Überdachter Innenhof des British Museum
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British Museum

Direktor geht nach Skandal um Diebstähle

Der Skandal rund um die Diebstahlserie im British Museum weitet sich aus. Zunächst musste das renommierte Haus zugeben, dass ein Mitarbeiter über Jahre Hunderte wertvolle Objekte unbemerkt entwenden konnte. Dann häuften sich Berichte, laut denen deutliche Hinweise ignoriert wurden. Für den deutschen Museumsdirektor Hartwig Fischer wurde der Druck zu hoch: Am Freitag nahm er doch seinen Hut.

Der Imageverlust der Institution, eines der wichtigsten Museen weltweit, ist enorm. Es beherbergt einige der bedeutendsten Kulturschätze der Menschheit, etwa einen großen Teil der Parthenon-Skulpturen, den Stein von Rosetta und ägyptische Mumien. Als der Skandal vorige Woche publik wurde, war die Schrecksekunde lang. Museumsdirektor Hartwig Fischer, ein deutscher Kunsthistoriker, brauchte einige Tage, um öffentlich zu reagieren – er bestritt jedes Fehlverhalten. Am Freitag aber gab es doch Konsequenzen: Fischer tritt vorzeitig ab.

Zuvor war bekanntgeworden, dass ein Mitarbeiter wohl schon seit 2013 Hunderte Objekte und Artefakte gestohlen haben soll. Dazu gehören etwa Goldmünzen, exquisiter Schmuck, Glaskunst und Töpferwaren aus der Zeit zwischen dem 15. Jahrhundert vor bis zum 19. Jahrhundert nach Christus.

Besucher gehen am Sicherheitspersonal vor dem British Museum vorbei
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Das renommierte British Museum leidet unter einem Imageverlust durch die lange unentdeckten Diebstähle

Insgesamt seien bis zu 1.000 Gegenstände „vermisst, gestohlen oder beschädigt“. Der verdächtige Mitarbeiter wurde entlassen, rechtliche Schritte wurden eingeleitet. Eine Polizeiquelle ging gegenüber der „Times“ davon aus, dass es sich wohl um einen Fall von Kleptomanie handle.

Der Mann könne ausgenutzt haben, dass die Artefakte nicht oder nicht ausreichend katalogisiert waren. Viele der fehlenden Objekte seien nicht öffentlich ausgestellt gewesen, sondern ohne zeitliche Beschränkung für Forschung zur Verfügung gestellt worden, hieß es weiter. Es sei auch zu befürchten, dass die Gegenstände online für einen Bruchteil des Wertes verkauft wurden.

Antiquitätenhändler versuchte zu warnen

Offenbar gab es in der Vergangenheit Warnungen an das Museum. Die BBC erlangte etwa Mails, die nahelegen, dass der Antiquitätenhändler Ittai Gradel die Museumsführung schon 2021 darauf aufmerksam machte, dass manche der Objekte auf eBay angeboten würden. Die Hinweise wurden demnach nicht ernst genommen, man habe geprüft, doch die Sammlung sei geschützt, so die Antwort des Museums damals.

Gradel meinte auch, er habe in einem anderen Fall einen Drittverkäufer darauf aufmerksam gemacht, dass ein von ihm angebotener Edelstein aus dem Museum stamme. Daraufhin sei der Stein zurückgegeben worden, doch das Museum sei dem Vorfall nicht ausreichend nachgegangen. Gradel ließ nicht locker und verlangte Antworten. Doch die Museumsleitung habe versucht, „alles unter den Teppich zu kehren“. Es habe keine Beweise gegeben, um den Verdacht zu untermauern.

Direktor entschuldigt sich

Museumsdirektor Fischer rechtfertigte am Mittwoch noch das Vorgehen. Der Museumsleitung sei 2021 erstmals Diebstahlvorwürfe zu Ohren gekommen, man habe aber schnell gehandelt. Es sei 2021 ein Verdacht an ihn herangetragen worden, der sich nicht habe verifizieren lassen. Erst im Zuge einer umfangreicheren Untersuchung 2022 sei „ein größeres Problem“ ans Licht gekommen, hieß es. Daraufhin habe man die Polizei eingeschaltet.

In der Mitteilung über seinen Rücktritt am Freitag klang es gänzlich anders. „In den vergangenen Tagen habe ich die Ereignisse rund um die Diebstähle aus dem British Museum und die Ermittlungen dazu im Detail überprüft. Es ist offensichtlich, dass das British Museum auf die Warnungen im Jahr 2021 und auf das Problem, das nun vollständig zum Vorschein gekommen ist, nicht so umfassend reagiert hat, wie es hätte reagieren sollen", hieß es in einer Mitteilung.

Museumsdirektor Hartwig Fischer (British Museum)
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Hartwig Fischer zog sich aus der Leitung des Museums zurück

Bei Gradel entschuldigte er sich: „Die Verantwortung für dieses Versagen muss letztendlich beim Direktor liegen. Ich habe auch die Bemerkungen, die ich Anfang dieser Woche über Dr. Gradel gemacht habe, falsch beurteilt. Ich möchte mein aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck bringen und diese Bemerkungen zurückziehen.“

Fischer führte das Museum seit 2016. Schon im vergangenen Monat hatte er seinen Rücktritt für 2024 angekündigt – der Schritt habe aber nichts mit der Diebstahlserie zu tun, ließ die Museumsleitung vor wenigen Tagen noch wissen.

Athen verärgert

Die Diebstahlserie führte auch zu diplomatischen Verwerfungen mit Griechenland, das schon seit Langem eine Rückgabe von Kulturgütern aus dem British Museum fordert. Die Chefin des griechischen Archäologenverbands, Despina Koutsoumba, stellte infrage, dass die griechischen Artefakte in London sicher seien. „Wir wollen dem British Museum sagen, dass sie nun nicht mehr behaupten können, griechische Kulturgüter seien im British Museum besser aufbewahrt“, so Koutsoumba. Der britische Abgeordnete Tim Loughton, der einer parteiübergreifenden Parlamentariergruppe zum British Museum vorsteht, beschwerte sich über „unverhohlenen Opportunismus“ aus Griechenland.

Auch wenn die nun bekanntgewordenen Diebstähle umfangreich sind, sie sind nicht die ersten im British Museum. Für Aufregung sorgte etwa 2002 die Entwendung einer 2.500 Jahre alten griechischen Statuette. Das zwölf Zentimeter große Marmorobjekt war damals von einem Besucher einfach unbemerkt mitgenommen worden.

Die goldene Skulptur Saliera von Benevenuto Cellini im Wiener Kunsthistorischen Museum
APA/Kunsthistorisches Museum
Benvenuto Cellinis „Saliera“

Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Abteilung keine permanente Überwachung, obwohl sie für die Öffentlichkeit zugänglich war. Anschließend wurde eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt.

Museumsdiebstähle nicht selten

Fachleute gehen davon aus, dass Museumsdiebstähle ständig auf der ganzen Welt passieren. Nur wenige aber werden aufgrund des Wertes des entwendeten Objekts oder einer spektakulären Vorgangsweise beim Diebstahl selbst weltweit bekannt. Das berühmteste Beispiel ist wohl Leonardo da Vincis Mona Lisa, die 1911 von einem Italiener aus dem Louvre gestohlen wurde. Er habe das Gemälde in seine Heimat zurückbringen wollen, so sein Motiv.

Österreich hatte seinen spektakulären Kunstdiebstahl 2003: Benvenuto Cellinis „Saliera“ verschwand über Nacht aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Der Dieb war über ein Gerüst in das Haus eingestiegen, das goldene Salzfass blieb daraufhin drei Jahre lang verschollen, bis der Dieb wegen einer Erpresser-SMS aufflog – mehr dazu in noe.ORF.at.