Nach einem russischen Drohnenangriff zerstörtes Getreidelager in einem ukrainischen Donauhafen in der Odessa-Region
Reuters/Ukrainian Armed Forces
Ukrainisches Getreide

Drohnenangriffe auf Donau-Häfen

Die russische Armee greift seit etwa drei Wochen in der Ukraine verstärkt Hafeninfrastruktur entlang der Donau an. Am Mittwoch meldete die ukrainische Luftwaffe Drohnen über den Hafenstädten Ismajil und Reni. Die Donau-Häfen sind im Moment der wichtigste Korridor für die Getreideexporte der Ukraine. Die russischen Angriffe reichen gefährlich nah an NATO-Territorium heran.

Laut der ukrainischen Luftwaffe bewegten sich in der Nacht auf Mittwoch mehrere Drohnen im Luftraum über der Donau-Mündung. Das Donau-Delta gehört zum größten Teil zum EU- und NATO-Mitgliedsland Rumänien, ein Teil zur Ukraine. Ziel seien offenbar die Flusshäfen Ismajil und Reni nahe der rumänischen Grenze gewesen.

Bewohnerinnen und Bewohner der Region berichteten von Luftabwehrfeuer. Der Gouverneur der südlichen Region Odessa, Oleh Kiper, forderte gegen 1.30 Uhr die Bevölkerung im Bezirk Ismajil auf, sich in Sicherheit zu begeben. Eine Stunde später sei der Alarm wieder aufgehoben worden, hieß es. In den Gebieten Odessa und Mykolajiw seien insgesamt 13 Kampfdrohnen iranischer Bauart abgeschossen worden, hieß es. Erneut wurden laut Kiper Getreidelager beschädigt.

Einziger Korridor für Exporte

Russland hatte vor knapp vier Wochen das Abkommen, über das die Ukraine Getreide sicher über das Schwarze Meer verschiffen konnte, nach einem Jahr ausgesetzt. Der Kreml hatte sich unter Verweis auf die westlichen Sanktionen gegen Russland geweigert, es zu verlängern. Nach dem Ausstieg drohte Russland mit Angriffen auf Schiffe im Schwarzen Meer. Mit dem Abkommen erloschen per 17. Juli auch Sicherheitsgarantien.

Die Ukraine kündigte daraufhin an, mehr Getreide über die Donau und den Landweg per Zug und Straßentransport über Rumänien auszuführen. Laut Angaben aus Kiew wurden zuletzt rund zwei Millionen Tonnen pro Monat über die Donau-Häfen verschifft. Ismajil und Reni sind die beiden wichtigsten Häfen für die Ausfuhr auf dem Flussweg. Von dort aus wird das Getreide mit Lastkähnen zur rumänischen Hafenstadt Konstanza verschifft und von dort weitertransportiert.

Video zeigt Luftangriff auf Hafenstadt Reni

Der für den Getreideexport wichtige Hafen in der ukrainischen Stadt Reni ist von der russischen Armee mit Kampfdrohnen angegriffen worden. Ein von der Donau aus gefilmtes Video eines Rumänen zeigt den Beschuss sowie eine anschließende Explosion. Die Grenze zum NATO- und EU-Mitglied Rumänien ist nur einige hundert Meter entfernt.

Bereits Anfang des Monats hatte es verstärkt Angriffe auf Hafeninfrastruktur in der Region Odessa gegeben, in Ismajil wurde ein Getreideterminal getroffen, der Hafenbetrieb musste vorübergehend eingestellt werden. Auch Odessa selbst, die wichtigste ukrainische Hafenstadt am Schwarzen Meer, steht regelmäßig unter Beschuss.

Transporte werden deutlich schwieriger

Die Angriffe auf die Donau-Häfen beeinträchtigen die ukrainischen Exporte erheblich, insbesondere, als Kiew zuletzt angekündigt hatte, diese deutlich auszuweiten. Vor dem russischen Überfall auf das Nachbarland im Februar 2022 und einer anschließenden monatelangen Schiffsblockade hatte die Ukraine den weitaus größten Teil ihrer Getreideexporte über das Schwarze Meer verschifft.

Nach einem russischen Drohnenangriff zerstörtes Getreidelager in einem ukrainischen Donauhafen in der Odessa-Region
Reuters/Ukrainian Armed Forces
Zerstörtes Getreidelager nach einem russischen Drohnenangriff in einem Donau-Hafen in der Region Odessa

Mit dem im Juli 2022 unterzeichneten Getreideabkommen konnte die Ukraine mehr als 30 Millionen Tonnen ausführen. 75 Prozent der Exporte gingen über die Schwarzmeer-Häfen und die Donau, der Rest via Straße und Schiene ins Ausland. Gegenüber 2021 ging der Seeexport um fast ein Viertel zurück.

Proteste aus Rumänien

Nach dem Beschuss des Hafens von Ismajil Anfang August hatte das EU- und NATO-Land Rumänien offiziell protestiert. Präsident Klaus Johannis bezeichnete die „anhaltenden Angriffe auf die ukrainische zivile Infrastruktur an der Donau“ in der Nähe Rumäniens als „inakzeptabel“. Das seien „Kriegsverbrechen, und sie beeinträchtigen die Fähigkeit der Ukraine, Nahrungsmittel an Bedürftige in der Welt zu befördern“, sagte Johannis.

Archivbild des Hafen von Ismail in der Ukraine
AP/Andrew Kravchenko
Verladen auf Donau-Frachter in Ismajil (Archivbild)

Am Mittwoch meldete sich Rumäniens Außenministerin Luminita Odobescu via Twitter (X) zu Wort. „Ich verurteile mit Nachdruck die andauernden Angriffe Russlands auf unschuldige Menschen, auf die zivile Infrastruktur, einschließlich der Getreidesilos in den Häfen Reni und Ismajil“, schrieb sie. Damit gefährde Russland „die Sicherheit der Lebensmittelversorgung und der Schifffahrt im Schwarzen Meer“.

Suche nach Alternativrouten

Mit Kroatien hat die Ukraine laut eigenen Angaben in den letzten Wochen eine Einigung auf die Ausfuhr ihres Getreides über Häfen an der Adria erzielt. Die Agrargüter sollen über die Donau nach Kroatien verschifft werden, teilte das Außenministerium in Kiew mit. Anschließend soll die Fracht per Eisenbahn an die Adria-Küste gebracht werden. Welche Exportmengen damit erreicht werden können, wurde nicht mitgeteilt.

Ukraine: Wehrschütz (ORF) zum Getreideexport

Am Mittwoch hat erstmals seit einem Monat ein Containerschiff den Hafen von Odessa verlassen. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz in Kiew erklärt, welche Reaktionen von Russland erwartet werden und ob die ukrainische Gegenoffensive gescheitert ist.

Mittlerweile fast vier Wochen nach Auslaufen des Getreideabkommens ist unklar, ob es wieder aufgenommen wird. Moskau hatte zuletzt wiederholt auf seine Bedingungen dafür verwiesen. Laut Angaben aus Kiew griff Russland von seinem Ausstieg aus dem Abkommen am 17. Juli bis Anfang August insgesamt 26 Hafenanlagen und mehrere zivile Schiffe an. Die Regierung in Moskau sprach von Vergeltung für einen ukrainischen Angriff auf die Krim-Brücke, die Russland zur Versorgung seiner Besatzungsarmee in der Südukraine nutzt.