UNO-Soldaten auf einem Dach in der UN-Pufferzone auf Zypern
APA/AFP/Jewel Samad
Zypern

Übergriffe in Pufferzone heizen Konflikt an

In den vergangenen Tagen ist es auf der geteilten Mittelmeer-Insel Zypern zu den größten Spannungen seit Jahren gekommen. Ein Straßenbauprojekt beim Dorf Pyla (türkisch: Pile), wo griechische und türkische Zyprioten zusammenleben, löste Gewalt gegen die UNO-Friedensmission aus – und schürt Ängste vor weiteren Auseinandersetzungen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen hatten türkisch-zypriotische Sicherheitsleute Ende vergangener Woche Soldaten der UNO-Friedenstruppe angegriffen, nachdem diese versucht hatten, den Ausbau einer Straße durch die Pufferzone zwischen den beiden Inselteilen zu verhindern. Zypern ist nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention seit 1974 geteilt. Die Pufferzone dazwischen wird von der Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern (United Nations Peacekeeping Force in Cyprus, UNFICYP) bewacht.

Wer in der Zone etwas verändern möchte, benötigt die Genehmigung der Blauhelme. Die aber lag nicht vor, als sich der türkische Norden dazu entschloss, die Straße zu vergrößern. Die Blauhelme versuchten also, die Bauarbeiten zu verhindern. Medienberichten zufolge rammten dann türkische Zyprioten UNO-Jeeps mit Bulldozern zur Seite, entfernten Stacheldrahtrollen und gingen auf die Soldaten los – drei von ihnen wurden verletzt.

Besorgnis auf vielen Seiten

Zyperns Staatspräsident Nikos Christodoulidis und der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis verurteilten das umstrittene Straßenbauprojekt und das gewalttätige Vorgehen der türkischen Zyprioten gegen die UNO-Friedensmission. Auch der Europäische Rat zeigte sich besorgt – der Süden der Insel ist seit 2004 EU-Mitglied.

UN-Polizist auf einer Straße im Dorf Pyla auf Zypern
AP/Petros Karadjias
Die UNFICYP soll auf Zypern für Frieden sorgen, sieht sich nun aber selbst Gewalt ausgesetzt

Ebenso alarmiert äußerten sich die Botschaften der USA, Großbritanniens und Frankreichs. In einer gemeinsamen Erklärung der drei ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates hieß es: „Wir verurteilen die Angriffe auf die UNO-Friedenstruppe und die Beschädigung von UNO-Fahrzeugen durch türkisch-zypriotisches Personal. Die Bedrohung der Sicherheit der UNO-Friedenstruppen und die Beschädigung von UNO-Eigentum stellen nach internationalem Recht ein schweres Verbrechen dar.“

Die USA, Großbritannien und Frankreich „fordern die türkisch-zypriotischen Behörden auf, die Bauarbeiten unverzüglich einzustellen, das UNFICYP-Mandat und die Abgrenzung der Pufferzone zu respektieren, von einseitigen Aktionen abzusehen, die dagegen verstoßen, und alle nicht genehmigten Bauten zu entfernen“. Sie warnen zudem davor, dass „weitere Aktionen in Richtung Eskalation die Aussichten auf eine Rückkehr zu Siedlungsgesprächen untergraben könnten“.

UNO-Soldaten patrouillieren in der UN-Pufferzone auf Zypern
APA/AFP/Roy Issa
Das Mandat der Blauhelme wird seit 1974 vom UNO-Sicherheitsrat kontinuierlich verlängert

Türkische Zyprioten sehen „humanitäre“ Notwendigkeit

Die türkisch-zypriotische Führung dagegen behauptete, die Friedenstruppe habe Grenzen überschritten. „Es ist bedauerlich, dass die UNFICYP versucht hat, den Ausbau der Straße zu behindern, der von einem zivilen Auftragnehmer auf dem souveränen Territorium der Türkischen Republik Nordzypern durchgeführt wird“, sagte Präsident Ersin Tatar. Die Straße sei aus rein humanitären Gründen notwendig, um die wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Probleme der in dem Dorf lebenden türkischen Zyprioten zu lösen.

Die türkisch-zypriotischen Behörden fordern seit Langem eine Straße, die den Verkehr zwischen Pyla und der nahe gelegenen Gemeinde Arsos/Yigitler erleichtern soll. Mit dem türkisch-zypriotischen Projekt würde sich die Fahrzeit mehr als halbieren, so Tatar. Offen bleibt, warum das Ansinnen nicht offiziell bei der UNO-Mission beantragt wurde. Pyla ist nach der faktischen Teilung der Insel mit seinen knapp 3.000 Bewohnerinnen und Bewohnern der einzig noch verbliebene gemischte Ort mit griechischen und türkischen Zyprioten.

Wachturm in der UN-Pufferzone auf Zypern
IMAGO/NurPhoto/Kostas Pikoulas
Wachturm in der UNO-Pufferzone: Alle Bemühungen um Wiedervereinigung der Insel sind bisher gescheitert

Türkei: UNO präsentiert sich als „Opfer“

Auf die Seite Nordzyperns schlug sich wenig überraschend die Türkei: Präsident Recep Tayyip Erdogan warf der UNO-Friedenstruppe vor, zu Gewalt angestiftet zu haben. Das Vorgehen der Blauhelme bezeichnete er als „inakzeptabel“. Mit ihrem „Eingreifen gegenüber den Dorfbewohnern“ sowie ihren „unangemessenen Äußerungen“ hätten die UNO-Soldaten „ihrer Unparteilichkeit und ihrem bereits beschädigten Ruf weiteren Schaden zugefügt“, sagte der türkische Staatschef.

Auch das türkische Außenministerium hatte sich zuvor ähnlich geäußert. Als Garantiestaat fordere man die Blauhelme dazu auf, von Handlungen und Äußerungen abzusehen, die ihre Mission auf der Insel überschatten würden. Die UNO-Truppen spielten bei der Eskalation des Straßenbauprojekts eine wichtige Rolle, präsentierten sich aber „als Opfer der Ereignisse vor Ort“.

UNFICYP: „In Pyla ist alles ruhig“

Welche Dimensionen der Konflikt noch annehmen könnte, dürfte sich in den kommenden Tagen zeigen: Nach der Wochenendpause wollten die türkischen Zyprioten den Bau der Straße weiterverfolgen. Die UNO-Friedenstruppe kündigte an, weiter gegen Bauarbeiten einzuschreiten – auch wenn die Spannungen bereits nachgelassen hätten, wie die Vereinten Nationen am Montag zu betonen versuchten: „In Pyla ist alles ruhig“, sagte ein UNFICYP-Sprecher.