Werner Kogler im Sommergespräch 2023
APA/Eva Manhart
„Sommergespräche“

Kogler für „gescheite“ Bankenlösung

Vizekanzler und Grünen-Parteichef Werner Kogler hat am Montag den Reigen der diesjährigen ORF-„Sommergespräche“ fortgeführt. Das Interview mit Susanne Schnabl führte von hohen Lebensmittelpreisen über das grüne Kernthema Klimaschutz bis zur Justiz. Bei der Frage, wie mit hohen Gewinnen von Banken umzugehen sei, wollte Kogler auch eine Bankensteuer noch „nicht aus der Welt“ wissen – plädierte aber für eine „gescheite“ Lösung.

Es ist mittlerweile schon fast Usus, dass die Ortswahl der „Sommergespräche“ für Diskussionen gut ist. Das eher enge, dunkel getäfelte Besprechungszimmer des Parlaments, auf das heuer die Wahl fiel, sorgte denn auch „bereits für viel Gesprächsstoff“, wie Schnabl gleich zu Beginn festhielt. Mit Kogler hatte sie in dieser Hinsicht aber kein kritisches Gegenüber. Er fühle sich da sehr wohl, meinte der Grünen-Chef und verwies auf die Verhandlungen, die er als grüner Abgeordneter eben in diesem Raum geführt hatte.

Die Zeiten, in denen Kogler als einfacher Abgeordneter im Parlament saß, sind freilich schon ein Weilchen her. Inzwischen nimmt er im Plenarsaal als Vizekanzler auf der Seite der Regierung Platz. Bevor sich Schnabl und Kogler in das Sprechzimmer 23 zurückzogen, ging es deshalb auch noch vor die Regierungsbank – und dort um eine Aussage Koglers, die vor rund einem Monat für Schlagzeilen gesorgt hatte. Damals hatte Kogler die Aussagen der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu „normal denkenden“ Menschen als „brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid“ bezeichnet.

Kogler steht zu „präfaschistoid“-Aussage

Er wolle seinen „präfaschistoid“-Sager in Richtung der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nicht zurücknehmen, sagte Kogler auf Nachfrage gleich zu Beginn des ORF-„Sommergesprächs“.

Zurücknehmen wollte Kogler seine Wortwahl auch auf Nachfrage von Schnabl nicht. Wenngleich er erneut erklärte, es sei ihm ja um „Sprachverwendung“ gegangen. Diese sei „vergleichbar mit Zeiten, die wir schon hatten“. Wenn er auch „überhaupt nicht“ glaube, „dass die Frau Landeshauptfrau das so meint“, so Kogler. Die Koalition zwischen Grünen und ÖVP sah er dadurch auch nicht beeinträchtigt. Schließlich habe er „keine Koalition mit der Frau Landeshauptfrau“.

Umgang mit Zinsschere

Stichwort Koalition: Als Teil dieser und damit der Bundesregierung ist der Vizekanzler sehr wohl mit der Unzufriedenheit in der Bevölkerung konfrontiert. Die könne er auch durchaus verstehen, hieß es vom Grünen-Chef immer wieder – etwa wenn Schnabl feststellte: Die Kreditzinsen seien hoch, aber die Sparer schauten durch die Finger, während die Banken Gewinne schrieben.

Banken nicht als „Feindbild“

Kogler kann sich mehrere Lösungen vorstellen, um gegen die Schere zwischen Kreditzinsen und Zinsen auf Einlagen vorzugehen. Banken sollten aber nicht „zum Feindbild“ gemacht werden, so der Grünen-Chef.

„Völlig richtige Analyse“, hieß es dazu von Kogler. Die Schere zwischen Kreditzinsen und Zinsen auf Einlagen ginge inzwischen „relativ weit auseinander“. Es dürfe wirklich die Frage gestellt werden, „ob das alles noch gerecht und vernünftig ist“, sagte der Vizekanzler – um dann einen seiner langen Sätze folgen zu lassen: „Man muss nur aufpassen, dass man es wirtschaftlich vernünftig analysiert, man könnte auch sagen auseinanderklaubt, das Problem, um dann sinnvolle Lösungen zusammenzubauen.“ In Italien sei „sofort alles komplett durcheinander geflogen. Man muss es also gescheit machen“, verwies Kogler auf die wieder relativierten Pläne Roms für eine Bankensteuer.

Bankensteuer „noch nicht aus der Welt“

Wenngleich eine Bankensteuer für Kogler „noch nicht aus der Welt“ sei, auch wenn der Grünen-Chef und studierte Ökonom einräumte, dass sie seiner Meinung nach „möglicherweise nicht die sinnvollste“ sei. Eine andere Möglichkeit wäre die bestehende Bankenabgabe. „Die könnte man einfach erhöhen.“

Die dritte Möglichkeit wäre, „dass wir über den Konsumentenschutz reinfahren können“, so Kogler. Er verwies auf eine von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) in Auftrag gegebene Klage des Vereins für Konsumentenschutz (VKI) gegen „eine der größten Banken des Landes“. „Ist das jetzt eine Drohung des Vizekanzlers gegen den Bankensektor?“, wollte Schnabl wissen. Er wolle nicht drohen, aber „allein die Diskussion darüber wird schon etwas bewirken“, sagte Kogler. Es sei ihm jedenfalls wichtig, die Banken nicht „zum Feindbild“ zu machen.

Kein Fan von Mehrwertsteuersenkung

Der Umgang mit möglichen Übergewinnen der Banken war nur ein Thema im großen Komplex Teuerung und Entlastung, der die erste Hälfte des Gesprächs einnahm. Kogler verteidigte dabei das Vorgehen der Regierung im Hinblick auf die Inflation. Direktzahlungen, Steuersenkungen und Pensionserhöhungen würden gezielt den einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen helfen.

Mehrwertsteuersenkung als letztes Mittel

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel hält Kogler derzeit für kein angebrachtes Mittel.

Eine – etwa von SPÖ und FPÖ geforderte – Mehrwertsteuersenkung bei Grundnahrungsmitteln wäre hingegen die viel kritisierte „Gießkanne“. Über ein solches Vorgehen könnte man erst dann reden, wenn sich etwa die Lebensmittelpreise anders entwickelten als in Deutschland.

„Werner-Kogler-Erklärung“

An einer Stelle fragte Schnabl ihren Gesprächspartner, wer denn jenes Drittel der Gelder bekommen soll, das im Zuge der Abschaffung der kalten Progression nicht automatisch abgegolten wird. Knappe eineinhalb Minuten sprach Kogler daraufhin davon, dass die Steuersenkungen der Regierung „massiv“ gewesen seien und dass von der „Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung“ alle profitierten. Und dass es den Grünen in der Regierung zu verdanken sei, dass „wir überhaupt ein Drittel dafür hernehmen können, um zielgerichtet zu arbeiten“.

„Werner-Kogler-Erklärung“

Susanne Schnabl fragt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), wer jenes Drittel der Gelder bekommen soll, das im Zuge der Abschaffung der kalten Progression nicht automatisch abgegolten wird.

Die tatsächliche – und auch etwas vage – Antwort, dass das Geld Alleinerzieherinnen und Menschen mit niedrigem Einkommen zukommen solle, ging da schon fast unter. „Das war jetzt eine Werner-Kogler-Erklärung“, fasste Schnabl die ausufernde Antwort des Grünen-Parteichefs zusammen. „Aber sie war wenigstens nicht falsch“, kam von diesem zurück.

Grünes Kernthema

Als nicht falsch wollte der Vizekanzler auch die Rolle seiner Partei in der Regierung sehen. Beim Thema Klimaschutz sei in den vergangenen drei Jahren weit mehr weitergegangen, als es den Anschein hätte. Angesprochen darauf, dass zwar die Mehrheit der Menschen für Klimaschutz sei, aber nicht selbst verzichten wolle, blieb Kogler allerdings bei einem vagen „Ich glaube nicht, dass es so viel um Verzicht als um Chancen geht“, wenngleich er einräumte: „Ich sage auch vielen Freunden in der Klimaschutzbewegung: Wir müssen Mehrheiten gewinnen.“ Umso mehr, als sich laut Kogler im Parlament immer mehr Leugner des Klimawandels „zusammenrotten“ und mit den „Putin-Freunden“ der FPÖ fusionieren.

Katastrophenhilfe und Klimawandel

Der Zusammenhang von Klimakrise und Extremwetter steht für Kogler nicht zur Debatte. Er sieht aber Klimaleugner sich – auch im Parlament – zusammenrotten.

Dafür warb Kogler – auch im Hinblick auf die schweren Unwetter und Überschwemmungen der jüngsten Zeit – für eine „Allianz für den Bodenschutz“ zwischen der Bundesregierung und den für die Raumplanung zuständigen Ländern und Gemeinden. So sollten etwa große Parkplätze, etwa vor Supermärkten, entsiegelt und/oder mit einer Photovoltaikanlage überdacht werden. Die Gemeinden, die entsiegelten, bekämen dann auch eine Förderung. Zugleich sollten Gemeinden in die Pflicht zu einer gemeinsamen Raumplanung genommen werden. „Die Bürgermeister werden froh sein, wenn ihnen jemand zu Hilfe geht“, so Kogler.

Bessere Entschädigung bei langen Verfahren

Bei einem weiteren Ressort in grüner Hand, der Justiz, verteidigte Kogler die Arbeit der Regierung und seiner Partei im Speziellen. Die Ressourcen seien „massiv gestiegen, die Justiz wurde quicklebendig“, so Kogler in Anspielung auf eine Aussage des ehemaligen Justizministers Clemens Jabloner. Der Minister in der Expertenregierung von Brigitte Bierlein hatte 2019 vor einem „stillen Tod“ der Justiz gewarnt.

Sehr wohl Verbesserungen kann sich Kogler bei den Beschuldigtenrechten vorstellen. Dabei geht es dem Grünen-Chef aber zuvorderst um einen besseren Ersatz, wenn gegen jemanden lange ermittelt wurde, der dann als unschuldig befunden wird. Kogler konnte in dem Fall zum Beispiel auf den Tierschützerprozess vor über zehn Jahren in Wiener Neustadt verweisen. Aber: „Auch der Herr (Heinz-Christian, Anm.) Strache hat einen Anspruch darauf, wenn es so wäre.“

Noch völlig offen ist für Kogler, wer nach der kommenden Wahl den Anspruch auf eine Regierungsbildung haben wird. Er wollte sich deshalb auch zu keiner Aussage bewegen lassen, ob er auch als einfacher Abgeordneter ins Parlament zurückkehren würde. Derzeit fix sei hingegen, dass er sich für die nächste Nationalratswahl erneut als Spitzenkandidat seiner Partei bewerben wird. „Das ist meine Absicht“, so der Grünen-Chef.

Filzmaier: Kogler „nicht besonders angriffig“

In der anschließenden Analyse in der ZIB2 mit dem Politologen Peter Filzmaier und der „Presse“-Journalistin Anneliese Rohrer merkte der Experte an, Kogler sei „nicht besonders angriffig“ gewesen. Man habe ihn „in drei Rollen erlebt“, dabei „am wenigsten als Parteichef“, hingegen war er „sehr Vizekanzler“, aber „auch Ökonom“, so Filzmaier.

Analyse des ORF-„Sommergesprächs“

Journalistin Anneliese Rohrer („Presse“) und der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier analysieren das „Sommergespräch“ mit Grünen-Bundessprecher Werner Kogler.

Rohrer sagte unterdessen, Koglers Geschwindigkeit beim Reden gehe „auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit“. Auch beim Thema Inflation konnte er ihrer Ansicht nach nicht punkten. Am ehesten sah sie „seine beste Passage“ beim Thema Banken – da sei er „am emotionalsten“ gewesen. Rohrer merkte auch an, dass er mit dem Klimaschutz andere Themen nicht „ausreichend konterkarieren“ könne. Mieten, Lebensmittel- und Energiekosten würden die Menschen „unmittelbar betreffen, jeden Tag“, Fortschritte beim Klimaschutz rechtfertigten das für die Menschen nicht.

Für die Zukunft sagte Filzmaier, dass man „weniger Harmonie als konkrete Ergebnisse“ brauche. Dazu würden auch Kompromisse benötigt, wie etwa für das Klimaschutzgesetz, aber auch „Abtauschgeschäfte“ wären denkbar – was nicht passieren dürfe, seien jedenfalls Blockaden, so Filzmaier. Rohrer sagte abschließend zu Koglers „Sommergespräch“, sie wüsste „nicht, wer von ihm überzeugt worden wäre“.