Strand in Albanien
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Billig baden

Albanien neuer Player im Sommertourismus

Als „Malediven von Europa“ wurde Albanien zuletzt in Medienberichten bezeichnet und auch ein Blick auf Instagram und Co. zeigt: Urlaub an der rund 400 Kilometer langen Küste des Balkan-Landes liegt voll im Trend. Albanien erwartet heuer bis zu zehn Millionen Touristinnen und Touristen – um etwa ein Drittel mehr als im letzten Jahr. Doch wer mit billigen Badeangeboten lockt, sieht sich häufig auch mit den Konsequenzen konfrontiert.

Atemberaubende Strände, sauberes Meer und gutes Essen locken nicht mehr nur Individualtouristinnen und -touristen an. Eine Aufwärtstendenz der Touristenzahlen beobachtet Albanien bereits seit dem Frühjahr. Das albanische Institut für Statistik (INSTAT) berichtete, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 rund 2,4 Millionen Menschen nach Albanien eingereist sind, verglichen mit 1,7 Millionen im gleichen Zeitraum des Jahres 2022.

„Ich denke, dass wir dieses Jahr vielleicht sogar 200 Prozent (der Gäste) im Vergleich zum letzten Jahr erreichen könnten“, so Arben Cipa, Leiter des Verbands der Reiseveranstalter im Badeort Saranda, gegenüber Euronews. Dem schloss sich Xhamani Baba, Chef des „Travel Magazine Balkan“, an: „Es gibt jedes Jahr einen progressiven Anstieg von etwa 20 bis 30 Prozent“, so Baba. „Zweifellos wird die Zahl auch in diesem Jahr höher sein.“

Geheimtipp ist Albanien jedoch schon lange keiner mehr. Bereits 2018 fragte die Buchungsplattform Checkfelix in einem Onlineartikel: „Jung und pleite?“ Und boten gleich einen Ausweg: Albanien biete eine kostengünstige Urlaubsalternative, auch mit weniger im Börserl.

„Wir werden nicht die neue Riviera“

Die durchschnittlichen Kosten für eine Nacht in einem Hotel am Strand mit Vollpension liegen heute etwa zwischen 30 und 300 Euro – vom Preis her das Italien von vor 30 Jahren. Der Vergleich zwischen den beiden Ländern, die an der engsten Stelle über die Adria nur rund 100 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt sind, fällt häufig.

Doch ließ Albaniens Premier Edi Rama bereits über die italienische Tageszeitung „La Stampa“ ausrichten: „Wir werden nicht die neue Riviera.“ Dass Rama das gerade einer italienischen Zeitung sagte, kommt nicht von ungefähr. Denn unter den Italienerinnen und Italienern ist das Balkan-Land als günstige Urlaubsdestination besonders beliebt. Doch Rama sieht sein Land wohl für Größeres bestimmt. „Der Billigtourismus wird nicht andauern“, prognostizierte er.

Strand in Vlore, Albanien
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Am Strand von Ksamil reihen sich bereits die Liegen dicht aneinander

Eine Tür will er sich bei den Italienerinnen und Italienern dennoch offen halten. „Ich bin verrückt nach Meloni. Wenn sie klug wäre, würde sie hier mehr investieren“, so der Sozialdemokrat Rama via Medien zur italienischen Premierministerin Georgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia.

Albanien und Italien – eine belastete Geschichte

Albanien und Italien verbindet eine lange Geschichte. Einerseits gibt es in Italien die Arberesh, eine alteingesessene ethnische Minderheit in Mittel- und Süditalien, andererseits Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Albanien, die seit 1991 nach der Auflösung der kommunistischen Diktatur unter dem Autokraten Enver Hoxha zu Hunderttausenden über die Adria gekommen sind, um sich ein besseres Leben aufzubauen.

Es waren also immer schon die Albanerinnen und Albaner in der Diaspora, die ihre Verwandten in der Heimat besucht hatten, und der Trend schwappte auch auf das restliche Italien über. Der für seinen konfrontativen Stil bekannte Rama prahlte in den sozialen Netzwerken mit Bildern, die Fähren voller italienischer Touristinnen und Touristen zeigten, und bezeichnete sie ironisch als „Invasion“ – ein belasteter Begriff, da der faschistische Führer Benito Mussolini 1939 in Albanien einmarschiert war, bis die Nazis das Land 1943 besetzten.

„Tourismus in Albanien ist konzentriert“

Es sei nicht abzustreiten, wie die Plattform „Balkan Insight“ schreibt, dass Probleme des Übertourismus wie Umweltverschmutzung, aber auch eine unzureichende Stromversorgung insbesondere in den bergigen Regionen Albaniens und ein Mangel an Arbeitskräften im Gastgewerbe angegangen werden müssten.

Während Unternehmen mit höheren Einnahmen aus dem Tourismus rechnen, hat die lokale Organisation Qendresa Qytetare (Bürgerwiderstand) laut der Nachrichtenplattform festgestellt, dass der Mangel an Arbeitskräften die Entwicklung der Tourismusbranche langfristig beeinträchtigen könnte, da junge Albanerinnen und Albaner bessere Arbeitsmöglichkeiten in Westeuropa suchen würden.

Die Promenade von Saranda, Albanien
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Der Tourismus beschränkt sich hauptsächlich auf die Küstengebiete, wie etwa den beliebten Badeort Saranda

„Trotz seiner raschen Entwicklung ist der Tourismus in Albanien konzentriert, der Großteil der Einnahmen stammt aus dem Küstentourismus, der mit mehreren Problemen verbunden ist“, heißt es in dem Bericht. „Die starke Saisonabhängigkeit, die (hohe) Fluktuation der Beschäftigten und der Mangel an Arbeitskräften können die Qualität der Dienstleistungen und die Entscheidungsfindung der Unternehmen beeinträchtigen“, heißt es weiter.

Italienische Touristen prellten Zeche

Doch offensichtlich ist Albanien gewillt, konkrete Probleme, die mit dem Tourismus einhergehen können, direkt am Schopf zu packen. Als Meloni letzte Woche mit ihrer Familie in Albanien Urlaub machte und ihren albanischen Kollegen Rama traf, sprach dieser einen pikanten Vorfall an.

Vier italienische Touristen sollen Berichten zufolge in der Stadt Berat in einem Restaurant die Zeche geprellt haben. Nach einer Schelte durch Rama höchstpersönlich gab Meloni dem italienischen Botschafter in Albanien den Auftrag, er solle „gehen und die Rechnung für diese Idioten bezahlen“, berichtete „La Stampa“. Die Rechnung belief sich auf rund 80 Euro. Die italienische Botschaft in Albanien bestätigte, dass die Rechnung mit Melonis persönlichen Mitteln bezahlt wurde.