Hand mit Lupe und Blatt mit der Aufschrift „Zinsen“
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Kreditnehmer in Not

Scharfe Kritik an angekündigten Schritten

Die Ergebnisse des von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) veranstalteten Bankengipfels zum Thema Zinsen haben Opposition und Verbraucherschutzorganisationen enttäuscht. Die Pläne, wie unter Druck geratenen Kreditnehmenden geholfen werden soll, reichten nicht aus, so der Tenor. Positive Reaktionen kamen hingegen von Industrie und Wirtschaft.

Über die steigenden Zinsüberschüsse der Banken und das größer werdende Gefälle zwischen Kredit- und Sparzinsen entbrannte zuletzt eine intensive Diskussion. Als Reaktion stellten Brunner und Willi Cernko, Obmann der Sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer (WKO), am Mittwoch Maßnahmen in Aussicht: Bei variablen Krediten sollen keine Mahnspesen und Verzugszinsen verrechnet werden. In Einzelfällen sollen auch Stundungen oder eine Verlängerung der Laufzeiten möglich sein. Man reagiere damit auf Einzelfälle, so Cernko.

Brunner kündigte zudem eine Plattform bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) an. Sie solle die Konditionen der Geldhäuser im Sinne der Transparenz bündeln und veröffentlichen. Außerdem soll der Bundesschatz wiederbelebt werden. Österreich hatte dieses Onlinesparprodukt, damals zugänglich über Bundesschatz.at, angesichts der Niedrigzinsen im Jahr 2019 eingestellt.

Erste Ergebnisse nach Bankengipfel

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat am Mittwoch mit Vertretern der Banken über Maßnahmen gegen die steigenden Kreditzinsen beraten. In einem ersten Schritt sollen Mahnspesen und Verzugszinsen wegfallen, für alle Personen, die derzeit ihre Raten nicht bezahlen können.

Rufe nach Zinsdeckel

Das am Mittwoch vorgestellte Paket stieß nicht überall auf Begeisterung. SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer forderte einen Zinsdeckel, damit die Kredite getilgt werden können. „Besonders verwerflich“ sei Brunners Verhalten, „der nichts gegen das offensichtliche Marktversagen im Finanzsektor und die Übergewinne der Banken unternehmen will. Auf Freiwilligkeit zu setzen, hat bei der Bekämpfung der Teuerung nicht funktioniert und wird bei den Zinsen nicht funktionieren“, so Krainer.

Auch bei der FPÖ konnte man den Maßnahmen nichts abgewinnen: „Unleistbare Kreditzinsen bleiben unberührt, es gibt keinen Zinsdeckel, keine Übergewinnsteuer, keine Erhöhung der Bankenabgabe und kein Ende der ‚Scheingewinn‘-Steuer auf Sparzinsen“, erklärten laut Aussendung Parteichef Herbert Kickl und Finanzsprecher Hubert Fuchs. „Für die Sparer gibt es also genau nichts, und die Kreditnehmer sind bei Verzugszinsen und Mahnspesen Bittsteller der Banken.“

Forderungen nach einem Zinsdeckel hatte Brunner schon am Vormittag eine Absage erteilt, einen solchen umzusetzen, sei rechtlich nicht möglich. „Wenn wir über Zinsdeckel sprechen, ist das kartellrechtlich nicht möglich und würde zu massiven Verwerfungen an Finanzmärkten führen“, sagte er mit Verweis auf Italien. Auch eine Sondersteuer werde es nicht geben, man habe gesehen, dass das „nicht unbedingt eine gute Idee“ sei. Italien hatte eine Steuer vorgestellt, um Gewinne abzuschöpfen, die die Geldhäuser mit Hilfe der Zinsentwicklung einfahren. Daraufhin hatten die Finanzmärkte revoltiert, die Reform wurde in der Folge in einigen Punkten angepasst.

Institut verweist auf französisches Modell

Differenziert sah NEOS auf die Pläne: Dass die Banken betroffenen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern unter die Arme greifen, sei deren gutes Recht. „Denn es ist nicht die Aufgabe der Politik, jeden Lebensbereich zu Tode zu regulieren, genauso wenig wie die Mieterinnen und Mieter durch ihr Steuergeld das Risiko von Wohnungseigentümern mit variablem Kredit übernehmen können“, so Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Allerdings müssten die Lohnnebenkosten gesenkt werden, damit die Bevölkerung über mehr Geld verfüge.

"Wie erwartet – enttäuschend“ beurteilte der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) die Ergebnisse vom Mittwoch. „Die Problematik der hohen Zinsen für Überziehungskredite wurde nicht einmal angegangen“, so ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth in einer Aussendung. Andere Länder hätten etwa Zinsobergrenzen für Kredite, so Schuberth. Die Transparenzoffensive sei „die nächste Ankündigung, aber keine Lösung für historische Rekordgewinne“ der Banken. Ein Vergleichsportal für Sparerinnen und Sparer gebe es außerdem ohnehin schon.

Das arbeiterkammernahe Momentum Institut verwies wiederum auf das französische Modell und forderte Ähnliches für Österreich: Demnach erhalten Sparende in Frankreich derzeit auf Spareinlagen je nach Einkommen drei oder sechs Prozent Zinsen, wobei diese staatlich festgelegt werden. Die Zinssätze würden jährlich – falls notwendig auch unter dem Jahr – angepasst. Für die Einlagen auf einem durchschnittlichen österreichischen Sparbuch erhalte man hingegen derzeit 0,95 Prozent Zinsen.

Industrie und Wirtschaft erfreut

Positive Reaktionen kamen am Mittwoch von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und der Industriellenvereinigung (IV). Das Paket greife dann unter die Arme, „wenn und wo es wirklich notwendig ist“, so WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. „Damit muss auch das populistische Spiel einzelner Politiker auf dem Rücken einer gesamten Branche ein Ende haben.“

„Die aktuell vorgeschlagenen kurzfristigen und teils populistischen Eingriffe in den Bankensektor sind nicht zielführend und schaden dem Investitionsklima“, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. „Mit den Vorschlägen zur Transparenz der Verzinsung von Spareinlagen wird sichergestellt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger ihr Geld mit der jeweils besten Verzinsung anlegen können“, so Neumayer.

Finanzwissen gefragt

Einen anderen Aspekt brachte am Mittwoch der frühere Erste-Bank-Chef Andreas Treichl im Ö1-Morgenjournal aufs Tapet: das mangelnde Finanzwissen in Österreich. Man müsse in Not geratenen Kreditnehmern helfen, „dann muss man vernünftige Lösungen finden für die Zukunft. Und ich kann es leider nur noch einmal sagen: Ein ganz, ganz wichtiger Aspekt ist, dass wir in Richtung Finanzbildung in Österreich wirklich viel machen“, so Treichl. So könnten gravierende Fehlentscheidungen – etwa zu riskante oder unpassende Kreditverträge – vermieden werden.

Auch die Rechtsschutzplattform Cobin Claims sah Beratungsfehler, die Kreditnehmer teuer kommen könnten. Sie verwies auf Auslandskredite, die Probleme machen könnten. Derzeit gebe es rund 45.000 offene Franken-Kredite, so Obmann Oliver Jaindl. Hier sollte die Politik für ein Moratorium sorgen, um Notfälle und Zwangsversteigerungen zu verhindern.

VSV für Härtefallfonds

Der Verbraucherschutzverein (VSV) kritisierte ebenfalls die Fremdwährungskredite und forderte eine Verlängerung der Verjährungsfrist für falsche Beratung von drei auf 30 Jahre sowie einen Unterstützungsfonds für Klagen und einen Härtefallfonds sowie die Umsetzung der EU-Richtlinie für Sammelklagen, um Betroffenen einfacher helfen zu können. Dass Banken der Kundschaft in der Niedrigzinsphase Kredite aufgedrängt hätten, sei nur die halbe Wahrheit, so VSV-Chefjurist Peter Kolba. Viele Häuslbauer und Häuslbauerinnen litten noch heute an „den unseligen Konstruktionen von endfälligen Fremdwährungskrediten und Tilgungsträgern aus Zeiten vor der Finanzkrise, die provisionsgetrieben wie warme Semmeln verkauft wurden“.