Residenzbrunnen im Sommer
ORF.at/Georg Hummer
Emissionsreduktion

„Nur der erste Schritt“

Die Treibhausgasemissionen sind 2022 auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Berechnungen im Jahr 1990 gesunken. Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich erfreut, pochte aber auf weitere Schritte. Ähnlich äußerten sich Umweltschutz-NGOs und Fachleute. Die Reduktion sei „nur der erste Schritt“, sagte die Umweltökonomin Birgit Bednar-Friedl. SPÖ und NEOS beklagten das Fehlen struktureller Maßnahmen.

In Österreich wurden laut Schätzung des Umweltbundesamtes 2022 rund 6,4 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als im Jahr zuvor. Bednar-Friedl vom Wegener Center an der Uni Graz sprach gegenüber Ö1 von einem Schritt in die richtige Richtung, „vor allem deshalb, weil es einerseits zu dieser Reduktion gekommen ist bei den Treibhausgasemissionen und andererseits das Wirtschaftswachstum doch deutlich noch zugelegt hat in diesem Jahr“.

Ein Faktor für den Rückgang der Emissionen waren die hohen Energiepreise. „Preise wirken“, fasste es Bednar-Friedl zusammen. Was man bisher nur argumentiert habe, „konnte man jetzt auch wirklich an den Emissionsreduktionen ablesen“. Hohe Treibstoffpreise böten Haushalten und Unternehmen einen Anreiz zum Sparen. „Deswegen ist es auch so wichtig, dass der Emissionspreis hoch bleibt, damit dieser Anreiz weiter besteht“, so Bednar-Friedl gegenüber Ö1.

„Bemerkenswerter“ Rückgang

Laut den vorläufigen Zahlen des Umweltbundesamtes wurden im Jahr 2022 rund 72,6 Millionen Tonnen Treibhausgase emittiert. Der Rückgang zum Jahr 2021 entspricht einer Reduktion von fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. „Das sind wirklich erfreuliche Nachrichten“, sagte Gewessler am Donnerstag bei der Präsentation der Zahlen.

Weniger CO2-Ausstoß in Österreich

2022 wurden laut vorläufigen Zahlen 72,6 Millionen Tonnen CO2 in Österreich ausgestoßen. Im Vorjahr ist der Ausstoß gesunken – obwohl die Wirtschaft stark gewachsen ist.

„Die zweite gute Nachricht ist, der Rückgang passierte in allen Bereichen“, verwies Gewessler auf Verkehr, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft. Günther Lichtblau, Klimaexperte des Umweltbundesamtes, bezeichnete den Gesamtrückgang der Treibhausgasemissionen als „bemerkenswert“. Es sei zwar eine vorläufige Bilanz für 2022, weitere Daten würden noch fehlen. Die Schwankungsbreite liegt laut Lichtblau aber bei 0,5 Prozent.

Klimaschutz „Marathon, kein Sprint“

2021 waren die Treibhausgasemissionen noch um 4,9 Prozent gegenüber 2020 gestiegen. Gewessler und Lichtblau zeigten sich auf Nachfragen optimistisch, dass es nach dem positiven Vorjahr nicht wieder zu einem Rückschlag kommt.

Aber: „Klimaschutz ist ein Marathon und kein Sprint“, sagte Gewessler. Das heiße, „dass es jedes Jahr Maßnahmen braucht bis 2040, um diese Entwicklung fortzuschreiben“, betonte die Umweltministerin. In Szenarien sei „sehr deutlich“ zu sehen, „dass wir die Klimaziele verfehlen, wenn wir nicht weitere Maßnahmen setzen“, ergänzte Lichtblau.

Bis 2040, so das Ziel der Regierung, soll Österreich klimaneutral sein. „Natürlich braucht es auch ein aktualisiertes Klimaschutzgesetz“, sagte Gewessler. Das Gesetz wie auch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz lassen weiter auf sich warten.

Die vorläufigen Berechnungen für das Vorjahr zeigen laut Gewessler, dass die gesetzten politischen Maßnahmen wirken. Die Umweltministerin verwies etwa auf Klimaticket, Ökostromausbau und Sanierungsoffensive. „Wir haben in einem Jahr so viele Photovoltaikanlagen genehmigt und gefördert wie die zwanzig Jahre davor“, sagte sie. Im Gebäudesektor kam der Bilanz jedoch auch ein warmes Jahr mit 13 Prozent weniger Heizgradtagen zugute.

Kritik von SPÖ und NEOS

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr bewertete Gewesslers Aussagen als „vollkommen unzureichend“. Das Minus bei den Treibhausgasen komme vorwiegend durch „externe Effekte“ zustande – „sei es die Reduktion beim Heizen, beim Tanken oder durch das Sparen bei Energie aufgrund der massiven Teuerung“. Was völlig fehle, seien „strukturelle Maßnahmen, wie etwa das Klimaschutzgesetz oder ein sozial verträgliches Erneuerbare-Wärme-Gesetz“, sagte Herr.

Grafik zeigt Daten zu Österreichs Treibhausgasausstoß
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Umweltbundesamt

NEOS-Klima- und -Umweltsprecher Michael Bernhard sah angesichts des Rückgangs bei den Treibhausgasemissionen noch keinen Grund zum Feiern. Die Regierung sei in vielen Bereichen säumig. „Gewessler muss aufhören, ihre Verantwortung auf alle anderen abzuschieben, unsere Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Es sind sie und ihr Koalitionspartner, die nichts auf den Boden bringen“, so Bernhard.

NGOs: Positiver Trend, aber weitere Schritte notwendig

Diese Gesetze und Maßnahmen forderten auch die Umweltschutzorganisationen ein. Die Entwicklung bei den Treibhausgasen sei weitgehend auf die Energie- und Teuerungskrise zurückzuführen, erläuterte Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation sah vor allem die ÖVP und deren Kanzler Karl Nehammer in der Pflicht, die „Blockade bei wirkmächtigen Klimaschutzmaßnahmen“ aufzugeben.

„Die aktuelle Prognose zeigt einen positiven Trend, aber auch den massiven Handlungsbedarf. Für die versprochene Klimaneutralität braucht es nicht nur Einmaleffekte, sondern dauerhaft wirksame Maßnahmen in allen Sektoren“, reagierte der WWF.

Laut Global 2000 ist die CO2-Reduktion des Vorjahres nur ein „erster Babyschritt“, es brauche konkrete Maßnahmen für langfristige Erfolge. Die Umweltorganisation Virus forderte ein Ende der Blockadehaltung von „ÖVP, Wirtschaftskammer und der für Verfassungsmehrheiten benötigten Oppositionsparteien“.