WKStA Wien
ORF.at/Christian Öser
Demox-Institut

ÖVP-Ministerien im Fokus von Ermittlungen

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt rund um von mehreren ÖVP-geführten Ministerien in den Jahren 2021 und 2022 in Auftrag gegebenen Umfragen beim Demox-Institut. Es gehe um den Verdacht der Untreue, des Betrugs und der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen – „durch die Beauftragung von Ministeriumsumfragen mangels sachlicher Notwendigkeit“, gab die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung am Dienstag bekannt.

Laut WKStA betreffen die Ermittlungen die Beauftragung von Meinungsumfragen durch das Verteidigungsministerium, das Landwirtschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium. Ermittelt wird demnach gegen fünf namentlich bekannte Beschuldigte und eine unbekannte Person – sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite. Drei weitere Personen werden als Angezeigte geführt.

„Es besteht der Verdacht, dass im Namen der Bundesministerien zumindest in den Jahren 2020 und 2021 eine Reihe von Umfragen beauftragt wurde, für die keine oder nur teilweise sachliche Notwendigkeit bestand“, schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung. „Gleichzeitig hatten die Umfragen auch ministeriumsfremde Fragen zum Inhalt, die zumindest zum Teil anderen Zwecken gedient haben dürften.“

Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen

Damit wäre der „‚Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit‘ der staatlichen Verwaltung verletzt“ und „dem Bund mit ihrer Bezahlung ein finanzieller Schaden entstanden, dessen genaue Höhe noch Gegenstand von Ermittlungen ist“.

Bestätigt wurde seitens der WKStA auch, dass „vor Kurzem“ Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen an mehreren Standorten durchgeführt wurden. Daneben seien noch weitere Ermittlungsmaßnahmen gesetzt worden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP: „Schmutzige Methoden“ der SPÖ

Die ÖVP unterstellte in einer ersten Reaktion der SPÖ, schuld an den Ermittlungen zu sein – denn diese habe Anzeige erstattet: „Die SPÖ ersetzt auch unter (SPÖ-Chef Andreas, Anm.) Babler konstruktive Politik durch Anzeigen. Auch unter Andreas Babler setzt die Sozialdemokratie ihre schmutzigen Methoden fort“, so ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker Mittwochnachmittag in einer Aussendung. „Zuerst werden Leute angezeigt, das führt zu Ermittlungen der WKStA, und dann zu Medienberichten und Empörung der SPÖ.“

„Klar ist: Jeglicher Verdacht gegen die ÖVP ist klar zu widerlegen, denn alle Umfragen, die von der ÖVP beauftragt wurden, wurden auch von der ÖVP bezahlt“, betonte Stocker. Man sei informiert worden, „dass bei einem Institut, mit welchem die Volkspartei arbeitet, Sicherstellungen stattgefunden haben. Dies nehmen wir zur Kenntnis.“ Es handle sich bei den „längst bekannten Vorwürfen“ um „Omnibus-Umfragen, wo mehrere Auftraggeber bei einer Umfragewelle beteiligt sind und die im Zuge des Untersuchungsausschusses von der SPÖ aufgeworfen wurden“ – diese würden nun offenbar überprüft. Stocker pochte auf die Unschuldsvermutung, notwendig sei jetzt rasche Aufklärung der Justiz, denn alle Betroffenen hätten ein Recht auf ein schnelles Verfahren.

Thema bereits im U-Ausschuss

Der Geschäftsführer von Demox – ein ehemaliger Funktionär beim ÖVP-Bauernbund – war bereits im Juni des Vorjahres zum Thema der Umfragen für die ÖVP in den ÖVP-U-Ausschuss geladen. Damals erklärte er, für jeden einzelnen Auftrag seien „zahlreiche Leistungen“ erbracht und „branchenübliche Honorare“ verrechnet worden. Auch schloss er bei seiner Aussage vor dem Ausschuss „vehement“ aus, dass über sein Institut von der öffentlichen Hand finanzierte Studien für die ÖVP erbracht wurden.

In Umfragen etwa für das Landwirtschaftsministerium war unter anderem auch eine Frage zur Asylpolitik enthalten, in einer anderen zur Wien-Wahl. Verrechnungen von ÖVP-Umfragen an Ministerien habe es nicht gegeben, so der Demox-Geschäftsführer im U-Ausschuss. Auch schloss er aus, dass Umfragen von seinem Institut an Dritte weitergegeben worden sein könnten.

Die ehemalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sagte im Juni 2022 vor dem U-Ausschuss aus. Auch sie wies damals alle Vorwürfe zurück. Vorhalte u. a. seitens der SPÖ, wonach ihr Ministerium Umfragen mit parteipolitisch motiviertem Inhalt in Auftrag gegeben habe, wies sie zurück.

Köstinger von Ermittlungen nicht überrascht

Köstinger war in jenem Zeitraum, den die WKStA untersucht, Landwirtschaftsministerin. Von den Ermittlungen ist sie nicht betroffen, sie wird weder als Beschuldigte noch als Angezeigte geführt, schreibt der „Standard“. Köstinger will einen „klar parteipolitischen Angriff“ des SPÖ-Politikers Jan Krainer erkennen, wie sie dem „Standard“ sagte. Krainer brachte die Anzeige ein. Die Ermittlungen würden sie nicht überraschen, sagte Köstinger weiter zum „Standard“.

In den vergangenen Jahren habe man immer wieder dasselbe Muster erkennen können, nämlich eine Politik durch Anzeigen und darauffolgende Ermittlungen, so Köstinger. Das vernichte die Existenz von Menschen, die jahrelang als Beschuldigte geführt würden, hohe Anwaltskosten zu tragen hätten und sich schließlich als unschuldig erwiesen, so Köstinger gegenüber der Zeitung.

Die ehemalige Wirtschaftministerin Margarete Schramböck – sie trat mit Köstinger damals zurück –, wird laut dem „Standard“ ebenfalls nicht als Beschuldigte geführt, wie deren Anwältin dem „Standard“ sagte.

SPÖ sieht sich in Kritik bestätigt

SPÖ-Abgeordneter Krainer sah sich nun in seiner Kritik bestätigt. „Die ÖVP schlittert in den nächsten Korruptionsskandal rund um Steuergeldmissbrauch für Parteiumfragen. Während das Beinschab-Tool der ÖVP zum Fälschen von Umfragen diente, dürften mit dem Demox-Tool Parteiumfragen durchgeführt worden sein – finanziert durch das Finanzministerium, das Landwirtschaftsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Verteidigungsministerium und das Außenministerium“, sagte der SPÖ-Finanzsprecher in einer Aussendung.

Die Ergebnisse hätten nicht der Arbeit in den Ministerien, „sondern ausschließlich der ÖVP“ gedient, so Krainer. Das sei „ein weiterer Beweis dafür, dass die ÖVP korrupt ist. Mit diesen Methoden muss endlich Schluss sein.“ Krainer fordert von ÖVP-Chef Karl Nehammer „als verantwortlichem Parteiobmann“ die Offenlegung sämtlicher Umfragetätigkeiten der ÖVP-Bundespartei.

FPÖ: Schwarze ‚Neigungsgruppe Korruption‘

Kritik kam auch von FPÖ und NEOS. „Zwei Dinge in diesem Universum sind grenzenlos: das Universum selbst und die korruptiven Tendenzen in Teilen der ÖVP und deren Umfeld“, so auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. „Die schwarze ‚Neigungsgruppe Korruption‘ bietet sicher genügend Stoff für Untersuchungsausschüsse der nächsten Jahre und Jahrzehnte.“ Die Hausdurchsuchung beim ÖVP-nahen Umfrageinstitut Demox bestätige wieder einmal, dass die bisher bekannten Skandale „nur die Spitze des Eisberges sein dürften“.

NEOS forderte rasche Aufklärung: „Die ÖVP zeigt jedes Mal aufs Neue, dass sie ein strukturelles Problem mit Korruption hat. Wann lernt sie endlich, dass das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher nicht das persönliche Körberlgeld der Volkspartei ist?“, fragte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Er forderte rasche Aufklärung durch die Justiz, „und zwar ohne türkise Querschüsse“.