Integrationsbericht
APA/Georg Hochmuth
Bericht

Sprache weiterhin hohe Hürde bei Integration

Ausreichende Sprachkenntnisse sind elementar für eine gelungene Integration, auch auf dem heimischen Arbeitsmarkt. Dabei stellten sich in Österreich ganz grundlegende Probleme, hieß es bei der Präsentation des jüngsten Integrationsberichts, da offenbar zahlreiche Zugewanderte nicht lesen können. Im Bereich Arbeitsmarkt gebe es zudem bei Jugendlichen noch viel zu tun.

Bei der Vorstellung des Berichts am Donnerstag hieß es, dass von den 2022 nach Österreich gekommenen Menschen sieben von zehn Alphabetisierungsbedarf hätten. Rund die Hälfte konnte in keiner Sprache lesen und schreiben, der übrige Teil habe aus Zweitschriftlernenden bestanden, so der Bericht. Bei Syrern und Syrerinnen sei der Anteil mit 78 Prozent am höchsten – das liege unter anderem am Zusammenbruch des Schulsystems in dem Bürgerkriegsland.

Viele der Primäranalphabetinnen und -analphabeten haben laut Bericht keine Schule besucht oder nur eine Volksschule. Zwar sei das System in Österreich gut, so die Vorsitzende des Integrationsbeirats, Katharina Pabel, aber es liege auf der Hand, dass sie unter diesen Voraussetzungen bestimmte Deutschniveaus nur schwer erreichen können.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte, dass zudem über eine Leistungspflicht bei Deutschkursen nachgedacht werde, um die Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt zu forcieren. Derzeit gelte eine Teilnahmepflicht, um die Sozialhilfe nicht zu verlieren. Sie könne sich vorstellen, dass in einem bestimmten Zeitraum ein „gewisses Sprachniveau“ erreicht werden müsse, um die Sozialhilfe zu behalten, sagte Raab bei der Präsentation am Donnerstag. „Wir denken darüber nach, wie man das gesetzlich abbilden kann.“

Katharina Pabel, Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Tobias Thomas
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Pabel, Raab und Tobias Thomas (Statistik Austria) stellten den aktuellen Bericht vor

Raab für Wartefrist bei Sozialleistungen

Sie sprach sich zudem abermals für eine Wartefrist für Sozialleistungen für Neuzugewanderte in Österreich nach dem Vorbild Dänemarks aus. Sie habe „kein Verständnis“ dafür, dass Menschen trotz zahlreicher Kurse nicht den Sprung in den Arbeitsmarkt schaffen und stattdessen in einer „Endlos-Kurs-Schleife“ hängen. „Ich halte es, gerade bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation, für inakzeptabel, dass Menschen Jahre im Sozialhilfesystem verweilen.“

Dabei gehe es nicht immer um „Deutsch auf Hochschulniveau“, sondern um Basiskenntnisse. Pabel plädierte in diesem Zusammenhang auch für eine Flexibilisierung des Deutschangebotes wie etwa die vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) angebotenen Onlinelerneinheiten, die unter anderem auf Einstiegsjobs zugeschnitten sind.

Vorstöße zum Thema Integration

Laut Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) wird geprüft, ob eine Leistungspflicht bei Deutschkursen gesetzlich verankert werden kann. Das sagte sie bei der Präsentation des Integrationsberichts.

Auf die Unterstützung des Koalitionspartners kann Raab nicht zählen. „Kürzungen bestehender Sozialleistungen oder Verschärfungen unter dem Deckmantel ‚Leistungspflicht‘“ stünden für die Grünen nicht zur Diskussion, heißt es in einem Statement gegenüber der APA. Mit Sozialleistungen unterstütze man „jene Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen“. Diese treffsicher zu gestalten, sei eine wichtige Aufgabe der Politik. Maßgeblich sei dabei nicht das Ausmaß der Beschäftigung oder der „Leistung“, sondern der Bedarf an Unterstützung.

Jugendliche bei Integration benachteiligt

Der Schwerpunkt des heurigen Berichts liegt laut Pabel auf der Situation für Jugendliche. Die Auswertung der Daten zeige, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei Bildung und Integration in den Arbeitsmarkt schlechter abschneiden als Jugendliche ohne. Viel weniger oft würden sie eine Lehre absolvieren oder in höher bildende Schulen wechseln, so Pabel. Auch sei ihr Anteil in der Gruppe der „NEETs“ größer, also jener Jungen, die sich nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung befinden.

Als Maßnahme schlägt der Expertenrat etwa eine systematischere und kontextbezogenere Berufsberatung vor. Besonders müsse der Fokus dabei auf Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund gelegt werden. Zudem sollte ein Augenmerk auf wegen der Flucht unterbrochenen Bildungswegen liegen. Ziel müsse sein, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund Chancengleichheit erfahren.

Jede vierte Person hat Migrationshintergrund

Mittlerweile hat jede vierte Person in Österreich Migrationshintergrund. Der Anteil jener, deren Elternteile beide im Ausland geboren sind, stieg im Jahresvergleich um ein Prozent auf nunmehr 26,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, heißt es im Statistischen Jahrbuch 2023 von Statistik Austria und ÖIF. 2022 waren es laut Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria, in absoluten Zahlen (und im Durchschnitt) 2,35 Mio. Menschen. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Anteil demnach um 7,6 Prozentpunkte an.

Die Erwerbstätigenquote der 15- bis 64-Jährigen mit Migrationshintergrund lag 2022 laut Jahrbuch bei 69 Prozent, jene der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei 76 Prozent. Dabei gab es deutliche Unterschiede je nach Herkunftsland: Personen aus den EU-Staaten vor 2004, den EFTA-Staaten bzw. dem Vereinigten Königreich (GB) wiesen mit 79 Prozent höhere Erwerbstätigenquoten auf als Personen mit türkischem Migrationshintergrund (63 Prozent) bzw. aus sonstigen Drittstaaten (64 Prozent).

Mehr Jugendarbeitslosigkeit bei Migrationshintergrund

Rund acht Prozent der 15- bis 24-Jährigen waren 2022 weder erwerbstätig noch in Aus- oder Weiterbildung. Jugendliche ohne Migrationshintergrund waren zu sechs Prozent betroffen, Jugendliche mit Migrationshintergrund zu zwölf Prozent. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit waren ausländische Jugendliche mit 7,4 Prozent stärker betroffen als inländische (4,8 Prozent), wobei vor allem Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und dem Irak am höchsten betroffen waren (20 Prozent).

Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, für die Deutsch nicht die erste Sprache ist, nahm zudem zu: In den vergangenen zehn Jahren stieg er von 19 auf 27 Prozent. Rund zehn Prozent der Schüler und Schülerinnen mit nicht deutscher Erstsprache, die zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 14 Jahre alt waren, hatten auch zwei Schuljahre später die Pflichtschule noch nicht abgeschlossen. Bei ihren deutschsprachigen Mitschülern und Mitschülerinnen waren es drei Prozent. Sieben Prozent der nicht deutschsprachigen Mädchen und rund zwölf Prozent der Burschen beenden ihre Ausbildung ohne Pflichtschulabschluss.

Deutsche vor Rumänen, Serben und Türken

Die größte Gruppe der 1,7 Mio. in Österreich lebenden Menschen ohne österreichischen Pass waren mit Stichtag 1. Jänner deutsche Staatsbürger und Staatsbürgerinnen (225.000), gefolgt von 147.500 rumänischen sowie 121.900 serbischen und 119.700 türkischen Staatsbürgern. Auf den Rängen fünf bis zehn finden sich Kroatien, Ungarn, Bosnien-Herzegowina, Syrien sowie die Ukraine und Polen als Herkunftsländer.

Die stärksten Zuwächse seit 2015 in absoluten Zahlen gab es bei Rumänen (plus 74.100), Ukrainern (plus 71.000), Syrern (plus 70.900) und Deutschen (plus 54.500). 2022 erhöhte sich die Nettozuwanderung nach Österreich – der Saldo aus Zuwanderung und Abwanderung – im Vergleich zum Vorjahr um 161 Prozent (plus 137.000 Personen). Für die deutliche Zunahme sorgten vor allem Vertriebene aus der Ukraine sowie Flüchtlinge aus Syrien.

Große Unterschiede bei regionaler Verteilung

Bei der regionalen Verteilung gibt es zudem große Unterschiede. Der Großteil der im Ausland geborenen Bevölkerung lebt in größeren Städten: Anfang 2023 wohnten in Wien knapp 40 Prozent der in Österreich lebenden Personen mit ausländischem Geburtsort. Wie Thomas ausführte, beurteilen Zugewanderte das Zusammenleben auch deutlich besser als in Österreich Geborene. Während rund 61 Prozent der Zugewanderten dieses als „sehr“ bzw. „eher gut“ einschätzen, sind das bei den hier Geborenen lediglich 28 Prozent. Ein gutes Drittel der autochthonen Bevölkerung bezeichnet es als „eher“ bzw. „sehr schlecht“.

NEOS und SPÖ nehmen ÖVP in die Pflicht

Die Opposition sparte im Anschluss an die Präsentation des Integrationsberichts nicht mit Kritik. NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty warf Raab vor, sich „mit der populistischen Forderung nach Sozialleistungskürzungen weiter an die FPÖ anzubiedern“. Stattdessen sollte die ÖVP, die seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt, in die Gänge kommen und endlich überfällige Reformen bei der Zuwanderung und auf dem Arbeitsmarkt umsetzen.

Ähnlich auch SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch: „Seit zehn Jahren führt die ÖVP das Integrationsressort. Und seit zehn Jahren hören wir von der ÖVP, dass im Integrationsbereich zu wenig weitergeht.“ Oxonitsch erinnerte daran, dass die ÖVP gemeinsam mit den Freiheitlichen das Integrationsjahr im österreichischen Arbeitsmarkt abgeschafft habe. Verpflichtende Sommerdeutschkurse forderte angesichts des Integrationsberichts einmal mehr Wiens Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS).

FPÖ sieht Grenzen verschwimmen

FPÖ-Chef Herbert Kickl wiederum warf der ÖVP in einer Aussendung vor, die klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl immer mehr aufzulösen. „Asyl ist Schutz auf Zeit und nicht der Deckmantel für eine Masseneinwanderung, vornehmlich nur in unser Sozialsystem.“ Die Freiheitlichen seien die einzigen, die diese Trennlinie „nachweislich, nachhaltig und konsequent mit der ‚Festung Österreich‘“ ziehen, so Kickl.

Eine langfristige Perspektive für Ukraine-Vertriebene verlangte unterdessen Caritas-Präsident Michael Landau. Mittlerweile fühlten sich bereits mehr als die Hälfte Österreich zugehörig, und eine baldige Rückkehr in die Ukraine sei unwahrscheinlich. Kritik an Raab kam vom ÖGB. „Sinnvoller“ wäre es, die eigenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, anstatt über eine Leistungspflicht bei Deutschkursen nachzudenken, so ÖGB-Arbeitsmarktexpertin Sylvia Ledwinka.