Schüler mit Mobiltelefonen
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Freund und Feind

KI fordert Schulen heraus

Des einen Freund, des anderen Feind: Künstliche Intelligenz (KI) in Form von Systemen wie etwa ChatGPT ist aus Schulen nicht mehr wegzudenken. Ob Lehrerin oder Schüler – zu Nutzen machen kann man sich KI definitiv, doch birgt sie ebenso Herausforderungen für das Schulsystem. Was man daraus macht, liegt aber immer noch beim Menschen und nicht bei der Maschine.

Hannah Schatzberger, Geographie- und Geschichtelehrerin an der HTL in Hollabrunn (Niederösterreich) schilderte gegenüber ORF.at, dass anfänglich die Skepsis gegenüber KI-basierter Systeme im Lehrerkollegium vorhanden war. „Viele haben sich schon gefragt: Was kommt da auf uns zu?“, so die Pädagogin.

Doch vielleicht auch, weil es eine HTL sei, sei das Gros der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber KI im Unterricht positiv eingestellt. „Ich sage meinen Schülerinnen zum Beispiel, sie können ChatGPT für Ideen verwenden – aber nicht für ‚Copy und Paste‘“, so Schatzberger. Wie sie denn verhindere, dass „geschummelt“ werde? „Verhindern kann ich es nicht, aber es fällt auf. ChatGPT verwendet immer dieselben Formulierungen, Textabfolgen und Argumentationen“, weiß die Pädagogin.

„Es wird wahrscheinlich schwieriger“

„Man muss seine Schülerinnen schon sehr schlecht kennen, dass einem das nicht auffällt, aber es wird in ein paar Jahren wahrscheinlich schwieriger, KI zu erkennen“, so Schatzberger. „Wenn die KI zum Beispiel individuelle Stile lernen kann.“ Es gebe jedoch auch dann immer noch Möglichkeiten, die eigene Leistung der Schülerinnen und Schüler festzustellen, zeigte sich die HTL-Lehrerin überzeugt.

Schüler mit Laptops und Mobiltelefonen
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KI ist in der Schule nicht mehr wegzudenken

„Vielleicht muss ich dann meinen Modus ändern und den Lerneffekt anders feststellen“, so Schatzberger. „Zum Beispiel, dass die Schüler Aufgaben in Verbindung mit der eigenen Lebenswelt setzen müssen. Das kann die KI nicht.“ Sie selbst nutze ChatGPT zum Beispiel für das Planen von Schulausflügen, aber auch als Anregung für Prüfungsfragen, die sie dann individuell abändere.

Das wird auch vom Bildungsministerium unterstützt, das eine „Handreichung“ zum Thema KI im April dieses Jahres an Pädagoginnen und Pädagogen ausgeschickt hatte. „Jeder technologische Fortschritt stellt (…) auch immer eine Chance dar“, heißt es darin. Die Umsetzung, so wird in dem Papier klar, obliegt aber alleine den Lehrerinnen und Lehrern.

Direktorin: Situation an Volksschulen „katastrophal“

Die Direktorin einer Volksschule in einer niederösterreichischen Kleinstadt, die namentlich nicht genannt werden möchte, bezeichnete die Situation an ihrer Bildungseinrichtung gegenüber ORF.at hingegen als „katastrophal“, da die ÖVP-geführte Gemeinde nicht viel für digitale Ausstattung ihrer Volksschule übrig habe. Das konkrete Problem: Volks- und Mittelschulen sind in Österreich in der Regel Angelegenheit der Gemeinde – anders als AHS und BHS.

„Das Ministerium gibt den Lehrplan vor, aber um die Ausstattung muss sich dann die Gemeinde kümmern“, so die Volksschuldirektorin. „Wir können digitale Grundbildung (bei der KI Thema ist, Anm.) nur theoretisch unterrichten, da wir keine Ausstattung haben.“ Es gebe bei 230 Schülerinnen und Schülern nur zehn Stand-PCs und noch weniger Laptops. Zumeist würden Lehrerinnen und Lehrer daher ihre privaten Devices verwenden müssen.

Bub im Volksschulalter mit Smartphone
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Beobachtungen einer Volksschuldirektorin zufolge hätten viele Kinder zu Hause unkontrollierten Zugriff auf Smartphones

Dabei wäre es, so die Volksschuldirektorin, so wichtig, schon bei den Kleinsten auch in der Praxis mit digitaler Bildung anzusetzen. „In der Volksschule sind vor allem die Gefahren von KI Thema, weil viele Schülerinnen und Schüler unbeaufsichtigten Zugang haben“, so die Direktorin. So würden einige Volksschülerinnen und -schüler bereits Smartphones besitzen bzw. der Zugang zu Medien von den Erziehungsberechtigten nicht kontrolliert.

Experte: „Verbot ist völlig unrealistisch“

Und gerade weil Smartphones wie auch KI allgegenwärtig seien, mache es keinen Sinn, sie zu verbieten, so Jaro Krieger-Lamina, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA), gegenüber ORF.at. Das ITA beschäftigt sich mit den Auswirkungen neuer Technologien auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. „Die Diskussion, ob man KI in Schulen verbieten soll oder nicht, ist nicht zielführend. Das Ding ist jetzt da. Ein Verbot ist völlig unrealistisch“, zeigte sich Krieger-Lamina überzeugt. „Es wird überall verwendet, ständig weiterentwickelt auf allen denkbaren Ebenen. Es wird leistungsfähiger und braucht immer weniger Ressourcen.“

Auch wenn KI gerade jetzt heiß diskutiert wird, neu ist sie ganz und gar nicht. Als früheste Quelle wird häufig sogar das 18. Jahrhundert angegeben, als der Aufklärer Julien Offray de La Mettrie sein Werk „L’Homme Machine“ („Der Mensch, eine Maschine“) veröffentlicht hatte. Aus einer historischen Perspektive sei es spannend, die Narrative zu verfolgen, die sich immer und immer wieder wiederholten, so Krieger-Lamina.

„Einerseits gab es immer schon die Vorstellung, durch KI den Menschen zu verbessern oder zu übertrumpfen“, so der Experte. „Gleichzeitig ist die Technik diesen Ansprüchen aber nie ganz gerecht geworden.“ Zwar gebe es die in Expertenkreisen „schwache KI“ genannten Systeme schon länger – etwa Schachcomputer –, jedoch sei man von „starker KI“ bis heute ganz weit entfernt. „‚Starke KI‘ ist zum Beispiel eine Maschine, der ich eine beliebige Frage stelle und die mir eine vernünftige Antwort geben kann“, erklärt der Experte.

„ChatGPT produziert keine Wahrheit, sondern Texte“

ChatGPT also? „Nein“, so Krieger-Lamina entschlossen. „ChatGPT gibt nur vermeintlich vernünftige Antworten.“ Bei ChatGPT stecke nämlich „keine Form von Intelligenz dahinter, sondern ein statistisches Verfahren, das nicht dazu da ist, Wahrheit zu produzieren, sondern Texte.“ ChatGPT habe keine inhaltliche Kompetenz, sondern grase strukturiert vorliegende Daten im Internet ab und verwandle sie in Fließtext, der gravierende Fehler aufweisen könne.

Allerdings stecke dahinter keine böse Absicht, die KI habe kein „Gehirn“. Man dürfe also nicht die Fehler der KI „vermenschlichen“, so Krieger-Lamina. Beim Studieren von ChatGPT-Texten ergebe sich etwa auch ganz klar, wofür die Texte verwendet werden könnten, so der Experte: „Etwa in der Werbung, wo es häufig mehr um ein Gefühl geht, das mit dem Text vermittelt werden soll, als um den Inhalt.“

Pflichtfach Digitale Grundbildung

Die Art von Inhalten – von Menschen verfasst oder von KI generiert – zu identifizieren und zu differenzieren und das Wie dahinter zu verstehen, sei nicht zuletzt auch wichtig für Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort, meint Krieger-Lamina. „Wenn es in Österreich zu wenig Personal gibt, das mit sowas umgehen kann, dann werden sich entsprechende Firmen nicht mehr in Österreich ansiedeln“, so der Experte. „Wenn man da aber hohes Niveau bereits in der Grundbildung schafft, dann wird das sicher förderlich sein für die wirtschaftliche Entwicklung und auch für die Entwicklung der Wissenschaft.“

Bis zur Einführung des Faches Digitale Grundbildung im Schuljahr 2022/23 an Mittelschulen und AHS-Unterstufen fehlte das Thema KI in den Unterrichtsplänen völlig – es sei denn, ein Lehrer bzw. eine Lehrerin setzte über den Lehrplan hinaus individuelle Schwerpunkte. Das Pflichtfach soll nun laut Bildungsministerium dazu beitragen, Medienkompetenz zu erlangen, was auch den Umgang mit KI mit einschließt.

Jedoch: „Das Potenzial dieser KI-basierten Systeme kann (…) nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn Lehrende und Lernende über angemessene Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit solchen Anwendungen verfügen“, schreiben etwa die Autorinnen und Autoren des Fachmagazins „Medienimpulse“, das vom Bildungsministerium herausgegeben wird – und zwar in allen Fächern, nicht bloß in Digitaler Grundbildung, Informatik und Co.

UNESCO fordert Reglementierung

Das ist gewissermaßen auch im Sinne der UNO-Bildungsorganisation UNESCO. Doch rief sie vergangene Woche Regierungen zusätzlich beim Einsatz von KI in der Schule zu einer Reglementierung in ethischer und pädagogischer Hinsicht auf. Nötig seien ein auf den Menschen ausgerichteter Ansatz und die Schulung der Lehrenden, erklärte die Organisation. Zum Einsatz von generativer KI, wozu auch Textroboter wie ChatGPT gehören, legte die UNESCO einen Leitfaden vor, um den Herausforderungen begegnen zu können.

Das Papier ermuntere zu menschlichem Eingreifen, Inklusion, Fairness, Gleichstellung der Geschlechter sowie kultureller und sprachlicher Vielfalt beim Einsatz von KI. Auch lege es eine Altersuntergrenze von 13 Jahren für den Einsatz von KI-Tools in Klassen fest und empfehle allgemeine Standards für den Schutz von Daten und der Privatsphäre, erklärte die UNESCO.