Nobelpreiszeremonie in Stockholm
AP/TT/Pontus Lundahl
Rückzieher nach Kritik

Russland bei Nobelpreisen wieder ausgeladen

Nach heftiger Kritik verzichtet die Nobelstiftung auf die erst am Vortag angekündigte Einladung des russischen Botschafters zur diesjährigen Nobelpreis-Verleihung in Stockholm. Wie schon vergangenes Jahr würden die Botschafter von Russland, Belarus und des Iran nicht zu der Zeremonie im Dezember eingeladen, teilte die Stiftung am Samstag mit.

Noch am Donnerstag hatte die Stiftung erklärt, dass sie im Unterschied zum vergangenen Jahr in diesem Jahr wieder alle Botschafter der in Schweden vertretenen Länder zu der Zeremonie in Stockholm einladen werde. Daraufhin kündigten mehrere schwedische Politiker an, dass sie die Veranstaltung boykottieren wollten.

Kritik kam auch von Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson. „Ich hätte es nicht getan, wenn ich für die Einladungen zu einer Preisverleihung zuständig wäre, und ich verstehe, dass dies viele Menschen sowohl in Schweden als auch in der Ukraine verärgert“, wie Kristerson auf die von der Nobelstiftung zunächst geplante Wiedereinladung Russlands mitteilte.

Schwedens Premier Ulf Kristersson
Reuters/Tt News Agency
Kristerson sagte zur zunächst im Raum gestandenen Einladung Russlands: „Ich hätte das nicht getan.“

„Heftige Reaktionen“

Die Nobelstiftung machte daraufhin ihre Entscheidung zur Einladung der drei Botschafter rückgängig. Sie begründete das mit den „heftigen Reaktionen in Schweden“. Das ursprüngliche Vorhaben zur Einladung aller Botschafter habe auf der Ansicht basiert, dass „die Werte und Botschaften“ des Nobelpreises so weit wie möglich verbreitet werden sollten. Doch werde diese Intention durch die Reaktionen „komplett überschattet“.

„Der Vorstand der Nobelstiftung hat daher beschlossen, die letztjährige Ausnahme von der üblichen Praxis zu wiederholen, d. h. die Botschafter von Russland, Belarus und des Iran nicht zur Nobelpreis-Verleihung in Stockholm einzuladen“, wie es in einer am Samstag veröffentlichten Aussendung weiter hieß. Gleichzeitig unterstrich die Nobelstiftung jedoch, dass sämtliche Botschafter zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo eingeladen würden. Das war auch schon im vergangenen Jahr geschehen.

Ukraine begrüßt Kehrtwende

Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Oleg Nikolenko, bezeichnete die innerhalb weniger Stunden erfolgte 180-Grad-Wende der Nobelstiftung als „Sieg für den Humanismus“. Er danke „allen, die die Wiederherstellung der Gerechtigkeit gefordert hatten“. Der Ministeriumssprecher forderte allerdings, dass die Botschafter der drei Länder auch zu der Zeremonie in Oslo nicht eingeladen werden sollten.

Die Nobelstiftung veranstaltet sowohl die Nobelzeremonie in Stockholm als auch jene in Oslo. Beide Feierlichkeiten finden traditionell jedes Jahr am 10. Dezember statt. In Stockholm erhalten die Preisträger in den Bereichen Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschaft ihre Auszeichnungen von König Carl XVI. Gustaf, worauf ein Galabankett für rund 1.200 Gäste folgt. In Oslo wird am selben Tag der Friedensnobelpreis überreicht.

Preisträger Muratow für Moskau „ausländischer Agent“

Überschattet wird die Debatte rund um die Einladungspolicy des Stockholmer Nobelpreiskomitees von zunehmender Sorge über den russischen Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow. Der Journalist, der 2021 zusammen mit der philippinischen Journalistin Maria Ressa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, wird laut Kreml-Angaben vom Freitag von Russland als „ausländischer Agent“ eingestuft.

Das Justizministerium in Moskau begründete den Schritt mit dem Vorwurf, der Journalist habe „ausländische Plattformen genutzt, um Meinungen zu verbreiten, die darauf abzielen, eine negative Haltung gegenüber der Außen- und Innenpolitik der Russischen Föderation zu bilden“.

„Politisch motiviert“

Das Friedensnobelpreiskomitee verurteilte die russische Vorgangsweise auf das Schärfste. Muratow war 2021 für seine Bemühungen um die Förderung der Meinungsfreiheit sowie des unabhängigen Journalismus mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, erklärte die Vorsitzende des norwegischen Friedensnobelpreiskomitees, Berit Reiss-Andersen, am Samstag. Es sei „traurig, dass die russischen Behörden nun versuchen, ihn zum Schweigen zu bringen“.

Die Anschuldigungen gegen den Herausgeber der wichtigsten unabhängigen russischen Zeitung bezeichnete Reiss-Andersen als „politisch motiviert“. Das Nobelkomitee stehe weiterhin hinter der „wichtigen Arbeit“ Muratows und der von ihm herausgegebenen „Nowaja Gaseta“.

Auf ihrer Website kommentierte die „Nowaja Gaseta“ den Schritt der russischen Justiz mit der Bemerkung, dass die Liste „ausländischer Agenten“ mittlerweile 674 „würdige“ Träger umfasse. Die von Muratow herausgegebene „Nowaja Gaseta“ ist bekannt für ihre investigative Berichterstattung über Korruption und Menschenrechtsverletzungen. Seit dem Jahr 2000 wurden sechs Journalisten und Mitarbeiter der Zeitung getötet, darunter die Enthüllungsreporterin Anna Politkowskaja.