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Fukushima

Kühlwasser kommt ab Donnerstag ins Meer

Ungeachtet großer Sorgen unter Nachbarstaaten und der Fischerei beginnt Japan mit der umstrittenen Einleitung aufbereiteten Kühlwassers aus der Atomruine Fukushima ins Meer. Die Verklappung soll am Donnerstag beginnen, sofern das Wetter mitspielt. Das entschied das Kabinett von Premier Fumio Kishida am Dienstag.

Kishidas Regierung argumentiert, dass auf dem Gelände der Atomruine der Platz zur Lagerung des Kühlwassers ausgehe und dadurch die Stilllegungsarbeiten behindert würden. Die Ableitung des Wassers in den Pazifischen Ozean sei eine Angelegenheit, die „nicht aufgeschoben werden kann“, so der konservative Regierungschef. Japans Fischereiverbände äußerten bis zum letzten Tag ihre entschiedene Ablehnung. Auch Umweltschützer und Nachbarn wie etwa China übten Kritik.

Im AKW Fukushima Daiichi war es im März 2011 infolge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis zu Kernschmelzen gekommen. Die Reaktoren müssen weiter mit Wasser gekühlt werden, das in mehr als 1.000 riesigen Tanks gelagert wird. Doch nun geht der Platz dafür nach Angaben des Betreiberkonzerns TEPCO aus, zudem drohe eine langfristige Lagerung die Stilllegungsarbeiten an der Atomruine zu behindern. Auch bestehe das Risiko von Lecks, hieß es.

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Ein Blick auf das AKW Fukushima

30 Jahre Ableitung prognostiziert

Daher sollen die mehr als 1,3 Millionen Tonnen Wasser über einen eigens hierzu in den Pazifik gebauten, einen Kilometer langen Tunnel ins Meer geleitet werden. Das wird voraussichtlich etwa 30 Jahre in Anspruch nehmen. Vor der Verklappung im Pazifik wird das belastete Kühlwasser jedoch zunächst aufbereitet.

Das Filtersystem kann allerdings das radioaktive Isotop Tritium nicht herausfiltern. TEPCO will das Wasser daher so weit verdünnen, dass die Tritiumkonzentration auf 1.500 Becquerel pro Liter sinkt, was weniger als einem Vierzigstel der nationalen Sicherheitsnorm entspreche. Die Grenzwerte für Tritium im Trinkwasser sind international höchst unterschiedlich. In den USA liegt er bei 740 Becquerel pro Liter, die WHO gibt als Grenzwert 10.000 an. In der EU wird ab 100 Becquerel pro Liter ein Monitoring ausgelöst.

Fukushima: Kühlwasser wird ins Meer geleitet

Gut zwölf Jahre nach dem Super-GAU in Fukushima beginnt Japan mit der umstrittenen Einleitung aufbereiteten Kühlwassers aus der Atomruine ins Meer. Mit der Verklappung wolle man frühestens am Donnerstag beginnen, gab Ministerpräsident Fumio Kishida bekannt. Seine Regierung argumentiert, dass auf dem Gelände der Atomruine der Platz zur Lagerung des Kühlwassers ausgehe und dadurch die Stilllegungsarbeiten behindert würden.

IAEA: Auswirkungen „vernachlässigbar“

Japans Atomaufsichtsbehörde hatte kürzlich grünes Licht gegeben. Zuvor hatte auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Verklappungsplänen zugestimmt. Japan erfülle die internationalen Sicherheitsstandards. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt seien „vernachlässigbar“, so die IAEA.

Fachleute verweisen darauf, dass Atomkraftwerke in aller Welt schon seit Jahrzehnten routinemäßig belastetes Kühlwasser ins Meer ableiten. Japans Fischereiverbände befürchten jedoch, dass der Ruf ihrer Erzeugnisse weiter beschädigt wird. Sie versuchen sich seit dem Super-GAU geschäftlich zu erholen.

Greenpeace „empört“

Einen Skandal ortete der grüne Anti-Atom-Sprecher Martin Litschauer, weil die „japanische Regierung, die Entscheidung über die Einleitung von mehr als einer Million Tonnen Kühlwasser in den Pazifik der IAEA“ überlasse. „Die IAEA ist keine unabhängige Organisation, sondern setzt sich für die Nutzung von Atomenergie ein und ist daher kein adäquates wissenschaftliches Gremium, um diese weltweit relevante Entscheidung zu treffen“, kritisierte Litschauer. Er forderte, dass die EU die Einfuhrbeschränkungen von Fisch aus Japan wiedereinführen müsse.

Auch Umweltschützer und Umweltschützerinnen kritisieren die Ableitung des Wassers. „Wir sind zutiefst enttäuscht und empört über die Ankündigung der japanischen Regierung, radioaktiv belastetes Wasser in den Ozean zu leiten“, sagte Hisayo Takada von der Umweltschutzgruppe Greenpeace Japan.

Die Regierung habe sich über die Bedenken der Fischerei, von Bürgern und Bürgerinnen und der internationalen Gemeinschaft, insbesondere in der Pazifikregion und den Nachbarländern, hinweggesetzt. „Anstatt die Mängel des aktuellen Stilllegungsplans, die andauernde Atomkrise und den massiven Bedarf an öffentlichen Mitteln anzuerkennen, beabsichtigt die japanische Regierung, weitere Atomreaktoren wieder in Betrieb zu nehmen“, erklärte Greenpeace in einer Stellungnahme.

China und Russland für Verdampfung

Auch Global 2000 verurteilte „aufs Schärfste die politisch motivierte Fehlentscheidung der japanischen Regierung, das radioaktiv belastete Fukushima-Kühlwasser über Jahrzehnte in den Pazifik abzupumpen“. Alternative Ansätze wie die Lagerung in Großtanks oder Verfestigung seien nicht geprüft, genauso wenig wie die langfristigen Folgen der radioaktiven Verseuchung, kritisierte Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher der Umweltorganisation, und forderte die österreichische Bundesregierung auf, „auf diplomatischem Weg scharfen Protest gegen das Vorgehen Japans einzulegen, das einen gefährlichen Präzedenzfall für den Umgang mit radioaktiven Stoffen setzen würde“.

China und Russland, die sich ebenfalls gegen die Verklappung im Meer aussprechen, drängten nach Informationen der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo Tokio kürzlich gemeinsam dazu, stattdessen eine Entsorgungsstrategie durch Verdampfung in Erwägung zu ziehen. Eine Verdampfung des Wassers und seine Freisetzung in die Atmosphäre habe geringere Auswirkungen auf die Nachbarländer als die Einleitung ins Meer, zitierte Kyodo aus einem Tokio vorgelegten Dokument.

Peking ergreift „notwendige Maßnahmen“

China kritisierte am Dienstag Japan schwer. „Der Ozean ist das gemeinsame Eigentum der gesamten Menschheit und kein Ort, an dem Japan willkürlich nuklear verseuchtes Wasser entsorgen kann“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, am Dienstag.

Peking werde „notwendige Maßnahmen“ zum Schutz der maritimen Umwelt, für die Lebensmittelsicherheit und die allgemeine Gesundheit ergreifen, teilte Wan weiter mit. China hat bereits vergangenen Monat ein Verbot für die Einfuhr von Lebensmitteln aus zehn japanischen Regionen angekündigt, darunter Fukushima. Produkte aus anderen japanischen Gebieten sollen streng auf radioaktive Strahlung hin untersucht werden.

Importverbot auch in Hongkong

Hongkong gab am Dienstag ebenfalls ein sofortiges Importverbot für Meeresprodukte aus zehn japanischen Regionen bekannt. „Ich bringe meine starken Einwände zum Ausdruck“, teilte Hongkongs Regierungschef John Lee in Onlinenetzwerken mit. Er nannte den Schritt Japans zur Einleitung des verseuchten Fukushima-Wassers „unverantwortlich“, eigene Probleme würden so auf andere abgewälzt. Risiken für die Lebensmittelsicherheit und die Schädigung des Ökosystems des Meeres würden außer Acht gelassen.

Hongkong ist nach Angaben des japanischen Landwirtschaftsministeriums der zweitgrößte Importeur japanischer Lebensmittel nach China. Das Importverbot für Meeresprodukte aus Japan wurde in Hongkong nun für die zehn japanischen Regionen Tokio, Fukushima, Chiba, Tochigi, Ibaraki, Gunma, Miyagi, Niigata, Nagano und Saitama erlassen.