Mit einer Grillzange wird ein Stück Fleisch auf einem Griller gelegt
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Fokus auf Fleisch

Neue Debatte über Herkunftsbezeichnung

Mit jedem neuen Fleischskandal sind die Themen Tierhaltung und vor allem Herkunftsbezeichnung für Fleisch wieder auf dem Tisch – so auch aktuell nach den zahlreichen Fällen von Salmonellenvergiftungen. Die Gastronomie lehnt einen verpflichtenden Herkunftsnachweis weiter ab. Hauptargument: zu viel bürokratischer Aufwand. Für mehr Transparenz auf dem Teller – nicht nur im Restaurant – müsste sich einiges bewegen.

Schon damit das Thema wieder öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, braucht es offenbar Anlässe wie zuletzt, als 27 Menschen durch verdorbenes Hühnerfleisch in Kebabspießen Salmonellenvergiftungen erlitten und ein 63-jähriger Kärntner starb. Nicht zum ersten Mal wurden Rufe nach einer Herkunftsbezeichnung für Lebensmittel laut.

Die Gastronomie hält solche in verpflichtender Form für nicht umsetzbar und lehnt sie ab. Für Kantinen etwa kommt sie noch in diesem Jahr. Die Gastronomie sieht schärfere Kontrollen bei Importen und EU-weit einheitliche Standards in der Tierhaltung als Lösung.

Gastronomie verweist auch auf Verfügbarkeit

Jede einzelne Zutat kennzeichnen zu müssen, bedeute einen zu hohen bürokratischen Aufwand, sagte Mario Pulker, Spartenobmann Gastronomie in der Wirtschaftskammer (WKO), am Freitag im Ö1-Morgenjournal.

Regionale und saisonale Produkte seien oft nicht uneingeschränkt verfügbar. „Was ist, wenn es dann ausgeht, wenn ich auf eine andere Ware zurückgreifen muss?“, fragte Pulker. „Es gibt in der Praxis so viele große Probleme.“

In entschärfter Form

Eine Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ist nicht vorgesehen. Die Grünen (und auch Vertreter der Biogastronomie) hätten sich eine solche gewünscht, die ÖVP war dagegen. Ab September kommt allerdings eine Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung wie etwa Betriebskantinen.

Eine Person liest vor einem Supermarkt-Fleischkühlregal die Aufschrift eines verpackten Fleisches
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Fleisch hat mitunter eine lange Reise auf verschlungenen Wegen hinter sich

In weiterer Folge ist eine solche auch bei verarbeiteten Lebensmitteln (für Primärzutaten wie Fleisch, Milch und Eier etc.) im Supermarkt vorgesehen. Mit dieser hat auch die Lebensmittelindustrie keine große Freude.

Gegentrend: Aktives Werben mit regionalen Produkten

In der Gastronomie beruht die Kennzeichnung auf Freiwilligkeit. Wer etwa mit Fleisch aus Österreich wirbt, hat mit Kontrollen zu rechnen. „Wenn du oben stehen hast, du verkaufst Fleisch aus Österreich, dann werden auch die Lieferscheine kontrolliert“, so Gastronom und Spartenobmann Pulker. „Das ist auch gut so.“

So könnten und Wirte und Konsumenten wählen, was sie wollen und was mit ihren Brieftaschen möglich sei. Stichwort Qualität: Zunehmend werben Gasthöfe und Restaurants aktiv mit Herkunftsnachweisen als Qualitätskriterium, weit über „aus Österreich“ hinaus. Viele nennen ihre – zumeist regionalen – Lieferanten in der Speisekarte beim Namen.

Abstufungen bei Qualität

„Natürlich freuen wir uns über jeden Mitgliedsbetrieb, der sozusagen die heimische Landwirtschaft unterstützt, aber es gibt natürlich verschiedenste Geschäfte und verschiedenste Ausrichtungen der Restaurants und der Lokalitäten“, so Pulker. „Ich glaube, da muss man schon jedem dann selbst überlassen, was er hier einkauft, was er hier verkauft.“ Am Ende sind das Fragen des Einkaufspreises und der Margen. Die sind in der Gastronomie durch die starke Teuerung bei Lebensmitteln und Energie auf jeden Fall unter Druck.

„Tierwohl“ ist immer noch relativ

Die EU lässt den Mitgliedsstaaten derzeit viel Spielraum, was Tierwohl und Tiergesundheit betrifft. Bei Hühnern ist etwa eine Besetzungsdichte von 42 Kilogramm vorgesehen. Bis zu rund 26 ausgewachsene Tiere können so auf einem Quadratmeter gehalten werden. Österreich ist mit 30 beziehungsweise 21 Kilo in Biobetrieben vergleichsweise strenger. Der Besatz entspricht hier zwischen 13 und 18 Hühnern pro Quadratmeter.

Hühner in einem Stall
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EU-Norm erlaubt in der Haltung bis zu 26 Hühner pro Quadratmeter

Hier setzt Pulker seine Kritik an. „Das kann ja eigentlich in einer Europäischen Union nicht sein, dass das eine Land eine höhere Besetzungsdichte hat beim Geflügel als das andere Land. Und man sich dort nachher gegenseitig Konkurrenz macht.“ Im Sinne der Konsumenten brauche es eine Vereinheitlichung.

Widerstand der großen Produzentenländer

Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es dazu laut dem Ö1-Bericht, dass sich die Bundesregierung in Brüssel dafür starkmache, die Standards auf ein österreichisches Niveau zu heben. Österreich ist in Sachen Fleischproduktion allerdings auch im EU-Vergleich nur ein kleiner Spieler.

Der Widerstand der großen fleischproduzierenden Mitgliedsstaaten wie Polen, Tschechien, Deutschland und die Niederlande ist programmiert. Aus Polen stammten die Kebabspieße, die zuletzt europaweit und nicht nur in Österreich für die Salmonellenvergiftungen gesorgt hatten.

Bauernbund verlangt „Kontrolloffensive“

Nach dem Kebabskandal sprachen sich am Freitag in einer Aussendung der Präsident des Österreichischen Bauernbundes, Georg Strasser, und der Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich, Markus Lukas, für eine „Kontrolloffensive“ aus, um vergleichbare Fälle in Zukunft auszuschließen.

„Es kann nicht sein, dass durch unhygienische Arbeitsmethoden die Gesundheit von Menschen gefährdet wird. Fleisch, das unter Voraussetzungen produziert wird, wie wir sie in Österreich nicht kennen, darf nicht auf unseren Tellern landen“, so Strasser und Lukas. Auch bei Weiterverarbeitung, Lagerung und Verkauf müsse „jetzt ein besonderes Augenmerk auf ordnungsgemäße Hygiene liegen“. Beide sprachen sich für einheitliche EU-Standards aus.

Bewegung bei Biozertifizierung

Bewegung gibt es offenbar auch in der Debatte über eine verpflichtende Biozertifizierung. Auf Ministeriumsebene gab es dazu erste Gespräche, viele Fragen sind aber noch offen. Die Konsumenten müssten „sich darauf verlassen können, dass dort, wo Bio oben steht, auch Bio drin ist“, heißt es in einem Statement des Gesundheits- bzw. Konsumentenschutzministeriums gegenüber der APA. „Auch innerhalb der Biogastronomie und Biohotellerie wird beklagt, dass es bei manchen Betrieben zu einer falschen Kennzeichnung der Speisen kommt.“

Die Gespräche stünden erst am Anfang, so das Ministerium. Im Staatssekretariat für Tourismus sieht man noch viele offene Fragen: „So besteht zum Beispiel die Sorge, dass aufwendige Zertifizierungsprozesse dazu führen, dass Gastronomen die Biolebensmittel aus ihren Speisekarten streichen. Das Ergebnis wäre dann ‚weniger Bio‘. Auch etwaige Mehrkosten sind in diesen Zeiten eine potenzielle Herausforderung.“