Innenminister Gerhard Karner
APA/Helmut Fohringer
Kriminaldienstreform

Polizei soll fit für Cybercrime werden

Kritik war im Vorfeld bereits laut geworden, nun ist sie offiziell präsentiert worden: Am Freitag wurde im Innenministerium in Wien die Kriminaldienstreform mit dem Schwerpunkt Cybercrime vorgestellt. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach von der „größten Reform seit der Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei“. Das Ziel sei, die Exekutive an die neuen Herausforderungen anzupassen und „modern, zeitgemäß und schlagkräftig im Kampf gegen die Kriminalität zu sein“.

Die Kriminaldienstreform ist „ein rundes und stimmiges Paket im Zeitalter der Digitalisierung, analog reicht nicht mehr“, meinte Franz Ruf, Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit. Sie sei ein „wichtiger Schritt, um die Organisation zukunftsfähig zu halten“. Karner nannte drei wesentliche Bereiche der Reform.

Im Bereich Struktur und Organisation sind künftig „ein zentrales Element“ die Kriminaldienstassistenzstellen (KADs) in den Regionen. Diese sollen das „entsprechende Know-how in die Regionen bringen“, es „geht nicht um die Einführung einer zusätzlichen Ebene“, so Karner. Österreichweit soll es 38 derartiger KADs geben. Diese sollen die drei großen Bereiche Internetkriminalität, Tatortarbeit und Prävention abdecken.

Der Chef des Bundeskriminalamts Andreas Holzer, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Franz Ruf, Innenminister Gerhard Karner, der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl und die Leiterin des Tiroler Landeskriminalamts Katja Tersch
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Innenminister Karner (M.) bei der Präsentation der Reform

Landeskriminalämter werden neu strukturiert

Ähnlich dem Bundeskriminalamt soll es künftig auch in den Landeskriminalämtern eigene Bereiche für die organisierte Kriminalität geben. Die Landeskriminalämter – ausgenommen Wien – werden überhaupt neu strukturiert, wie die Tiroler LKA-Chefin Katja Tersch erläuterte: Statt wie derzeit zehn Ermittlungs- und acht Assistenzbereiche, wird es in Zukunft nur noch Kriminalbereiche geben.

Mehr Polizei gegen Internetkriminalität

Das Innenministerium hat am Freitag die Kriminaldienstreform präsentiert. Es soll auf allen Ebenen strukturelle Veränderungen geben, der Kampf gegen Kriminalität im Internet soll intensiviert werden. Dafür soll es zusätzliches Personal geben. Diesen Punkt halten Polizeigewerkschafter für unglaubwürdig.

Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl, der maßgeblich an der Reform mitgearbeitet hatte, begrüßte, dass diese bis auf die Polizeiinspektionen (PI) durchschlagen soll. 148 Inspektionen sollen eigene Kriminaldienststellen bekommen, deren Größe sich nach der Größe der jeweiligen PI richtet. Dabei soll es immer auch einen Cybercrime-Spezialisten geben. Pilsl sprach auch den Schwerpunkt Tatortarbeit in der Reform an: „Der Sachbeweis wird immer wichtiger.“

Flächendeckende Aus- und Weiterbildung soll kommen

Als zweiten Bereich nannte der Innenminister den Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung. Hier soll die Polizei im Bereich Cybercrime fit gemacht werden. In der polizeilichen Grundausbildung werden künftig zusätzlich Internetmodule angeboten. Außerdem sollen in allen neun Bundesländern Cybercrime-Trainingscenter eingerichtet werden.

„Wir brauchen neue IKT-Lösungen (Informations-und Kommunikationstechnik, Anm.)“, erläuterte Ruf. Die Trainingscenter sollen zur flächendeckenden Aus- und Fortbildung „aller Polizeibediensteten“ führen, sagte Ruf. Innerhalb von fünf Jahren sollen „alle Kolleginnen und Kollegen durchgeschult werden“, sagte Andreas Holzer, Chef des Bundeskriminalamts (BK).

Der dritte Schwerpunkt der Reform ist laut dem Innenminister der Bereich zusätzliche Arbeitsplätze, „die notwendig werden“. Rund 700 Stellen sollen in den nächsten fünf Jahren geschaffen werden. Außerdem sollen rund 2.000 Arbeitsplätze von Polizeibediensteten aufgewertet werden, sagte Ruf.

Details bereits im Vorfeld bekanntgeworden

Die Reform sieht vor, wie im Vorfeld bereits bekanntwurde, dass bei 148 größeren Polizeiinspektionen mit mehr als 19 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Kriminaldienstgruppen gebildet werden, in denen zumindest ein Cybercrime-Ermittler tätig ist. Zusätzlich soll in österreichweit 38 Regionen jeweils eine Schwerpunktdienststelle entstehen. Auf diesen sollen dann Cybercrime-Spezialisten und -Spezialistinnen, Tatortspurensicherer und Präventionsbeamte eine „Cybercobra“ bilden.

Statement von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über die Eck- und Schwerpunkte der Kriminaldienstreform.

Verhandlungen über bessere Bezahlung

In den Landeskriminalämtern der Landespolizeidirektionen wird ein eigener Fachbereich für Ermittlungen zur Internetkriminalität geschaffen, wie im Vorfeld bekanntwurde. Die dort tätigen Fachleute unterstützen die Ermittler und Ermittlerinnen auf den Polizeiinspektionen und Schwerpunktdienststellen. Im Bundeskriminalamt wird die Zentrale zur Bekämpfung der Internetkriminalität, das Cyber Crime Competence Center (C4), personell auf 120 Beamte aufgestockt, hieß es weiter.

Derzeit laufen laut Medienberichten auch Verhandlungen mit der Personalvertretung und mit dem Ministerium für öffentlichen Dienst von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Denn neben den zusätzlichen Planstellen geht es einem „Kurier“-Bericht zufolge auch um bessere Bewertung und Bezahlung für 1.954 Kriminalistinnen und Kriminalisten. Derzeit verdienen sie oft schlechter als Streifenpolizisten, weil diese mehr Überstunden und Wochenenddienste haben, so der Bericht weiter.

Kritik von Gewerkschaften

Kritik kam bereits vor der Präsentation, dass aufgrund der neu geschaffenen Schwerpunktdienstellen dann Personal von kleineren Dienststellen abgezogen werde. Vor allem sozialdemokratische und freiheitliche Polizeigewerkschafter kritisierten bereits am Dienstag, dass mit der Reform der Apparat noch aufgebläht werde. Der sozialdemokratische Gewerkschafter Martin Noschiel (FSG) sagte im Ö1-Morgenjournal am Dienstag: „Kritisch sehen wir, dass die Planstellen, die für diese Funktionen vorgesehen sind, von Kolleginnen und Kollegen besetzt werden, die von den Basisdienststellen kommen – und dass dadurch wieder die Basisdienststellen ausgehöhlt werden.“

Auch der freiheitliche Polizeigewerkschafter Werner Herbert (AUF) lehnt die Schwerpunktdienststellen ab, „weil wir es grundsätzlich als eine Aufblähung der Führungsebene sehen und weil zu wenig für den operativen Bereich, also für die kämpfende Truppe, in diesem Reformpapier vorhanden ist“. Auch der oberste Personalvertreter Reinhard Zimmermann von den ÖVP-nahen Christgewerkschaftern (FCG) sieht die Schaffung der regionalen Schwerpunktdienststellen kritisch.

Zweifel an Rekrutierung

Auch Zweifel an der Schaffung von über 700 neuen Planstellen kommen von der Gewerkschaft. „Das wird natürlich ziemlich schwierig – und wenn es gelingt, wird es wiederum zulasten der Basisdienststellen gehen“, sagte Noschiel. Sein freiheitlicher Kollege Herbert pflichtete bei: „Wir haben schon jetzt ein sehr großes Recruiting-Problem, sodass wir den normalen Polizeidienst für die kommenden Jahre schwer sicherstellen können.“

In einem Arbeitspapier der ÖVP-nahen FCG heißt es: „Die geplanten Bewertungsverbesserungen und die Schaffung neuer, zusätzlicher Arbeitsplätze zur Kriminalitätsbekämpfung werden begrüßt. Keinesfalls darf es zu Verschlechterungen für die Kollegenschaft kommen. Der Dienstgeber ist in der Verantwortung.“

Auch NEOS sieht Rekrutierungsproblem

Stephanie Krisper, NEOS-Sprecherin für Inneres, schlug in dieselbe Kerbe: „Wie will Innenminister Karner in den nächsten fünf Jahren 700 neue Stellen schaffen, wenn es schon jetzt massive Recruiting-Probleme gibt?“, fragte sie. Die Nationalratsabgeordnete wies darauf hin, dass es allein 2022 fast 1.500 Abgänge aus dem Polizeidienst gab. „Horrende Überstunden, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Arbeitspläne aus dem letzten Jahrhundert machen den Beruf einfach zu unattraktiv. Daran wird auch die vorgestellte Kriminaldienstreform leider nichts ändern – denn sie ist nicht der große Wurf, den es dringend bräuchte, um die Exekutive tatsächlich modern und schlagkräftig aufzustellen.“

Karner: Kein Recruting-Problem

Karner wies die Darstellung zurück, dass es Recruiting-Probleme gebe: „Mit heute, dem 1. September haben 607 Polizeischülerinnen und Polizeischüler ihre Ausbildung begonnen.“ 2022 seien 450 Beamte aus dem Dienst geschieden. „Das ist eine Fluktuation von 1,4 Prozent.“ Pilsl ergänzte: „Im Jänner dieses Jahres hatten wir in Oberösterreich den höchsten Personalstand, den wir jemals hatten.“ Auch österreichweit gebe es mit 32.000 Polizistinnen und Polizisten einen historischen Höchststand, so das Innenministerium. Der Innenminister betonte außerdem, dass der Zuwachs von 700 Arbeitsplätzen über fünf Jahre stattfinde, „weil sich das eben entwickelt“.

Karner sah auch Erfolge im Recruiting: Bei vier Aufnahmeterminen – März, Juni, September und Dezember – hätten sich für den März-Termin 876 Menschen beworben. Für den Dezember-Termin habe man 3.226 Bewerbungen. Allerdings zeigte sich im März auch, dass von den Bewerberinnen und Bewerbern viele nicht geeignet sind: 250 der 876 schafften es tatsächlich in die Polizeischule, so Karner auf Nachfrage.

FPÖ: Karner „großspuriger Ankündiger“

Die FPÖ kann der Reform nichts abgewinnen. „Diese sogenannte Reform“ untermauere einmal mehr die völlig falsche Sicherheitspolitik der ÖVP und von Innenminister Karner, die sich bis zur jüngst angekündigten Schließung von mehr als der Hälfte der Wiener Polizeidienststellen in der Nacht ziehe, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer und der Bereichssprecher für den Öffentlichen Dienst und Vorsitzende der FPÖ-Polizeigwerkschaft AUF, Werner Herbert, am Freitag in einer Aussendung.

Karner gebe den großspurigen Ankündiger, übrig bleibe aber so gut wie nichts. Mit der Reform werde weder die Sicherheit der Bevölkerung erhöht noch würden für die Kriminalbeamten signifikante Verbesserungen erreicht, so Amesbauer. Die Führungsebene werde weiter aufgebläht, die zahlreichen Kriminalbeamten an der Basis von Karner völlig in Stich gelassen, so die Aussendung weiter.