Balkone mit Sonnenschirmen
ORF/Viviane Koth
Zweidrittelmehrheit nötig

Feilschen um Zustimmung zu Mietpreisdeckel

Der am Mittwoch angekündigte Mietpreisdeckel enthält im Entwurf, mit dem drei Gesetze geändert werden sollen, überraschenderweise Verfassungsbestimmungen, wie ORF.at berichtete. Somit wird es den Deckel nur mit Stimmen der SPÖ oder der FPÖ geben. Die SPÖ übte schon harsche Kritik an den Maßnahmen und winkt ab. Die FPÖ hingegen stellt Forderungen.

Wer in einer Wohnung mit gesetzlich geregeltem Mietverhältnis – also etwa im gemeinnützigen Wohnbau – lebt, darf künftig mit Mieterhöhungen von höchstens fünf Prozent pro Jahr rechnen. Diese Regelung gilt für die kommenden drei Jahre – so will es zumindest der Entwurf, den ÖVP und Grüne am Mittwoch eingebracht haben. Er wird in den kommenden Wochen im zuständigen Ausschuss beraten, ein Beschluss im Plenum könnte im Oktober fallen.

Die entsprechenden Gesetze (Mietrechtsgesetz, Richtwertgesetz und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz), die im Antrag angeführt sind, könnten jedoch auch einfachgesetzlich geregelt werden, wie ORF.at am Mittwoch schon berichtete. Darauf stiegen am Donnerstag auch andere Medien und schließlich auch die Parteien ein.

Eine einfachgesetzliche Regelung schloss die ÖVP am Donnerstag nicht aus. Gegenüber dem ORF sagte der ÖVP-Generalsekretär, dass man das Gesetz rasch beschließen müsse. Könne man die Opposition nicht überzeugen, werde man eine einfachgesetzliche Lösung suchen.

Regelung soll „wasserdicht“ werden

In der ÖVP argumentiert man, dass es eine Verfassungsbestimmung brauche, so sei es juristisch empfohlen worden. Immerhin werde mit dem Paket auch in Verträge eingegriffen. Vom Justizministerium hieß es, durch die Ausgestaltung als Verfassungsbestimmung solle die Regelung rechtlich abgesichert werden. Auf ORF.at-Nachfrage betonte Wohnsprecherin Nina Tomaselli (Grüne), dass man die „potenzielle Ersparnis durch den Mietendeckel für die Mieter und Mieterinnen gesetzlich wasserdicht machen“ und „sie vor allfälligen Klagen schützen“ wolle. Es sei aber nicht die Intention, „dass der Gesetzgeber in Zukunft bei Änderungen des Mietrechtsgesetzes oder der Valorisierungsbestimmungen eine Zweidrittelhürde nehmen muss“.

Neben dem geplanten Deckel soll auch die Berechnungsmethode in mehreren Punkten umgestellt werden. Auch dürfen etwa bei Kategorie- und Richtwertmieten selbst nach Ablauf der drei Jahre Mieten nicht unbeschränkt aufgestockt werden. Fällt der jeweilige Wert über fünf Prozent aus, darf nur die Hälfte dieses Satzes dem Mieter oder der Mieterin vorgeschrieben werden. Wenn sich also ein Anpassungswert von beispielsweise sechs Prozent ergibt, können nur 5,5 Prozent verlangt werden.

Auch werden künftig Richtwerte jährlich und nicht mehr alle zwei Jahre valorisiert, damit es zu keinen so großen Sprüngen wie aktuell kommt. Bei Kategoriemieten wiederum kann es laut dem Gesetz künftig nur noch eine Erhöhung pro Jahr geben.

SPÖ erbost

Die SPÖ übte schon im Vorfeld und auch in der Nationalratssondersitzung am Mittwoch scharfe Kritik an Regierung und deren Plänen. Der geschäftsführende Klubobmann Philip Kucher sagte am Donnerstag in einer Aussendung, es komme für seine Partei nicht infrage, in die Verfassung zu schreiben, dass die Mieten jedes Jahr erhöht werden.

Damit werde auch für die Zukunft verhindert, dass mit einfacher Mehrheit Mieten gesenkt oder Mieterhöhungen ausgesetzt werden können. Eine Entkoppelung der Mieten vom Verbraucherpreisindex wäre politisch de facto verhindert. Die SPÖ würde dagegen alle Mieterhöhungen zurücknehmen.

Mietdeckel benötigt Zweidrittelmehrheit

Der Gesetzesentwurf zum Mietpreisdeckel enthält unterschiedlichste Änderungen, die direkt in bestehende Mietverträge eingreifen. Um gegen Anfechtungen möglichst abgesichert zu sein, will die Regierung die neuen Regelungen in die Verfassung heben. Für die nötige Zweidrittelmehrheit muss jedoch eine der großen Oppositionsparteien gewonnen werden.

FPÖ abwartend

Die FPÖ hingegen zeigte sich schon am Mittwoch weniger ablehnend, sie sah im Mietpreisdeckel gar einen eigenen Erfolg. Die ÖVP habe einmal mehr FPÖ-Forderungen übernommen. Am Donnerstag ließ die FPÖ wissen, man studiere derzeit den erst seit dem Abend vorliegenden Gesetzesentwurf. FPÖ-Wohnbausprecher Philipp Schrangl meinte im Ö1-Mittagsjournal, man könne dem gegenwärtigen Entwurf noch nicht zustimmen, sei aber verhandlungsbereit. Wenig später forderte Schrangl in einer Aussendung eine Finanzspritze durch den Bund für die gemeinnützigen Bauträger. „Die aus der Mietpreisbremse resultierenden Verluste gemeinnütziger Bauvereinigungen sind durch die Republik zu ersetzen“, so Schrangl. Genossenschaften seien „keine Handkasse der schwarz-grünen Regierung“. Er kündigte auch an, dass der vorliegende Entwurf keine Zustimmung vonseiten der FPÖ finden werde: „Bevor etwaige Diskussionen überhaupt beginnen können, muss der Ausverkauf des gemeinnützigen Wohnbaus an Anleger gestoppt werden“, hieß es.

Bis zum Beschluss sind Änderungen freilich noch möglich. Die FPÖ könnte etwa ihre Zustimmung nur erteilen, wenn ihre Forderungen mit einfließen. Und die sind zahlreich, es brauche etwa die Schaffung einer gesetzlichen Regelung zum Einfrieren der Richtwert- und Kategoriemieten bis inklusive 2026 und eine lndexierungsmöglichkeit von maximal zwei Prozent über alle Mietformen.

Der ÖVP-Abgeordnete Johann Singer hoffte am Donnerstag auf konstruktive Verhandlungen: Die Opposition sei eingeladen, sich und die Fachkunde ihrer Fachleute in die Gestaltung des Gesetzes einzubringen, so Singer.

Kritik auch von Gemeinnützigen und Gewerkschaft

Das Paket stieß freilich auch bei den gemeinnützigen Bauträgern auf Ablehnung. Mit dem geplanten Deckel würden im gemeinnützigen Wohnbau „jährlich über 160 Mio. Euro für dringend erforderliche Neubau- und Sanierungsmaßnahmen“ fehlen, kritisierte der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) in einer Aussendung. Gleichzeitig könnten die Marktmieten der gewerblichen und privaten Vermieterinnen und Vermieter wegen fehlender Regulierung „weiter ungebremst steigen“. Zum Ausgleich der 160-Mio.-Lücke sowie der sprunghaft gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten fordern die Gemeinnützigen Bauvereinigungen Zweckzuschüsse des Bundes für die Wohnbauförderung, Haftungsübernahmen des Bundes für Kapitalmarktdarlehen und die Schaffung eines Bundesfördertopfes für die anstehenden Dekarbonisierungsmaßnahmen.

Die Gewerkschaft vida kritisierte den Mietpreisdeckel als „Geschenk an Miethaie“. „Dieser Gesetzesvorschlag riecht stark nach Klientelpolitik für die Superreichen“, sagte vida-Chef Roman Hebenstreit laut Aussendung. Die Regierung müsse beim Thema Mieten „echte Lösungen“ für die Bevölkerung in Angriff nehmen. Die Volkshilfe sieht Mietpreisbremsen in Spanien, Portugal, Dänemark und in der Schweiz als Vorbild für Österreich. Der Mietpreisdeckel in Österreich sei „nicht geeignet, die sehr hohen Wohnkosten nachhaltig zu reduzieren“, so der Volkshilfe-Wien-Mietrechtsexperte, Martin Orner.