Waldbrand in West Kelowna, Kanada
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Kanada

Zermürbender Kampf gegen Flammenmeer

Im Westen Kanadas haben Wind, Trockenheit und Hitze auch am Montag (Ortszeit) die zahlreichen Waldbrände weiter angefacht, riesige Gebiete sind davon betroffen. Der Kampf gegen die Flammen ist für die Feuerwehren zermürbend: Der kanadische Premierminister Justin Trudeau kündigte an, Soldaten und Ausrüstung in die Provinz mit den derzeit verheerendsten Bränden, British Columbia, zu entsenden. Die Schäden können aktuell nicht einmal abgeschätzt werden, hieß es.

Die Rede ist derzeit von mindestens 50 zerstörten Gebäuden. Der örtliche Ministerpräsident David Eby sprach am Montag (Ortszeit) von einer ersten Beurteilung – die Zahlen könnten noch steigen. „Man kann davon ausgehen, dass es sich bei den meisten – wenn nicht allen – dieser Gebäude um Wohnhäuser handelt, was bedeutet, dass diese Häuser verloren sind“, so Eby weiter. Zehntausende haben bereits ihre Häuser verlassen müssen.

Die Feuer sorgten in der ganzen Provinz laut der kanadischen Rundfunkgesellschaft CBC auch für eine schlechte Luftqualität. In West Kelowna am See Okanagan im Süden von British Columbia sehe die Lage jedoch „endlich besser aus“, sagte der dortige Feuerwehrchef Jason Brolund. In der Gemeinde wurden in einem Zeitraum von 24 Stunden keine weiteren Häuser mehr zerstört, hieß es zuletzt.

Das Militär werde bei Evakuierungen sowie anderen logistischen Aufgaben helfen, schrieb Trudeau am Sonntag auf Twitter (X). Die Provinzregierung von British Columbia hatte demnach um Soldaten und Ausrüstung als Unterstützung seitens des Staates gebeten. Zudem unterstützen Feuerwehrleute aus Australien, Mexiko, Brasilien und Costa Rica sowie aus dem Osten Kanadas die westliche Provinz bei der Bekämpfung der Flammen.

Justin Trudeau
Reuters/Amber Bracken
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau verspricht Hilfe

Brände in gigantischem Ausmaß

Ein größeres Feuer, das unter anderem West Kelowna bedroht, erstreckte sich nach Schätzungen der Behörden am Sonntag über eine Fläche von 11.000 Hektar. Etwa 150 Kilometer weiter nördlich hatten sich am Samstag Behörden zufolge zwei Brände zu einem Feuer der Größe von mehr als 41.000 Hektar vereint. Betroffen sei die Region um den See Shuswap, teilten die Behörden mit.

Helikopter nahe McDougall Creek Waldbrände in West Kelowna
APA/AFP/Paige Taylor White
Auch mit Löschhubschraubern und -flugzeugen wird gegen die Brände vorgegangen

Zehntausende haben in den betroffenen Gebieten bereits ihre Häuser verlassen müssen. Rund 30.000 Einwohner und Einwohnerinnen waren es am Wochenende. „Es ist eine Frage von Leben und Tod, nicht nur für die Menschen in diesen Häusern, sondern auch für die Ersthelfer, die oft zurückgehen und versuchen, die Menschen zum Verlassen zu bewegen“, so der Aufruf.

Mehr als tausend Waldbrände gleichzeitig

Rund 36.000 weitere Bewohner und Bewohnerinnen der Provinz seien angewiesen worden, sich für eine mögliche Evakuierung bereitzuhalten, hieß es weiter. Kanada kämpft bereits seit Monaten gegen Waldbrände in mehreren Teilen des Landes. Das ganze Ausmaß der Schäden sei wegen der anhaltenden Feuer noch gar nicht abzuschätzen, so CBC.

Brände in Kanada und den USA in den letzten 48 Stunden ab dem 21.8.2023, 11.00 Uhr MESZ

In ganz Kanada lodern derzeit mehr als tausend Waldbrände, rund 400 davon in British Columbia. In den Nordwest-Territorien wurden über 200 Brände gezählt, so die jüngsten Zahlen vom Wochenende. Insgesamt verbrannten in Kanada in diesem Jahr bereits rund 14 Millionen Hektar Wald.

Waldbrände in Kelowna, Kanada
EBU/Wildfree
Waldbrand in British Columbia

Regierung mit schweren Vorwürfen gegen Facebook

Anlässlich der Brände erhebt die kanadische Regierung schwere Vorwürfe gegen den US-Konzern Meta wegen der Weigerung, Nachrichten über die Waldbrände via Facebook zu veröffentlichen. „Facebook stellt Unternehmensgewinne über die Sicherheit der Menschen“, sagte Ministerpräsident Trudeau am Montag während einer Pressekonferenz.

Das Verhalten des Konzerns sei unfassbar, aktuelle Informationen über die ausgedehnten Waldbrände seien lebenswichtig. „Es ist an der Zeit, dass wir mehr von Unternehmen wie Facebook erwarten, die Milliarden von Dollar mit den Kanadiern verdienen“, sagte der Regierungschef, ohne konkreter zu werden.

Nachrichten seit Anfang August blockiert

Meta blockiert seit Anfang August Nachrichten auf den Plattformen Facebook und Instagram für alle Nutzer in Kanada. Das US-Unternehmen regierte damit auf ein neues kanadisches Gesetz, nach dem Plattformen Nutzungsverträge mit kanadischen Medien aushandeln müssen, wenn sie deren Nachrichten veröffentlichen.

Meta reagierte am Montag nicht auf die Kritik von Trudeau. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte lediglich, dass die Kanadier Zugang zu Informationen von offiziellen Regierungsstellen, Notdiensten und Nichtregierungsorganisationen auf Facebook hätten.

Experte: Das ist vorprogrammiert

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zufolge führt die Klimakrise auch zu häufigeren und heftigeren Waldbränden. Dem Feuerökologen Johann Georg Goldammer zufolge sagen Fachleute für Kanada schon seit Jahrzehnten vermehrte Brände voraus. „Das ist vorprogrammiert durch die Austrocknung der Böden, der Wälder und der Feuchtgebiete.“ In nördlichen Breiten gebe es in vielen Gebieten eine Grundwasserabsenkung.

Zerstörte Wohngegend in Northwest Territories, Kanada
APA/AFP/Andrej Ivanov
Ein zerstörtes Wohngebiet in den Northwest Territories in Kanada

„Früher gab es Feuerrückkehrintervalle von 300 bis etwa 900 Jahren.“ Belege dafür seien in Jahresringen von Bäumen und den datierbaren Ablagerungen von Holzkohle zu finden. „Wir sehen jetzt schon eine erhebliche Verkürzung dieser Intervalle.“

Schlimmste bekannte Waldbrandsaison

Waldbrände sind in vielen Teilen Kanadas ein jährlich auftretendes Phänomen, bei dem auch immer wieder Menschen in Sicherheit gebracht werden müssen. In diesem Jahr handelt es sich allerdings um die schlimmste bekannte Waldbrandsaison in der Geschichte des Landes. In den Prärieprovinzen im Westen Kanadas stieg die Durchschnittstemperatur nach Angaben des Ministeriums für Umwelt und Klimawandel seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 1,9 Grad Celsius.

Die Umweltschutzorganisation WWF warnte am Montag vor immer stärkeren Brandkatastrophen. „Die fortschreitende Klimakrise hat uns in das Zeitalter der Megafeuer gebracht: Wo es schon immer Waldbrände gab, wie in Griechenland und Kanada, werden sie zu tödlichen Infernos“, sagte WWF-Waldreferent Johannes Zahnen. Die zunehmenden Brände seien Warnsignale der Natur, Klimaschutz müsse gestärkt werden. Der WWF werde deshalb am 15. September gemeinsam mit Fridays for Future beim bundesweiten Klimastreik auf die Straße gehen.