ULEZ-Schilder und Autos in London
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London

Umweltzone trotz Kontroverse ausgeweitet

In Großbritannien gilt die in London bereits bestehende Umweltzone seit Dienstag auch für den Großraum der Hauptstadt. Trotz heftiger Kritik und Einwänden wegen der finanziellen Belastung inmitten einer Lebenshaltungskostenkrise treibt der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan das Projekt seiner Ultra Low Emission Zone (ULEZ) weiter, das für sauberere Luft in den betroffenen Gegenden sorgen soll.

Das System, das 2019 in der Londoner Innenstadt eingeführt worden war und die Luftverschmutzung bekämpfen soll, sieht für besonders umweltschädliche Fahrzeuge innerhalb der Zonengrenzen eine Gebühr von 12,50 Pfund (14,56 Euro) pro Tag vor. Wer die Gebühr nicht bezahlt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 180 Pfund pro nicht bezahltem Tag rechnen.

Betroffen wären Schätzungen zufolge aktuell 690.000 Fahrzeuge. Das Geld kommt nach Angaben der Londoner Verkehrsbetriebe (TfL) dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs zugute. So sollen die Busverbindungen in die äußeren Stadtteile der britischen Metropole verbessert werden. Berechnungen der TfL zufolge werden die Einnahmen aus der ULEZ und der Abgabe auf Dieselfahrzeuge mit besonders hohem Schadstoffausstoß in den Jahren 2023 und 2024 etwa 200 Mio. Pfund (ca. 233 Mio. Euro) betragen.

Streit erreicht britische Innenpolitik

Das Projekt war in den vergangenen Monaten auch Thema in der britischen Innenpolitik. Die Ausweitung der ULEZ wurde dafür verantwortlich gemacht, Khans oppositioneller Labour-Partei den Sieg bei einer Nachwahl um den Ex-Wahlkreis des früheren Premierministers im Westen Londons gekostet zu haben. Khan wurde Berichten zufolge von Parteichef Keir Starmer unter Druck gesetzt, die Pläne hinauszuzögern oder eine Kehrtwende bei dem Projekt zu machen, was Khan verweigerte.

Ganz London wird zur Umweltzone

Ab sofort dürfen nur noch Fahrzeuge kostenlos nach London fahren, die bestimmte Emissionsstandards erfüllen. Die konservative Regierung wirft Bürgermeister Sadiq Khan (Labour-Partei) vor, nur das Haushaltsloch der Hauptstadt stopfen zu wollen. Khan argumentiert, eine Verbesserung der Luftqualität in der Stadt sei dringend nötig.

Er verteidigt die Ausweitung als notwendig für eine verbesserte Luftqualität in London. Die „giftige“ Luftverschmutzung verursache jährlich Tausende Todesfälle und schwere Krankheiten, führte Khan an. Der Bürgermeister leidet selbst unter einer im Erwachsenenalter aufgetretenen Asthmaerkrankung, die er auf die schlechte Luft in der Hauptstadt zurückführt.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan
APA/AFP/Justin Tallis
Bürgermeister Khan verteidigt die Ausweitung der Umweltzone

Auch eine von fünf konservativ geführten Stadträten eingebrachte Klage vor dem Londoner High Court konnte die Ausweitung nicht stoppen. Das Gericht erteilte im Juli grünes Licht für eine auf den Großraum ausgedehnte Umweltzone. Einige Gegnerinnen und Gegner der ULEZ sehen die Ausweitung lediglich als Versuch, die Einnahmen der lokalen Transportbehörde zu erhöhen.

Ärger über Zusatzkosten

Großbritannien kämpft mit einer hohen Inflation, stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und schwachem Wirtschaftswachstum. Viele sind verärgert darüber, Fahrzeuge kostspielig ersetzen zu müssen, die den Mindestanforderungen der Umweltzone nicht gerecht werden.

Tickets für öffentliche Verkehrsmittel sind speziell in London im internationalen Vergleich extrem teuer. Hinzu kommt, dass viele Arbeitnehmende gezwungen sind, in die Stadt zu pendeln, da sie sich die Wohnkosten in den inneren Bereichen Londons nicht mehr leisten können.

Protest auf der Straße gegen ULEZ
Reuters/Hollie Adams
Die ULEZ sorgte in London für Proteste

Khan hatte kürzlich finanzielle Unterstützung für diese Autobesitzerinnen und Autobesitzer sowie Gewerbetreibende erhöht. Laut Bürgermeister Khan stellt die Stadt dafür insgesamt 160 Mio. Pfund an Förderungen. Für Pkws beträgt die Abwrackprämie 2.000, für Motorräder 1.000 Pfund. Auch Kleinunternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen können sich den Ankauf emissionsärmerer Fahrzeuge fördern lassen. Kritikerinnen und Kritiker monieren, die Summe sei vor allem für finanziell schwächere Haushalte zu wenig.

Am Sonntag zeigte sich Khan frustriert über eine mangelnde Unterstützung der britischen Regierung für das Projekt und die damit einhergehende Abwrackprämie – anders als in anderen englischen Städten. „Ich bin enttäuscht, dass sie Luftverschmutzung und Klimawandel offenbar als Waffe einsetzen“, sagte er der Nachrichtenagentur PA.

Sunak „auf der Seite der Autofahrer“

Die konservativen Torys üben scharfe Kritik an der Ausweitung. Die ULEZ werde „arbeitende Familien treffen“, sagte Premierminister Rishi Sunak. An den Plänen, den Verkauf von Neuwagen mit Benzin- und Dieselmotoren bis 2030 zu verbieten, will die Regierung festhalten.

Allerdings hat Sunak die Überprüfung von Low Traffic Nighbourhoods angeordnet. In diesen Zonen in Städten und Gemeinden ist der Autoverkehr stark eingeschränkt oder gänzlich unterbunden. Das Thema dürfte auch im nächsten Wahlkampf eine Rolle spielen. In Umfragen liegt Labour derzeit deutlich vor den Torys. Sunak erklärte bereits, er stehe „auf der Seite der Autofahrer“. Labour-Chef Starmer bezeichnete er als „Antimotoristen“.

Großbritanniens Premier Rishi Sunak
Reuters/Joe Giddens
Premier Sunak präsentiert sich als Fürsprecher der Autofahrerinnen und Autofahrer

Labour wiederum verweist darauf, dass die Pläne für die ULEZ auf den ehemaligen konservativen Premier Boris Johnson zurückgehen. Johnson war von 2008 bis 2016 Londoner Bürgermeister. Die ULEZ sei eine „essenzielle Maßnahme, die Luftqualität in unserer Stadt zu verbessern, die Gesundheit der Londonerinnen und Londoner zu schützen und unseren Führungsanspruch als großartige Stadt der Welt zu verlängern“, sagte Johnson bei der Präsentation der Pläne im Jahr 2015.