junger Fan mit WM-Schal
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Frauen-Fußball

WM-Erfolg bietet Forderungen eine Bühne

Die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland neigt sich dem Ende zu. Am Sonntag treffen England und Spanien im Finale aufeinander. Zehntausende Menschen werden im Stadion in Sydney mitfiebern, Millionen vor den Bildschirmen. Die bisher größte Frauen-Fußball-WM zog in den vergangenen Wochen viel Aufmerksamkeit auf sich – und bot dabei langjährigen Forderungen eine Bühne.

Frauen-Fußball ist heute viel populärer und sichtbarer als vor wenigen Jahren. Insbesondere die Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich rückte die Fußballerinnen weiter ins Rampenlicht. Die Erwartungen an das Großereignis in Australien und Neuseeland waren dementsprechend hoch – auch die der Frauen. Denn nicht wenige Fußballerinnen hatten vor Turnierstart die mangelnde finanzielle Unterstützung beklagt.

Das jamai­ka­ni­sche Team etwa musste sich seine Teil­nahme am Tur­nier durch Crowd­fun­ding finan­zieren, weil der nationale Verband die nötigen Gelder verweigerte. Das ist kein Einzelfall. Viele Spielerinnen treten schon lange für eine gerechte Bezahlung ein. Durch öffentliche Auftritte von Stars wie Megan Rapinoe aus den USA und Sam Kerr aus Australien konnten in den vergangenen Jahren einige kleine Erfolge erzielt werden.

„Richtige Kämpfe wählen“

So hatte der Fußballweltverband (FIFA) etwa angekündigt, dass man bei der WM 2023 so hohe Beträge ausschütten werde wie niemals zuvor für eine Frauen-Weltmeisterschaft. Das Gesamtpaket umfasst 152 Millionen Dollar (138 Mio. Euro). Jeder WM-Spielerin wurden 30.000 Dollar garantiert, die 23 Weltmeisterinnen erhalten jeweils eine 23.000-Dollar-Prämie. Die WM selbst hat laut FIFA Einnahmen in Höhe von 570 Millionen US-Dollar generiert.

Zum Vergleich: Bei der Männer-WM 2022 in Katar wurden 440 Millionen Dollar ausgeschüttet. Laut FIFA-Präsident Gianni Infantino sollen die Prämien zur WM der Frauen 2027 angeglichen werden. Gegenüber BBC sagte FIFA-Chef Gianni Infantino, dass eine gleiche Bezahlung bei der WM ein Symbol sei. Denn das sei nur ein Monat alle vier Jahre, sagte er wohl mit Blick auf die nationalen Verbände. Frauen müssten „die richtigen Kämpfe wählen“ und Männer überzeugen.

Fußballfans in London
Reuters/Peter Cziborra
Das Interesse an den WM-Spielen in Australien und Neuseeland ist hoch

Forderungen werden anhalten

Die Forderungen nach einer Gleichbehandlung der Geschlechter reißen wegen der Prämienerhöhung nicht ab. Vielmehr dürften sie angesichts der wachsenden Popularität des Frauen-Fußballs noch lauter werden. Denn in den vergangenen Wochen gab es an der WM in Australien und Neuseeland kein Vorbeikommen. Das Ereignis zog nicht nur Massen an, sondern wurde massenhaft in sozialen Netzwerken verbreitet.

Die FIFA selbst setzte sich ein ambitioniertes Ziel: Zwei Milliarden Zuschauerinnen und Zuschauer sollen bis zum Finale am Sonntag über TV und Streamingdienste erreicht werden. Das wäre eine Verdoppelung zur WM 2019 in Frankreich und eine Vervierfachung zur WM 2015 in Kanada. Dabei muss erwähnt werden, dass die Zahl der Teams von 24 auf 32 erhöht wurde, somit stieg die Zahl der Spiele.

England-Fans
IMAGO/PA Images/Isabel Infantes/Isabel Infantes
Zum ersten Mal überhaupt könnten die Engländerinnen den WM-Titel holen

Die ersten Zahlen verdeutlichen aber das steigende Interesse am Frauen-Fußball. So meldete zum Beispiel der US-Sender Fox, dass durchschnittlich 6,43 Millionen Menschen das Spiel USA gegen Niederlande verfolgten. Es ist damit das meistgesehene Spiel einer Gruppenphase, das jemals in den USA übertragen wurde.

Beim Spiel China gegen England sahen insgesamt 54 Millionen Menschen aus China zu. Dem chinesischen Team bescherte das Spiel eine Niederlage, dem Turnier einen neuen Rekord. Auch Sender und Streamingdienste in Südamerika meldeten Höchstzahlen.

Viele Zuschauer und Zuschauerinnen im Stadion

Nach 48 Spielen zählte der Weltverband mehr als 1,2 Millionen Fans in den Stadien, was einem Durchschnitt von mehr als 25.000 Zuschauern und Zuschauerinnen pro Spiel entspricht. Gegenüber den ersten 48 Spielen bei der WM in Frankreich stieg die Zahl um 29 Prozent. Mit 1,7 Millionen verkauften Tickets seien auch die eigenen Erwartungen von 1,5 Millionen übertroffen worden.

Public Viewing in Sydney
IMAGO/Eibner/Memmler
Das australische Team sorgte für Zuschauerrekorde

Das Turnier stellte zudem den Zuschauerrekord für ein einzelnes Frauen-Fußballspiel in Australien auf. Das Gruppenmatch Australien gegen Irland besuchten 75.784 Fans. Am vergangenen Mittwoch zählte man beim Halbfinale England gegen Australien insgesamt 75.724 Fans.

Gleichzeitig schauten durchschnittlich 7,1 Millionen Australierinnen und Australier ihrem Team über Streamingangebote zu. Medienberichten zufolge gilt das Spiel nun als meistgesehene Fernsehsendung in Australien seit Einführung des Quotensystems im Jahr 2001.

Wirtschaftsboom durch „Matildas“

Wenn die Zuschauerzahlen steigen bzw. wenn eine breite Masse erreicht werden kann, ist es für den Sport und die Veranstalter auch einfacher, Sponsoren zu finden. „Früher dachten wir, dass es bei Investitionen in den Frauen-Sport oder bei der Unterstützung des Frauen-Sports darum geht, das Richtige zu tun“, sagte Ann Pegoraro, kanadische Professorin für Sportbusiness, kurz vor Start des Turniers. „Ich denke, dass kluge Leute es jetzt als Rendite betrachten.“

Das gilt auch für die Veranstalter. Der Erfolg der „Matildas“ (so werden die Fußballerinnen des australischen Teams genannt), für die erst im Halbfinale Endstation war, hat dem Einzelhandel und der Reisebranche in Australien einen wirtschaftlichen Aufschwung in Höhe von 4,5 Milliarden Euro beschert. „Die Frauen-WM zieht Rekorde an und sorgt für Rekordausgaben in unseren Hotels und im Einzelhandel“, sagte Luke Latham, General Manager des Finanzdienstleisters Airwallex.

Australische Fußballerin Sam Kerr
Reuters/Carl Recine
Fußballstar Kerr macht sich für eine bessere finanzielle Förderung des Frauen-Fußballs stark

Wegen des sportlichen Erfolgs der „Matildas“ wollte sich Australiens Premierminister Anthony Albanese für einen Feiertag einsetzen, sollten die Australierinnen Weltmeisterinnen werden. Das ist jetzt nicht mehr möglich und war auch schon vor dem Ausscheiden aus dem Turnier umstritten. „Albanese redet ständig von diesem verdammten Feiertag. Wie wäre es, wenn Sie unseren Sport richtig finanzieren?“, schrieb die frühere Nationaltorfrau Melissa Barbieri auf Twitter (X).

Nach dem Halbfinal-Aus gegen England forderte die australische Kapitänin Kerr mehr finanzielle Unterstützung für den Frauen-Fußball. „Wir brauchen das Geld“, sagte sie. Die australische Fußballspielerin Stephanie Catley pflichtete ihr Kollegin bei und betonte: „Es gibt kein Argument mehr, dass die Leute nicht interessiert sind. Die Leute interessieren sich dafür. Die Zahlen sind da. Die Kinder spielen. Die Leute wollen den Sport sehen.“