Stapel von 1.000-Rubel-Geldscheinen
Getty Images/Bloomberg Creative
Ukraine-Krieg

Sorge in Moskau wegen schwachen Rubels

Die russische Währung setzt ihren Sinkflug der vergangenen Wochen trotz eines offiziell bekanntgegebenen Wirtschaftswachstums fort. Am Montag fiel der Rubel auf 101,75 gegenüber dem Dollar und war damit so schwach wie seit fast 17 Monaten nicht mehr. Es war der niedrigste Stand der Währung seit kurz nach dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Insgesamt hat der Rubel über ein Viertel seines Wertes seit Jahresbeginn verloren, so die „Financial Times“. In Moskau ist man besorgt.

Die Notenbank berief eine Krisensitzung ein, die am Dienstag eine Zinserhöhung bringen dürfte. Die nächste reguläre Sitzung ist im September – hier war eine Zinserhöhung erwartet worden. Die Ankündigung der Krisensitzung der Notenbank schon am Dienstag gab der Währung zumindest vorübergehend wieder Halt: Der Rubel festigte sich wieder bei 98,60 gegenüber der US-Währung.

Erst letzte Woche hatte die russische Zentralbank mit Rubel-Ankäufen versucht, die Währung zu stützen, allerdings offenbar, wie der Kursverfall vom Montag zeigt, vergeblich. Auch der Verkauf von Fremdwährungen wird zur Rubel-Stärkung eingesetzt. Die Zentralbank werde bis auf Weiteres Fremdwährungen im Volumen von umgerechnet 21,5 Millionen Euro pro Tag verkaufen, hatte es Donnerstag geheißen.

Ruslands Zentralbankchefin Elwira Nabiullina
Reuters/Shamil Zhumatov
Die russische Zentralbankchefin Elwira Nabiullina

Bisher waren Käufe von 4,7 Millionen Euro täglich erwartet worden. Eine Leitzinserhöhung der russischen Notenbank im Juli um einen Prozentpunkt hatte den Rubel ebenfalls nicht stabilisieren können. Die Notenbank sieht keine Gefahr für die Finanzstabilität in Russland durch den Verfall des Rubels, hieß es am Montag.

Angst vor steigenden Preisen in Bevölkerung

Maxim Oreschkin, der Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin, betonte in einem Kommentar, der Kreml wolle einen starken Rubel sehen und erwarte eine baldige Normalisierung. Das gilt ebenfalls als Fingerzeig in Sachen Zinserhöhung der Nationalbank. „Die Hauptursache für die Schwächung des Rubels und die Beschleunigung der Inflation ist die lockere Geldpolitik“, schrieb Oreschkin.

Der Rubel schwächelt bereits seit Längerem und hat durch den kurzzeitigen Aufstand der Söldnergruppe Wagner Ende Juni noch einmal an Wert verloren. Die europäische Gemeinschaftswährung war in der Spitze bis auf 108 Rubel gestiegen. Zu Jahresbeginn mussten für einen Euro zeitweise noch weniger als 75 Rubel gezahlt werden. Beim Dollar verhält es sich ähnlich. Im Jänner hatte der Dollar unter 70 Rubel notiert und kletterte auf 98 Rubel.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Reuters/Sputnik
Der russische Präsident Wladimir Putin

Die schwache russische Währung schürt bei vielen Russinnen und Russen die Angst vor weiter steigenden Preisen und Einschränkungen im Alltag. Westliche Sanktionen und die Kosten für den Militäreinsatz belasten die russische Wirtschaft mittlerweile stark.

Zentralbank: Außenhandel schuld an Rubel-Schwäche

Zudem bremst der Außenhandel die wirtschaftliche Entwicklung in Russland, trotz des offiziell bekanntgegebenen Wirtschaftswachstum im Frühjahr. Die Präsidentin der Zentralbank, Elwira Nabiullina, hat für die Rubel-Schwäche vor allem die Verschlechterung der Außenhandelsbedingungen verantwortlich gemacht.

Die von den westlichen Industriestaaten auferlegte Preisobergrenze für Rohöl hat zu einem anhaltenden Rückgang der Exporteinnahmen geführt. Das belastet die Handelsbilanz. Das Land verkauft zwar mehr Öl in andere Länder wie China oder Indien, muss dabei aber Abschläge vom Weltmarktpreis hinnehmen.

Russische Zentralbank
APA/AFP/Alexander Nemenov
Der Sitz der russischen Nationalbank in Moskau

Zuletzt war die Inflation wieder auf einen Wert von 4,3 Prozent gestiegen, was die Zentralbank des Landes im Juli eben zu einer Leitzinserhöhung auf 8,5 Prozent ebenfalls zur Stabilisierung des Rubels veranlasst hatte. Die von der Zentralbank angestrebte Marke in Sachen Inflation war bei 4,0 Prozent gelegen. Die Notenbank rechnet nun damit, dass sie dieses Jahr bei 5,0 bis 6,5 Prozent landen und erst 2024 zum Stabilitätsziel zurückkehren wird.

Staatsausgaben als Wirtschaftsstütze

Die russische Wirtschaft ist allerdings im Frühjahr nach offiziellen russischen Angaben wieder gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im zweiten Quartal um 4,9 Prozent zum Vorjahr zu, wie das Statistikamt am Freitag bekanntgab. Volkswirte hatten im Schnitt mit einem Wachstum von 3,9 Prozent gerechnet. Zuvor war die russische Wirtschaft vier Quartale in Folge im Jahresvergleich geschrumpft.

Gestützt wird das Wachstum vor allem durch die Staatsausgaben. Die Ausgaben für den Krieg gegen die Ukraine wurden erhöht. Das stützt die Industrieproduktion. Der private Konsum wird durch gestiegene Sozialleistungen und höhere Löhne beflügelt. Die Wirkung der westlichen Sanktionen konnte so entschärft werden.

„Das Bruttoinlandsprodukt könnte bis Mitte nächsten Jahres wieder das Vorkriegsniveau erreichen“, sagte Natalia Lawrowa, Chefvolkswirtin des Finanzdienstleisters BCS. Sie prognostiziert für 2023 ein Wachstum von zwei Prozent. Eine Gefahr für die Wirtschaft sehen Beobachterinnen und Beobachter jedoch in einer Verschlimmerung des Arbeitskräftemangels, falls die Streitkräfte noch mehr Soldaten einziehen sollten.