufgelöst hatte. Er selbst stellt sich nicht der Wiederwahl.