Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Reuters/Ukrainian Presidential Press Service
Entlassungswelle

Selenskyj erneut im Kampf gegen Korruption

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach zahlreichen Korruptionsfällen die Entlassung aller Gebietsleiter der Wehrersatzämter in seinem Land angekündigt. „Dieses System sollen Leute führen, die genau wissen, was Krieg heißt und warum Zynismus und Bestechlichkeit in Kriegszeiten Landesverrat bedeuten“, sagte der Staatschef am Freitag. Es ist nicht der erste Versuch Selenskyjs, die Korruption in seinem Land in den Griff zu bekommen.

Nach einer Inspektion durch Staatsanwaltschaft, Antikorruptionsbehörden und den Geheimdienst SBU seien 112 strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden, teilte der ukrainische Präsident weiter mit. Verstöße habe es unter anderem in den Regionen Donezk, Poltawa, Winnyzja, Odessa und Kiew gegeben.

Zuvor hatte der Fall des bereits entlassenen Chefs des Wehramts in der Schwarzmeer-Region Odessa besonderes Aufsehen erregt. Er soll Bestechungsgeld entgegengenommen und damit seit Kriegsbeginn umgerechnet mehrere Millionen Euro verdient haben. Für Dokumente über eine Wehrdienstuntauglichkeit und Rückstellungen etwa sollen die gezahlten Preise bei mehreren tausend Euro liegen.

„Bedrohung für die nationale Sicherheit“

Für seine Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen hatte Kiew überall im Land Ukrainer über regionale Büros für den Militärdienst rekrutiert. Die dortigen Korruptionsfälle „stellen eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine dar und untergraben das Vertrauen in staatliche Institutionen“, erklärte die ukrainische Präsidentschaft in einem gesonderten Statement.

Für die Neubesetzung der Posten solle der Armeechef laut Empfehlung des Nationalen Sicherheitsrats Soldaten auswählen, die über Kampferfahrung verfügten und von den Geheimdiensten überprüft worden seien, teilte die Präsidentschaft mit. Künftig sollten für Einberufungen solche ehemaligen Frontkämpfer zuständig sein, die „nicht mehr in den Gräben sein können, weil sie ihre Gesundheit, ihre Gliedmaßen verloren, doch dabei ihre Würde bewahrt haben und nicht zynisch sind“.

Korruptionsverdacht in der Ukraine

Alle Chefs der regionalen Rekrutierungsbüros in der Ukraine, zuständig für die Einziehung wehrfähiger Männer für den Krieg, wurden wegen Korruptionsverdachts entlassen.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als 17 Monaten gegen einen russischen Angriffskrieg. Nach dem russischen Einmarsch ordnete Kiew eine allgemeine Mobilmachung an. Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren unterliegen nun mit wenigen Ausnahmen einer Ausreisesperre. Im Parlament wird die Ausweitung des Verbots auch auf 16- und 17-Jährige diskutiert. Eingezogen werden bisher allerdings nur Reservisten ab 28 Jahren.

Entlassungwelle im Jänner

Die Absetzung der Leiter der Rekrutierungsbüros verdeutlicht erneut die Bemühungen der Ukraine, konsequenter gegen Korruption und Bestechung vorzugehen. Die weit verbreitete Korruption galt vor Kriegsbeginn als eines der größten Probleme des Landes. Die Europäische Union hat Antikorruptionsreformen zu einer Bedingung für den von der Ukraine angestrebten EU-Beitritt gemacht.

Im heurigen Jänner hatte Selenskyj kurz vor einem wichtigen Gipfel mit der EU bereits versucht, den Imageschaden zu minimieren: Nach Angaben der Regierung wurden damals die Gouverneure der Regionen Dnipropetrowsk, Saporischschja, Cherson, Sumy und der Hauptstadt Kiew abgesetzt. Zudem seien die Vizeminister für Verteidigung, Sozialpolitik sowie zwei stellvertretende Minister für regionale Entwicklung entlassen worden.

Wenige Tage später fanden weiter Razzien statt: So wurde die Chefin der Steuerbehörde von Kiew entlassen. Ins Visier geriet damals auch der einflussreiche Oligarch Ihor Kolomojskyj, dem Staatspräsident Selenskyj früher nahestand.