Michael Radasztics (2012)
APA/Helmut Fohringer
Kurz wird angeklagt

Eurofighter-Ankläger als Richter

Dem Prozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dessen damaligen Kabinettschef Berhard Bonelli und die frühere ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz-Kremsner wird ein altbekanntes Gesicht vorsitzen: Michael Radasztics war auch schon Chefankläger im Eurofighter-Verfahren und ermittelte jahrelang gegen Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos).

Ab 18. Oktober wird das Wiener Straflandesgericht für drei Verhandlungstage zum Schauplatz des Prozesses gegen die frühere ÖVP-Spitze. Die Vorwürfe gegen Kurz und Bonelli lauten Falschaussage vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss. Kurz sei stärker in die ÖBAG-Personalia, allen voran Thomas Schmid an der Spitze der Staatsholding, involviert gewesen, als er zugab, so die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Bonelli wird Ähnliches in Bezug auf die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates vorgeworfen. Glatz-Kremsner werden Falschaussagen sowohl im U-Ausschuss als auch vor der WKStA vorgeworfen. Für alle drei Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung sowie eine Strafandrohung von bis zu drei Jahren.

In der Praxis können die Vorwürfe schwierig nachzuweisen sein. Eine objektiv falsche Aussage kann zwar oft schnell festgestellt werden, für eine Verurteilung muss aber auch ein „bedingter Vorsatz“ nachgewiesen werden. Wer sich also lediglich falsch erinnert, kann nicht bestraft werden.

Kramar-Schmid (ORF) über Prozess gegen Kurz

Ein Strafantrag gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist am Freitag eingebracht worden, Kurz wird also angeklagt. Ulla Kramar-Schmid (ORF) spricht über die Details und die Konsequenzen für Kurz.

Sieben Jahre lang für Eurofighter-Akt zuständig

Betraut mit dieser Frage wird ein in Aufsehen erregenden Fällen erfahrener Einzelrichter sein, der auch in einige der prägendsten Causen der jüngeren österreichischen Geschichte involviert war: Radasztics ist erst seit Anfang Jänner Richter am Landesgericht für Strafsachen. Seine Laufbahn hatte er als Rechtsanwalt begonnen, er war unter anderem in einem internationalen Mobilfunkunternehmen tätig. Später ging er zur Staatsanwaltschaft Wien, ab 2012 war er dort Gruppenleiter.

Karl-Heinz Grasser vor Gericht im August 2020
APA/Roland Schlager
Karl-Heinz Grasser 2020

Radasztics war sieben Jahre lang allein für den riesigen Eurofighter-Akt zuständig, ehe ihm 2019 nach Kritik über seine Amtsführung der Akt entzogen und der WKStA übergeben wurde. Ob Radasztics den Fall freiwillig abgab oder gezwungen wurde, blieb Gegenstand von Spekulationen. Eine Kollegin wechselte jedenfalls damals zur WKStA und nahm den Fall schließlich in ihre neue Behörde mit. Der Vorgang sorgte damals für schwere Verwerfungen samt Anzeige mit dem später suspendierten Justizsektionsschef Christian Pilnacek (Stichwort: „Derschlagt’s es“).

Kontroversen um Radasztics

Jahrelang hatte Radasztics auch gegen Ex-Finanzminister Grasser wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Geldwäscherei ermittelt. Grasser erfuhr davon aber offiziell nichts. Deswegen landete Radasztics beinahe selbst auf der Anklagebank, ihm wurde Amtsmissbrauch vorgeworfen. Radasztics habe die Eurofighter-Ermittlungen gegen Grasser missbräuchlich „abgebrochen“, jedoch nicht formell eingestellt, lautete der Vorwurf damals. Der Staatsanwalt wehrte sich, es sei alles „lege artis“ abgelaufen.

Ein anderer Vorwurf betraf den damaligen Liste-Jetzt-Abgeordneten Peter Pilz, heute Publizist. Es gab Gerüchte, Radasztics habe Pilz eine Weisung Pilnaceks verraten – das wurde damals rasch wieder verworfen. Auch ein Befangenheitsvorwurf wurde laut: Ein Gutachter im Eurofighter-Verfahren wurde im Lauf der Jahre ein Freund Radasztics’. Die Anklage wurde nach zweimaliger Durchsicht durch den Weisungsrat im Justizministerium vom Oberlandesgericht Wien eingestellt.

Per Computer zugewiesen

Dass ausgerechnet Radasztics den Fall Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner erhielt, liegt am Prozedere in der Justiz. Der Akt langte am 11. August im Straflandesgericht ein, wie dessen Vizepräsidentin Christina Salzborn gegenüber ORF.at sagte. Dann landete der Akt im Verteilungssystem. Das computergesteuerte Zufallssystem wies den Fall Radasztics’ Abteilung zu. Strafanträge der WKStA fallen in eine Sonderzuständigkeit, für diese Verfahren sind Wirtschaftsabteilungen zuständig, von denen es am Gericht zehn gibt.

Die Entscheidung, mit welchen Agenden eine Richterin oder ein Richter betraut ist, trifft der Personalsenat, ein Gremium aus fünf Richterinnen und Richtern, in seiner Entscheidungsfindung unabhängig, so Salzborn.

Dass sich eventuell ein Betroffener einen anderen Richter oder eine andere Richterin wünschen und etwa Befangenheit anführen könnte, sei natürlich möglich und stehe den Beteiligten auch frei, hieß es. Bis dato gebe dafür aber keine Anzeichen, so Salzborn.