Junge Briten und Britinnen vor der Abschlussveranstaltung des Welt-Pfadfindertreffens in Südkorea
IMAGO/AFLO/Lee Jae-Won
Pfadfinder in Seoul

Gütliches Ende für desaströses Treffen

Hitze, ein Taifun, Hygienemängel und schlechte Organisation haben das heurige Weltpfadfindertreffen in Südkorea in ein Trauerspiel verwandelt. Am Freitag wurde den noch übrig gebliebenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zumindest ein spektakulärer Abschluss geboten. Wegen des PR-Desasters und der hohen Kosten für den Misserfolg werden nun in Südkorea Schuldige gesucht – die Probleme begannen schon lange vor dem Treffen.

Südkoreas Medien hatten für das Event, das nur alle vier Jahre stattfindet, deutliche Schlagzeilen: „nationale Schande“, „Überlebenstraining“ und „der schlimmste Alptraum“. Viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder berichteten auch, Fremde seien in Südkorea auf sie zugekommen und hätten sich stellvertretend für das Land entschuldigt, weil sie sich für den Verlauf des mehrtägigen World Scout Jamboree geschämt hätten. Das Treffen hatte abgebrochen, das riesige Zeltlager geräumt werden müssen. Zahllose Teilnehmerinnen und Teilnehmer, auch rund 500 Personen aus Österreich, wurden vorübergehend teils Hunderte Kilometer anderswo untergebracht.

Am Freitag konnte man das Treffen noch zu einem versöhnlichen Ende bringen. Etwa 40.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder versammelten im WM-Stadion Seouls zur Abschlusszeremonie, an die sich ein großes K-Pop-Konzert anschloss.

Die letzten Tage seien nicht einfach gewesen, sagte der Generalsekretär der Weltorganisation der Pfadfinderbewegung, Ahmad Alhendawi, auf der Bühne. „Keine andere Veranstaltung hat so viele Herausforderungen und extreme Wetterbedingungen erlebt.“ Dass die prestigeträchtige Großveranstaltung, die sich Südkorea – ähnlich wie bei Olympischen Spielen – schon im Jahr 2017 gesichert hatte, derart in die Hose ging, lag in externen wie hausgemachten Ursachen begründet.

Abschlussfeier zum Pfadfindertreffen mit K-Pop-Konzert in Seoul (Südkorea)
AP/Korea Pool
Zumindest das Abschlussfest in Seoul am Freitag wurde ein Erfolg

Hitze, Hygiene und Hunger

Innerhalb weniger Tage wurde das Treffen durch eine Hitzewelle, einen drohenden Taifun, einen Covid-19-Ausbruch und Fehlorganisation lahmgelegt. Schon in der Woche vor dem Jamboree hatten schwere Regenfälle das Zeltlager im Gebiet Saemangeum, einem großen, baumlosen Flachland, in einen schlammigen Sumpf und eine Brutstätte für Insekten verwandelt. Tage später, zu Beginn des Treffens, kletterte die Temperatur auf bis zu 35 Grad Celsius.

Schon in der ersten Nacht wurden etwa 400 Fälle von Hitzeerschöpfung gemeldet – viele Menschen mussten in einem provisorischen Krankenhaus auf dem Gelände behandelt werden. Dann breitete sich Covid-19 unter etwa 70 Pfadfindern aus. Hinzu kamen überschwemmte Zelte, ein Mangel an Hygieneprodukten und mit Fäkalien übergehende Toiletten.

Die K-Pop-Gruppe Fromis_9 beim Abschlusstreffen der Pfadfinder in Seoul
AP/Korea Pool
Mit einem großen K-Pop-Konzert versuchte man, Boden gutzumachen. Im Bild: Die Gruppe Fromis 9.

Ein Elternteil eines teilnehmenden Kindes sagte zur BBC: „Mein Kind kam an Ort und Stelle an, um sofort mit dem Ausheben von Entwässerungsgräben beauftragt zu werden. Es ist offensichtlich, dass der Standort nicht in einem geeigneten Zustand war, um diese Veranstaltung abzuhalten.“ Zudem seien die Toilettenanlagen „ekelhaft dreckig“ gewesen, es habe nicht genügend Duschen gegeben. „Die Gruppe meines Kindes duschte draußen unter der Wasserfüllstelle. Es gab nicht genügend Essen und es gab keine vegetarischen Optionen.“

Taifun machte Treffen Strich durch die Rechnung

Ein Mann der thailändischen Delegation wurde außerdem dabei erwischt, wie er die Damenduschanlage betrat. Er sagte, es sei ein Versehen gewesen und er habe kein Schild mit der Angabe des Geschlechts gesehen. Nach dem Vorfall aber zogen sich alle 85 südkoreanischen Pfadfinderinnen und Pfadfinder zurück – die Organisatoren hätten nicht genug getan, um Frauen zu schützen.

Schließlich kam noch der Tropensturm „Khanun“ auf, der die Organisatoren schließlich zwang, abzubrechen und alle Teilnehmer in Sicherheit zu bringen. Die Tausenden Teilnehmenden und Freiwilligen wurden in einem Konvoi aus mehr als 1.000 Bussen vom Campingplatz zu anderen Orten in ganz Südkorea gebracht.

Abschlusszeremonie des Weltpfadfindertreffens

Das Weltpfadfindertreffen 2023, das am 1. August begonnen hat, hat von Anfang an mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Eine beispiellose Hitzewelle, Hygienemangel, ein Taifun und schlechte Organisation ließen das Event zu einem PR-Desaster verkommen. Mit einer Abschlusszeremonie inklusive anschließenden K-Pop-Konzerts brachte man das Treffen noch zu einem versöhnlichen Ende.

Im Einsatz waren auch Spezialkräfte der südkoreanischen Armee, zudem begleiteten mehr als hundert Polizeiautos sowie Hubschrauber die Karawane. Am Mittwoch verunglückte einer der Busse mit dem Schweizer Kontingent, wobei drei Mitglieder verletzt wurden und ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Die übrigen Gruppen waren teilweise über das ganze Land verstreut, darunter auch Hunderte Kilometer nördlich in der Hauptstadt Seoul.

Hohe Kosten

Trotz der Evakuierung wollten die Organisatoren das zwölftägige Jamboree nicht gänzlich beenden. Stattdessen wurden Führungen und Bildungsprogramme an den neuen Standorten im ganzen Land organisiert. Ein Sprecher des neuseeländischen Kontingents sagte der BBC, dass sein Team Jahre gebraucht habe, um das Geld für die Veranstaltung zu sammeln, und die erwachsenen Freiwilligen seien „entschlossen, das trotz der Herausforderungen zu einem positiven Erlebnis zu machen“. Laut „Guardian“ kosteten die unvorhergesehenen Turbulenzen das britische Kontingent allein eine Million Pfund (1,16 Mio. Euro).

Jugendliche verlassen das Pfadfindertreffen in Buan (Südkorea)
APA/AFP/Anthony Wallace
Auf dem flachen Gelände gab es keinen natürlichen Sonnenschutz

Das Budget für das Treffen belief sich auf rund 81 Mio. Euro, ein Großteil soll für die Arbeit des Organisationskomitees ausgegeben worden sein, das viele aufwendige Reisen ins Ausland unternahm. Das Komitee selbst bestritt das, das Geld sei für Personal und andere Betriebsausgaben verwendet worden. Der Campingplatz hätte über die hochwertigste Infrastruktur verfügen können, wenn sein „riesiges Budget ordnungsgemäß ausgeführt worden wäre“, schrieb hingegen Kim Gi Hyeon, Vorsitzender der People Power Party des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol, auf Facebook.

Viele Köche verdarben den Brei

Ein hochrangiger südkoreanischer Beamter sagte der BBC, er glaube, ein Hauptgrund für das Durcheinander sei die Anzahl der beteiligten Behörden gewesen. Neben der Korea Scout Association wurde das Projekt auch von Beamten der Provinz, der südkoreanischen Legislative sowie drei weiteren Regierungsbehörden verwaltet, darunter dem Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie, dem Tourismusministerium und dem Ministerium für Inneres und Sicherheit. Die Behörden werden sich nun mit den Vorwürfen befassen müssen, schließlich hatten sie sechs Jahre für die Vorbereitung Zeit. Eine politische Aufarbeitung samt Schuldzuweisungen wird wohl folgen.

Jugendliche verlassen das Pfadfindertreffen in Buan (Südkorea)
AP/Yonhap/Na Bo-bae
Widrige Umstände führten schon zu zahlreichen freiwilligen Abreisen, bevor evakuiert wurde

Versöhnliche Pfadfinder

Die verbliebenen Teilnehmer zeigten sich am Freitag versöhnlich. Trotz aller Widrigkeiten sei das Treffen eine „tolle Erfahrung“, so der Sprecher des deutschen Kontingents, Niklas König. Dabei hob er den Austausch zwischen den Teilnehmern und die Unterstützung durch die Bevölkerung hervor. „Es war insgesamt ein Abenteuer, auch wenn nicht alles auf die Art und Weise ablief, wie wir uns das vorgestellt hatten.“

Auch die österreichischen Pfadfinderinnen und Pfadfinder wollten bis zum Abschluss bleiben, sie verbrachten die restlichen Tage in Seoul. „Das Jamboree ist nicht verlaufen, wie wir uns das gewünscht hätten“, so Lisa Prior, eine der drei Kontingentleiterinnen, am Dienstag. „Aber die Jugendlichen haben auch in diesen wenigen Tagen am Lagerplatz zahlreiche internationale Kontakte schließen und viele Kulturen kennenlernen können.“ Zudem habe es viel Unterstützung durch die österreichische Botschaft in Seoul gegeben.