Spezialkräfte während der Verlegung des Bandenchefs Jose Adolfo Macias in ein Hochsicherheitsgefängnis
APA/AFP/Ecuadorean Armed Forces
Nach Attentat in Ecuador

Bandenchef in Hochsicherheitstrakt verlegt

Nach der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio herrscht weiter Ausnahmezustand in Ecuador. Der einflussreiche Bandenchef Jose Adolfo Macias alias „Fito“ wurde in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Rund 4.000 schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten beteiligten sich am Samstag an dem Einsatz in einem Gefängnis in Guayaquil. Unterdessen wurde die bisherige Vizekandidatin und Verfechterin von Umweltthemen Andrea Gonzalez-Nader zu Villavicencios Nachfolgerin erkoren.

Der Bandenchef soll Villavicencio bereits in der Vergangenheit mit dem Tod bedroht haben. Ecuadors Präsident Guillermo Lasso machte Mitglieder des „organisierten Verbrechens“ für den Mord an dem Politiker verantwortlich. Der Anführer der kriminellen Bande Los Choneros sei in das Hochsicherheitsgefängnis La Roca verlegt worden, so Lasso weiter.

Das Gefängnis hat 150 Plätze und liegt in demselben Gefängniskomplex in Guayaquil, in dem „Fito“ bereits inhaftiert war. Von Lasso veröffentlichte Bilder zeigten einen bärtigen Mann, der von Sicherheitskräften abgeführt wird. Auf anderen Bildern ist zu sehen, wie der Mann gefesselt mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegt.

Spezialkräfte während der Verlegung des Bandenchefs Jose Adolfo Macias in ein Hochsicherheitsgefängnis
Reuters/Ecuador Government
„Fito“ wurde in einer aufwendigen Aktion in den Hochsicherheitstrakt von La Roca gebracht

Der seit 2011 inhaftierte Bandenchef war wegen organisierter Kriminalität, Drogenhandels und Mordes zu 34 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach Angaben der Behörden kontrollierten „Fito“ und seine Männer mindestens ein Gebäude des Gefängnisses, in dem er inhaftiert war.

Villavicencio nach Veranstaltung erschossen

Der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat Villavicencio, der sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hatte, war am Mittwochabend nach einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Weg zu seinem Auto erschossen worden. Nach dem Attentat wurden sechs Kolumbianer festgenommen, ein siebenter Angreifer wurde von den Sicherheitskräften erschossen.

Der frühere Journalist und Abgeordnete Villavicencio hatte vergangene Woche berichtet, er habe Morddrohungen von „Fito“ erhalten. Ein „Beauftragter“ des Drogenbosses habe ihn kontaktiert und angekündigt, ihn „auszuschalten“, wenn er weiterhin dessen Bande Los Choneros erwähnen sollte. Der Präsidentschaftskandidat stand unter Polizeischutz.

Witwe sieht Staat in Verantwortung

Derweil machte Villavicencios Witwe Veronica Sarauz den Staat für den Tod ihres Mannes verantwortlich. Es handle sich um ein „staatliches Verbrechen“, da er sich „in der Obhut des Staates durch die Polizei“ befunden habe, sagte sie am Samstag vor Journalisten. Der Polizei warf sie vor, ihren Mann nicht ausreichend beschützt zu haben. Sie und ihre drei Kinder seien „ebenfalls in Gefahr“.

Verónica Sarauz, Witwe des ermordeten Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio
Reuters/Henry Romero
Fernando Villavicencio sei von der Polizei nicht ausreichend geschützt worden, so der Vorwurf seiner Witwe

Zudem beschuldigte Sarauz Anhänger von Ex-Präsident Rafael Correa im Zusammenhang mit der Ermordung ihres Mannes. Correa war im Jahr 2020 zu acht Jahren Haft verurteilt worden, nachdem Villavicencio gegen ihn wegen Korruption recherchiert hatte. Am Tag vor seiner Ermordung hatte Villavicencio bei der Staatsanwaltschaft Anzeige wegen Unregelmäßigkeiten bei Ölverträgen erstattet, die während Correas Amtszeit ausgehandelt worden waren. Den Schaden für das Land bezifferte er auf rund neun Milliarden Dollar (8,2 Mrd. Euro).

Gonzalez-Nader neue Construye-Kandidatin

Unterdessen gab Villavicencios zentrumsnahe Partei Construye am Samstag in sozialen Netzwerken bekannt, dass an seiner Stelle die bisherige Vizepräsidentschaftskandidatin Gonzalez-Nader bei der Wahl am 20. August antreten soll. Sie werde das Erbe Villavicencios „garantieren“, zitierte die britische BBC die Partei. Da die Stimmzettel bereits gedruckt sind, werden die Stimmen für Villavicencio laut Gesetz automatisch auf Gonzalez übertragen.

Die 36-jährige Gonzalez-Nader, eine langjährige Verbündete von Villavicencio, soll am Sonntag an einer Wahlkampfdebatte in Quito teilnehmen. Sie setzte sich bisher vor allem für Umweltthemen wie den Schutz der Ozeane und Mangrovenwälder sowie für den Kampf gegen den Schmuggel mit Wildtieren und die Abholzung von Wäldern ein.

Andrea Gonzalez, Vizekandidatin von Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio
Reuters/Karen Toro
Andrea Gonzalez-Nader wird nun statt Villavicencio am 20. August kandidieren

Die Ermordung Villavicencios sei ein „beunruhigender Moment“ für die Region und die Demokratie gewesen, sagte Gonzalez-Nader in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender CNN. „Man hat nie genug Zeit, um etwas so Schockierendes und Ernüchterndes zu verarbeiten wie die Ermordung eines Präsidentschaftskandidaten (auf einem solchen Niveau der Gewalt und so kurz vor den Präsidentschaftswahlen, Anm.)“, sagte sie in der Hauptstadt Quito.

Ecuador: Tätersuche nach Attentat

Eineinhalb Wochen vor der vorgezogenen Präsidentenwahl in Ecuador ist der Kandidat Fernando Villavicencio am Mittwoch nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito getötet worden. Organisierte Kriminalität soll für den Mord verantwortlich sein. Nun wurde ein einflussreicher Bandenchef in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt.

Beispiellose Welle der Gewalt

Die vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen, die trotz des Attentats am 20. August abgehalten werden sollen, sind notwendig geworden, weil Präsident Lasso inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens wegen mutmaßlicher Unterschlagung die Nationalversammlung aufgelöst hatte.

Ecuador liegt auf der Transitroute des Kokains, das vor allem in anderen südamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Bolivien und Peru hergestellt wird und das Drogenkartelle in die USA und nach Europa schmuggeln. Das bringt Gewalt und Korruption mit sich – immer wieder kommt es in diesem Zusammenhang zu blutigen Revolten in überfüllten Gefängnissen, die teils von Gangs wie Los Choneros kontrolliert werden.

Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner 2022 war die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko und Brasilien. Präsident Lasso hatte im April die Waffengesetze gelockert und den Bürgern und Bürgerinnen das Tragen von Waffen erlaubt. Die Regierung macht vor allem die Drogenkartelle für die Gewalt verantwortlich.