Umweltministerin Leonore Gewessler
APA/Eva Manhart
Treibhausgasemissionen

2022 Rückgang um 6,4 Prozent

Die Treibhausgasemissionen sind in Österreich im Vorjahr im Vergleich zu 2021 um rund 6,4 Prozent gesunken. Das geht aus einer Schätzung des Umweltbundesamtes hervor, die am Donnerstag vorgestellt wurde. Die Emissionen lagen damit auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1990. Klimaministerin Leonore Gewessler zeigte sich erfreut, pochte aber auf weitere Maßnahmen. SPÖ, NEOS und Umweltschutzorganisationen nahmen die Regierung in die Pflicht.

Nach den vorläufigen Zahlen des Umweltbundesamts wurden 2022 rund 72,6 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Der Rückgang der Emissionen passiere in allen Bereichen – Gebäude, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft –, sagte Gewessler. Mit der Reduktion sei Österreich eingeschwenkt auf den von der EU vorgegebenen Zielpfad. Demnach muss Österreich seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 48 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 senken.

Das Vorjahr war geprägt von der Energiekrise und damit verbundenen hohen Preisen von Erdgas und Erdöl, wie Gewessler einräumte. Allerdings sei 2022 auch ein Jahr des Wirtschaftswachstums gewesen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei um 4,9 Prozent gewachsen, während die Emissionen um 6,2 Prozent gesunken seien, so die Ministerin. Günther Lichtblau, Klimaexperte am Umweltbundesamt, sprach ebenfalls von einem „bemerkenswerten“ Ergebnis. Besonders erfreulich sei die „Entkoppelung von Wirtschaftswachstum um Emissionen“, so Lichtblau weiter.

Gewessler: Reduktion auch dank ergriffener Maßnahmen

Die Reduktion sei auch ein Ergebnis der bisher ergriffenen politischen Klimaschutzmaßnahmen, sagte Gewessler bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lichtblau in Wien. Als Beispiele nannte sie den Ausbau erneuerbarer Energiesysteme, Förderungen im Bereich der E-Mobilität, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie die Einführung des Klimatickets.

Weniger Co2-Ausstoß in Österreich

2022 wurde laut vorläufigen Zahlen 72,6 Millionen Tonnen Co2 in Österreich ausgestoßen. Im Vorjahr ist der Ausstoß gesunken – obwohl die Wirtschaft stark gewachsen ist.

Im Gebäudebereich führte Gewessler die „Raus aus Öl und Gas“-Förderung ins Treffen. In diesem Bereich zeige die Schätzung des Umweltbundesamtes auch, dass der Rückgang auf einen niedrigeren Verbrauch von Energie zurückzuführen sei. „Weil die Verbraucherpreise hoch waren. Aber auch, weil der Energiespargedanke in der Bevölkerung angekommen ist“, so die Ministerin.

Im Industriebereich macht sich Lichtblau zufolge unter anderem der gesunkene Gasverbrauch bemerkbar. Eine erstaunliche Entwicklung gab es im Verkehrsbereich, so Lichtblau: Obwohl das Verkehrsaufkommen um zehn Prozent gestiegen sei, seien die Emissionen um 4,5 Prozent zurückgegangen.

Ein Grund dafür sei der gesunkene „Kraftstoffexport“, so Lichtblau, quasi ein Rückgang beim Tanktourismus: „Es wurde weniger in Österreich getankt und im Ausland verfahren.“ Gelegen sei das an den Energiepreisen; 2022 sei in Österreich ein „Hochpreisjahr“ gewesen. Zudem registrierte das Umweltbundesamt Steigerungen der Elektromobilität und, „dass freiwillig langsamer gefahren wurde“, erläuterte der Experte.

„Sehr solide“ Abschätzung

Die Nahzeitabschätzung des Emissionsausstoßes – auch „Now Cast“ genannt – sei „sehr solide“, betonte Lichtblau. Die Schwankungsbreite liege bei etwa 0,5 Prozent. Für die Schätzung herangezogen werden laut Lichtblau etwa die vorläufige Energiestatistik, Quellen aus Landwirtschaft, Daten aus der Stahlproduktion und „Anlagedaten aus dem Emissionshandel“. Die endgültigen Zahlen zu den Treibhausgasemissionen werden am Jahresende vorliegen.

Grafik zeigt Daten zu Österreichs Treibhausgasausstoß
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Umweltbundesamt

Für heuer gibt es laut Lichtblau weitere positive Indizien aus dem Energieverkauf, mit niedrigeren Mengen als 2022 und Rückgängen bei Erdöl und -gas im ersten Halbjahr. Die Entwicklung des zweiten Halbjahres sei aber für die Treibhausgasbilanz 2023 noch nicht abschätzbar.

Ministerin: Weitere Maßnahmen nötig

Die Preise für Erdgas und Erdöl sind in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Das könnte den Verbrauch wieder steigen lassen und zu einem höheren Treibhausgasausstoß führen. Klimaschutz sei ein „Marathon, kein Sprint“, betonte Gewessler. Es brauche jedes Jahr „fortgesetzte Maßnahmen, um diese Entwicklung fortzuschreiben“, betonte Gewessler. Bis 2040 soll Österreich klimaneutral sein, so das Ziel der Regierung.

In den Szenarien sehe man, dass man die Klimaschutzziele ohne zusätzliche Maßnahmen verfehle, sagte Lichtblau. Bis 2030 tut sich laut Gewessler noch eine Lücke von 13 Prozentpunkten auf, die es nun zu füllen gelte. Am nach wie vor ausständigen Klimaschutz- und dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz werde weiter gearbeitet.

Kritik von SPÖ und NEOS

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr bewertete Gewesslers Aussagen als „vollkommen unzureichend“. Das Minus bei den Treibhausgasen komme vorwiegend durch „externe Effekte“ zustande – „sei es die Reduktion beim Heizen, beim Tanken oder durch das Sparen bei Energie aufgrund der massiven Teuerung“. Was völlig fehle, seien „strukturelle Maßnahmen, wie etwa das Klimaschutzgesetz oder ein sozial verträgliches Erneuerbare-Wärme-Gesetz“, sagte Herr.

NEOS-Klima- und -Umweltsprecher Michael Bernhard sah angesichts des Rückgangs bei den Treibhausgasemissionen noch keinen Grund zum Feiern. Die Regierung sei in vielen Bereichen säumig. „Gewessler muss aufhören, ihre Verantwortung auf alle anderen abzuschieben, unsere Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Es sind sie und ihr Koalitionspartner, die nichts auf den Boden bringen“, so Bernhard.

NGOs: Positiver Trend, aber weitere Schritte notwendig

Diese Gesetze und Maßnahmen forderten auch die Umweltschutzorganisationen ein. Die Entwicklung bei den Treibhausgasen sei weitgehend auf die Energie- und Teuerungskrise zurückzuführen, erläuterte Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation sah vor allem die ÖVP und deren Kanzler Karl Nehammer in der Pflicht, die „Blockade bei wirkmächtigen Klimaschutzmaßnahmen“ aufzugeben.

„Die aktuelle Prognose zeigt einen positiven Trend, aber auch den massiven Handlungsbedarf. Für die versprochene Klimaneutralität braucht es nicht nur Einmaleffekte, sondern dauerhaft wirksame Maßnahmen in allen Sektoren“, reagierte der WWF.

Laut Global 2000 ist die CO2-Reduktion des Vorjahres nur ein „erster Babyschritt“, es brauche konkrete Maßnahmen für langfristige Erfolge. Die Umweltorganisation Virus forderte ein Ende der Blockadehaltung von „ÖVP, Wirtschaftskammer und der für Verfassungsmehrheiten benötigten Oppositionsparteien“.