Britische Schule
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Bröselbeton in Schulen

Britische Regierung unter Druck

Der Skandal um fehlerhaften Beton, der in Großbritannien zu Schulbeginn zu Schließungen führt, weitet sich aus. Warnungen seien jahrelang ignoriert worden, und nun werde Geheimniskrämerei betrieben, so die Vorwürfe. Die Sorge vor weiteren Schulschließungen bringt Eltern auf. Hinzu kommt nun auch eine weitere Komplikation: Der noch verbreitete Asbest in öffentlichen Gebäuden könnte das Betonproblem verschärfen.

Man werde „ausgeben, was nötig ist“, um des Problems Herr zu werden, sagte der britische Finanzminister Jeremy Hunt am Sonntag. Für ein Drittel der 156 Schulen gebe es aktuelle Informationen über „sofort“ vorgenommene Abhilfemaßnahmen. „Die Mehrheit der verbleibenden rund 100 Schulen kann weitgehend normal arbeiten“, so Hunt gegenüber Sky News. Die Regierung betonte, betroffen sei lediglich ein Bruchteil der weit mehr als 20.000 Schulen in England.

Die Nachricht aber, dass etliche britische Schulen ausgerechnet zum Schulbeginn am Montag gesperrt werden müssen, führte zu einem Aufschrei. Wegen der Verwendung eines speziellen Betons (RAAC) gelte inzwischen Einsturzgefahr, in mehr als 50 Schulen ist sie akut. Der Beton wurde bis in die 1980er Jahre verbaut. Mehr als 100 weitere Schulen wurden angewiesen, jene Bereiche zu schließen, in denen der Beton verbaut wurde.

Zurück zum Homeschooling

Britischen Medienberichten zufolge sind Tausende Schülerinnen und Schüler betroffen. Schulleiterinnen und -leiter hatten in den vergangenen Tagen verzweifelt versucht, die Unterbringung ihrer Klassen sicherzustellen. Manche Schülerinnen und Schüler sollen nun Fernunterricht erhalten oder vorübergehend in anderen Schulen unterkommen.

Bildungsministerin Gillian Keegan nutzte eine Kolumne in der „Sun“, um Befürchtungen zu zerstreuen. Es gebe „keine andere Wahl“, als in einer „Handvoll Fälle“, in denen RAAC eine Rolle spiele, Schließungen vorzunehmen. „Wir alle müssen im Leben schwierige Entscheidungen treffen, und bei einer verantwortungsvollen Regierung geht es darum, sie richtig zu treffen. Das bedeutet, Beweise zu prüfen und zu handeln, auch wenn die Kompromisse erheblich sind“, sagte Keegan.

Asbest und Bröselbeton

Gegenüber der BBC bestritt Hunt, dass es zu weitreichenden Schulschließungen wie in der Pandemie kommen werde. Er räumte aber ein, dass das gesamte Kabinett alarmiert sei, da das Problem durch Asbest verschärft werde. Es wird angenommen, dass Asbest in etlichen der nun betroffenen Gebäude vorhanden ist. Eine Umfrage des Bildungsministeriums hatte heuer ergeben, dass Asbest in etwa 16.000 Schulen vorhanden sei.

Obwohl die weit verbreitete Verwendung von Asbest ab den 1980er Jahren eingeschränkt wurde, wies das britische Rechnungsprüfungsamt darauf hin, dass nur Schulen, die seit dem Jahr 2000 gebaut wurden, als ungefährlich angesehen werden. Hunt sagte, die Regierung werde handeln, „unabhängig davon, ob es sich um RAAC oder das umfassendere Asbestproblem handelt“.

Warnungen ignoriert

Opposition und Verbände kritisierten, die Regierung habe viel zu spät auf das seit Jahren bekannte Problem reagiert. Zudem werden die Rufe nach mehr Transparenz unüberhörbar. Denn die Regierung veröffentlichte die vollständige Liste der betroffenen Schulen nicht, was viel Kritik hervorrief. Die Lehrergewerkschaft NASUWT etwa warnte schon seit Langem vor den Gefahren von Asbest in britischen Schulen. Ihr Generalsekretär Patrick Roach sagte gegenüber dem britischen „Guardian“: „Die Regierung muss hier einige Lehren ziehen. Aber die Realität ist, dass wir echte Kürzungen bei Schulbau- und Sanierungsprogrammen erlebt haben.“

Darüber hinaus dürfte das Problem nicht auf Schulgebäude beschränkt sein. Fachleute warnten, dass RAAC auch in Krankenhäusern, Gerichtsgebäuden und Ministeriumsbüros verarbeitet worden sei.

Missmanagement, das Bildung schadet

„Es ist nicht die Schuld der Regierung, dass die Gebäude auf diese Weise gebaut wurden“, schrieb die Londoner „Times“ am Samstag. „Doch sie hat sich schuldig gemacht, indem sie die langjährigen Warnungen vor den Gefahren für Schüler und Personal ignorierte. Die Schulen mit nur wenigen Tagen Vorlaufzeit zur Schließung zu zwingen, ohne eine Liste der betroffenen Einrichtungen zu veröffentlichen, ist ein Missmanagement, das der Bildung der Kinder schadet und den Eltern Sorgen und Unannehmlichkeiten bereitet. Und es ist ein Beispiel für die Kosten, die durch die Vernachlässigung der Instandhaltung öffentlicher Anlagen entstehen.“