Donald Trump bei Rede
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„Meiner Meinung nach“

Trump ändert seine Sprache

Der frühere US-Präsident Donald Trump ist bekannt für seine exzentrische Art. In sozialen Netzwerken und bei Veranstaltungen lässt er – gelinde gesagt – seinen Emotionen freien Lauf. Nach der neuen Anklageerhebung wegen Wahlverschwörung hatte er einen besonders derben Ton angeschlagen. Doch der Republikaner kann auch anders.

In den vergangenen drei Jahren hatten der frühere Präsident und seine Mitstreiter ohne Beweise behauptet, die US-Wahl 2020 sei „gestohlen“ worden. Gleich nach der Wahl schimpfte er etwa: „Nevada stellt sich als Jauchegrube falscher Stimmen heraus.“ Wenig später ließ er auf Twitter wissen: „Warum dauert es in North Carolina so lange? Suchen sie nach mehr Stimmen, um dies auch zu reparieren?“ Noch konkreter wurde er Ende November 2020: „Diese Wahl war manipuliert.“

Laut Anklageschrift soll der Republikaner mit rechtswidrigen Mitteln versucht haben, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen. Die Kaskade aus verbalen und schriftlichen Betrugsvorwürfen sowie Aufrufen, den „Diebstahl zu stoppen“, gipfelte im Sturm auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021. Trump-Anhänger und -Anhängerinnen drangen gewaltsam in das Gebäude in Washington ein, als dort Bidens Wahlsieg endgültig zertifiziert werden sollte. Fünf Menschen starben.

Trump „glaubt“ mehr denn je

Doch offenbar dürfte Trump in seiner Rhetorik langsam umschwenken. Denn in einem Interview mit dem rechtskonservativen US-TV-Sender Newsmax fügte der 77-Jährige seinen Wahlmanipulationsvorwürfen nicht ganz unwesentliche Wörter hinzu: „meiner Meinung nach“, „ich glaube“, „das denke ich“ und „das ist meine Meinung“.

Donald Trump redet bei Wahlkampfveranstaltung
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Trump will trotz Anklage für das Weiße Haus kandidieren

Trump sagte beispielsweise: „Ich glaube, ich habe diese Wahl mit vielen, vielen Hunderttausenden Stimmen gewonnen. Das ist meine Meinung, meine starke Meinung. Und ich denke, es wird durch Fakten bestätigt werden, das werden wir sehen.“

Über einen Anruf am 2. Jänner 2021, in dem er den Republikaner und für Wahlen zuständigen Staatssekretär im Bundesstaat Georgia, Brad Raffensperger, unverhohlen aufgefordert hatte, genügend Stimmen für einen Wahlerfolg zusammenzubringen, sagte Trump: „Ich sagte ihnen, dass die Wahl meiner Meinung nach manipuliert wurde.“

Beweisen, dass Trump über Falschheit der Vorwürfe wusste

Wie die „Washington Post“ berichtete, ist Trumps Rhetorik in gewisser Weise ein Spiegelbild seiner juristischen Strategie. US-Sonderermittler Jack Smith beschäftigte sich in der Anklageschrift auch damit, dass Trump wusste, dass seine Behauptungen bereits widerlegt wurden. „Diese Behauptungen waren falsch, und der Angeklagte wusste, dass sie falsch waren“, heißt es auf der ersten Seite der Anklageschrift.

Sonderermittler Jack Smith
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Sonderermittler Smith legte die Anklageschrift gegen Trump vor

Nach der Anklageerhebung haben sich mehrere Fachleute in Medien zu Wort gemeldet. Im Kern gehe es um die Frage, welche Absicht Trump mit seinen Wahlbetrugsvorwürfen verfolgt habe. Konnte er überhaupt selbst glauben, dass seine Vorwürfe den Tatsachen entsprechen, wenn die Wahlbehörden ihnen umgehend widersprachen?

Sonderermittler Smith stehe vor der Aufgabe, dem Gericht zu zeigen, dass Trump von seinen falschen Vorwürfen wusste und trotzdem alles tat, um die Wahl zu kippen. Andererseits gehe es um das Recht der freien Meinungsäußerung, wird US-Rechtsanwalt Robert Kelner in der „Washington Post“ über die Anklageschrift zitiert.

Verteidigungsstrategie: Recht auf freie Meinungsäußerung

Trumps Anwalt John Lauro hatte kürzlich klargemacht, worauf es bei dem Prozess, der noch keinen Termin hat, ankommen wird: Es müsse zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Trump kriminelle Absichten gehabt habe, als er gegen die Ergebnisse der Präsidentenwahl 2020 protestierte, sagte er. Die Verteidigungsstrategie hingegen werde auf dem Recht der freien Meinungsäußerung aufgebaut. Die Redefreiheit erlaube es, nicht nur für eine Position einzutreten, sondern auch aktiv zu werden, argumentierte Lauro vor einer Woche.

Dass Trump gerade jetzt seine Rhetorik über die Wahlbetrugsvorwürfe ändert, dürfte deshalb kein Zufall sein. Zwar hatte er beim Telefonat mit Raffensperger einmal seine Aussagen über die Wahl 2020 ähnlich relativiert wie im Newsmax-Interview („Sie vernichten Stimmzettel, meiner Meinung nach, was ich gehört habe“), doch sonst blieb Trump bisher direkt und angriffig.

Das kann man von der republikanischen Partei mittlerweile nicht mehr behaupten. Viele prominente Vertreter und Vertreterinnen hatten in der Vergangenheit öffentlich betont, dass Trump die Wahl verloren hatte. Auch treue Wegbegleiter wie Rudy Giuliani und der TV-Sender Fox News distanzierten sich von Trumps Aussagen. Newsmax selbst schloss das Interview mit Trump mit dem Hinweis: „Newsmax hat die Wahlergebnisse als rechtsgültig und endgültig akzeptiert.“