Hand von Erwachsenen und Neugeborenen
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Menschenhandel und Betrug

Leihmütterskandal auf Kreta aufgedeckt

Auf Kreta ist vergangene Woche eine Kinderwunschklinik aufgeflogen, die im großen Stil Frauen aus Osteuropa als Leihmütter ausgebeutet und Menschen mit Kinderwunsch durch Scheinbehandlungen betrogen haben soll. Die Kundschaft kam aus ganz Europa und nahm zumindest die rechtliche Grauzone auf dem Weg zum Babyglück in Kauf. Die Klinikbetreiber müssen vor Gericht – offen ist, wie es mit den Dutzenden aktuell schwangeren Leihmüttern und jüngsten Neugeborenen weitergeht.

Seit Dezember 2022 wurden an der Klinik in Chania insgesamt 182 Fälle dokumentiert, in denen Frauen als Eizellenspenderinnen und Leihmütter ausgebeutet wurden, berichtete der griechische Sender ERT. Die benötigte richterliche Erlaubnis sei in zahlreichen Fällen genauso gefälscht worden wie Adoptionspapiere und medizinische Akten. In über 400 Fällen sollen Kundinnen der Klinik zudem mit vorgetäuschten In-vitro-Fertilisationen (IVF) betrogen worden sein.

Der 73-jährige Direktor und Gründer der Klinik soll laut ERT mit weiteren Angeklagten ein internationales Netzwerk an Zuhältern aufgebaut haben, um „schutzbedürftige Frauen“ aus dem Ausland nach Griechenland zu schaffen und sie dort „als Eizellspenderinnen oder Leihmütter auszubeuten“. Neben dem Klinikchef wurden acht weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik festgenommen.

Minihonorar für enorme körperliche Eingriffe

Laut Medienberichten seien bei der Razzia 30 aktuell schwangere Leihmütter angetroffen worden. Die Frauen aus Moldawien, der Ukraine, Georgien, Rumänien und Bulgarien – viele von ihnen Romnja – stammen aus sehr armen Verhältnissen und seien mit falschen Versprechungen nach Kreta gelockt worden, heißt es laut „Ta Nea“ im Polizeibericht.

Sie seien von der Öffentlichkeit abgeschirmt und in 14 Wohnungen „unter erbärmlichen Verhältnissen“ untergebracht und überwacht worden. Gegen ein kleines Honorar – laut Medienberichten zwischen 300 und 600 Euro im Monat – mussten sie sich der Prozedur der künstlichen Befruchtung oder den Eizellenspenden mit dafür notwendigen Hormonbehandlungen unterziehen.

70.000 bis 100.000 Euro für ein Baby

Ein per Leihmutter ausgetragenes Kind soll dem Ermittlungsbericht nach 70.000 bis 100.000 Euro gekostet haben, die Ermittlungsbehörden berichten von 70 Prozent Reingewinn für die Klinik. Leihmutterschaft ist in Griechenland – anders als in Österreich, Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern – unter gewissen Voraussetzungen erlaubt. Das Austragen eines Kindes für andere Menschen darf aus „altruistischen Motiven“ passieren – etwa wenn die Beteiligten verwandt oder befreundet sind.

Es darf jedenfalls kein kommerzielles Interesse bestehen, was dadurch gesichert werden soll, dass die Leihmutter eine Aufwandsentschädigung von maximal 10.000 Euro erhalten darf. Erst seit 2014 ist es gesetzlich unter diesen Voraussetzungen auch Ausländerinnen und Ausländern ohne Wohnsitz in Griechenland erlaubt, ein Baby von einer Leihmutter in Griechenland austragen zu lassen, was von mehreren Kliniken in Athen und anderen Landesteilen auch aktiv beworben wird.

Genetische Eltern nach Kreta gereist

Jene Kundinnen und Kunden, die ihren Kinderwunsch aktuell mit Hilfe der kretischen Klinik erfüllen wollten, müssen nun in Chania darauf hoffen, dass sie Zugang zu den Babys erhalten. Einige Paare sind laut griechischen Berichten bereits auf Kreta angekommen und haben vor Gericht die Erlaubnis nach DNA-Tests beantragt.

In den vergangenen Tagen seien vier Babys zur Welt gekommen, eine weitere Geburt stehe direkt bevor. Ob auch die genetischen Eltern von den griechischen Behörden belangt werden können, ist aktuell noch nicht bekannt.

Undercover-Reportage legte Missstände 2019 offen

Wie die „Zeit“ bereits in einer großen Investigativrecherche vor vier Jahren aufdeckte, warb die nun geschlossene Klinik in ganz Europa offensiv mit günstigen Tarifen, Diskretion und jahrelanger Erfahrung im Bereich der Reproduktionsmedizin und brüstete sich damit, zahlreichen Menschen mit Kinderwunsch – hetero- und homosexuellen Paaren, aber auch alleinstehenden Männern und Frauen auch aus dem deutschsprachigen Raum – zum Babyglück verholfen zu haben.

Die Undercover-Reportage legte offen, dass sich auch die Kundinnen und Kunden der Klinik zumindest in einem rechtlichen Graubereich bewegen mussten, um nach dem Prozedere mit dem Wunschkind nach Hause zurückkehren zu können. Man habe dort etwa in die Geburtsurkunde gleich den Namen der genetischen Mutter eingetragen, die dann mit dem – gefälschten – Dokument auf der Botschaft ihres Landes einen vorläufigen Reisepass für das Neugeborene beantragen musste. In Österreich und Deutschland gilt jene Frau als die Mutter des Kindes, die es geboren hat – steht die Leihmutter wahrheitsgemäß in der Geburtsurkunde, müssten die genetischen Eltern ihr Baby adoptieren, um im legalen Rahmen zur Familie zu werden.

Die damals von den „Zeit“-Journalisten kontaktierte Nationale Aufsicht für Reproduktionsmedizin verwies auf mangelnde Ressourcen bei der Überwachung der rund 50 lizenzierten Kinderwunschkliniken Griechenlands – „unsere Behörde hat große Probleme damit, ihre Aufgaben zu erfüllen“, hieß es damals. Nach dem Auffliegen der Klinik in Chania wurde Anfang dieser Woche der Präsident der Behörde, Nikolaos Vrachnison, entlassen.

Raab für gemeinsame EU-Richtlinien

Familienministerin Susanne Raab forderte am Freitag in einer Reaktion auf den ORF.at-Bericht ein geeintes Vorgehen der EU. Wie der Fall in Kreta zeige, löse das menschenunwürdige Leihmuttergeschäft nicht nur schwere psychische Belastungen bei den austragenden Frauen aus, sondern begünstige auch systematische Ausbeutung sowie Menschenhandel und stehe daher im Widerspruch zur Menschenrechtskonvention. „In Österreich ist Leihmutterschaft Gott sei Dank verboten, kann aber über das Ausland umgangen werden. Europa muss hier geeint gegen diese Praxis vorgehen und Leihmutterschaft verbieten“, so Raab.