Zeremonie in Kiew anlässlich des Tags der Flagge in der Ukraine
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Ukraine

Unabhängigkeitstag im Zeichen der Symbolik

Für die Ukraine ist der 24. August ein denkwürdiges Datum – er markiert den Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion. Am Donnerstag wird er zum 32. Mal begangen. Zugleich ist es an diesem Tag genau eineinhalb Jahre her, dass Russland die Ukraine überfiel. Wie bereits im Vorjahr wird es im Land aus Angst vor russischen Drohnen und Raketen im Land keine großen Veranstaltungen geben – gesetzt wird auf Symbolik.

Präsident Wolodymyr Selenskyj würdigte seine Landsleute am Donnerstag als „freies Volk“. Der Unabhängigkeitstag sei ein Feiertag eines „freien“, „starken“ und „würdigen“ Volkes, erklärte der Staatschef auch in einem zwölf Minuten langen Video in sozialen Netzwerken. Selenskyj lobte das ukrainische Militär, das derzeit im Süden und Osten der Ukraine eine Gegenoffensive gegen die russischen Invasionstruppen führt.

Wie schon im Vorjahr wurden entlang der zentralen Chreschtschatyk-Straße und auf dem Michaelplatz in der Hauptstadt Kiew Panzer und andere Kampffahrzeuge in Formation gebracht – keine eigenen, sondern ausgebrannte russische. Der 80 bis 100 Meter breite Boulevard ist eine Hauptverkehrsstraße, die auch am zentralen Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz, vorbeiführt. Für den Verkehr wurde die Straße gesperrt, schon seit Wochenbeginn werden die russischen Wracks von Spaziergängerinnen und Spaziergängern begutachtet.

Auf einem Boulevard in Kiew aufgereihte, ausgebrannte russische Panzer anlässlich des Tags der Flagge in der Ukraine
AP/Efrem Lukatsky
Ausgebranntes russisches Kriegsgerät entlang der Kiewer Chreschtschatyk-Straße

Umbau der Mutter-Heimat-Statue beendet

An einem weiteren Ort in der Hauptstadt mit viel Symbolkraft wird die Fertigstellung eines Großprojekts gefeiert. Bereits am Mittwoch, am Tag der Nationalflagge, wurden die Umbauarbeiten an der Mutter-Heimat-Statue, einem wichtigen Wahrzeichen der Stadt, offiziell beendet. Seit Wochen war an der 62 Meter hohen Statue gearbeitet worden – genauer gesagt am Wappen. So wurde das sowjetische Wappen durch den Dreizack der Ukraine ersetzt.

Mutter-Heimat-Statue in Kiew mit dem Wappen der Sowjetunion
Mutter-Heimat-Statue in Kiew mit dem Wappen der Ukraine
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Das Sowjetwappen der Kiewer Mutter-Heimat-Statue wurde durch den Dreizack ersetzt

Kritische Phase

Generell sollen die Feierlichkeiten „mit umfangreicherem Programm“ als im Vorjahr stattfinden, wie die staatliche Nachrichtenagentur Ukrinform meldete. Doch fällt der Tag für die Ukraine in eine kritische Phase, da die Gegenoffensive gegen die russischen Besatzer im Osten und Süden des Landes nur langsam vorankommt. Zwar wurde von Kiew zuletzt etwa die Rückeroberung des Dorfes Robotyne in der Oblast Saporischschja gefeiert, dennoch ist die Ukraine von der Rückeroberung bedeutender Gebiete noch weit entfernt.

Ranghohe Politiker in Kiew

Bereits am Vortag kamen anlässlich des Gipfeltreffens der Krim-Plattform mehrere ranghohe ausländische Politiker nach Kiew. Dazu zählten die Präsidenten Portugals, Ungarns und Litauens, der finnische und der moldawische Ministerpräsident, Vertreter der Niederlande, der Türkei sowie Bosnien-Herzegowinas.

Die Krim-Plattform ist eine Initiative des ukrainischen Außenministeriums, die sich dafür einsetzt, die volle Souveränität der Ukraine über die Krim in Einklang mit dem Völkerrecht wiederherzustellen. Die Plattform besteht seit August 2021, Österreich unterstützt die Initiative seit der ersten Stunde.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) nahm virtuell daran teil und sicherte Kiew Österreichs „weitere Unterstützung“ zu. Laut Redetext sagte er: „Wir werden Russland nicht mit diesem Verbrechen davonkommen lassen. Österreich setzt sich an vorderster Front für die Einrichtung eines Sondertribunals ein.“ Zum Unabhängigkeitstag schrieb er am Donnerstag auf Twitter (X), dass man die Ukraine „so lange wie nötig unterstützen“ werde.

Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz sicherte Kiew erneut den Beistand Deutschlands zu: Scholz richtete sich via Twitter (X) direkt an Selenskyj: „Wir stehen an Ihrer Seite“, teilte Scholz in einem Beitrag auf Englisch mit. „Heute feiern Sie die Unabhängigkeit und Freiheit Ihrer Nation. Das sind genau die Werte, die Ihr ganzes Land in Ihrem tapferen Kampf gegen die brutale russische Aggression verteidigt. Wir bewundern Ihren Mut und Ihre Stärke.“

Militärgeheimdienst: Ukrainische Flagge auf Krim gehisst

Selenskyj versprach beim Treffen am Mittwoch die Vertreibung der russischen Streitkräfte aus seinem Land, einschließlich der 2014 völkerrechtswidrig annektierten Krim: „Die Krim wird befreit wie alle anderen Teile der Ukraine, die leider immer noch unter der Herrschaft der Besatzer stehen“. Selenskyj betonte, die ukrainischen Streitkräfte würden ungeachtet aller Widerstände vorrücken.

Am Donnerstag wurde schließlich ein „Sondereinsatz“ von ukrainischer Marine und ukrainischem Militärgeheimdienst in der Nacht auf der Krim publik. „Spezialeinheiten auf Wasserfahrzeugen landeten an der Küste im Bereich der Siedlungen Oleniwka und Majak“, hieß es. Vor Ort sei die ukrainische Flagge gehisst worden. „Alle Ziele“ seien erreicht und dem Feind Verluste zugefügt worden. Ziele wurden nicht genannt, Verluste wurden nicht beziffert.

Zugleich berichten US-Medien aber, dass die US-Regierung zunehmend beunruhigt über den schleppenden Fortgang der Rückeroberung und die Strategie der Ukraine sei. In der „New York Times“ äußerten nicht genannte US-Militärs und andere Fachleute die Auffassung, die Ukraine konzentriere zu wenige Einheiten im Süden. Deshalb stocke der erhoffte Vormarsch in Richtung Asowsches Meer. Sie rieten Kiew, die Taktik zu ändern.

Selenskyj weist Kritik zurück

Selenskyj reagierte noch am Abend auf die Kritik: „Weiß ein Experte, wie viele Menschen, wie viele Besatzer sich im Osten aufhalten? Ungefähr 200.000“, sagte Selenskyj in Kiew. Die russische Armee warte nur darauf, dass die Ukraine den Schutz einiger Frontabschnitte vernachlässige. Die Russen würden dann im Osten sofort vorstoßen. „Wir werden Charkiw, den Donbas, Pawlohrad oder Dnipro nicht aufgeben. Und das ist auch gut so“, sagte der Präsident.

Generell steht die Frage im Raum, wie lange der treueste und wichtigste Verbündete USA seine Unterstützung aufrecht halten wird. Neue Schätzungen der US-Geheimdienste zeigen zudem, dass mit rund 70.000 getöteten Soldaten die Verluste auf ukrainischer Seite enorm sind.

Zusagen für F-16-Jets

Fachleute weisen darauf hin, dass Russland weiterhin über mehr Männer, Ausrüstung und Munition als die Ukraine verfüge. Rechtzeitig zum Unabhängigkeitstag konnte Selenskyj vor wenigen Tagen immerhin Zusagen bezüglich der Lieferung Dutzender F-16-Kampfjets seitens Dänemark und den Niederlanden verbuchen. Bis sie zum Einsatz kommen, wird es jedoch noch Monate dauern. Fachleute bezweifeln zudem, dass sie den Verlauf des Krieges unmittelbar beeinflussen werden.